Beim Stichwort Muskelfunktion denkt man eher nicht an Diabetes. Doch ein gängiges Diabetesmedikament könnte auch Muskelatrophien und Fibrosen verhindern. Davon würden vor allem ältere Patienten profitieren.
Forscher der University of Utah Health haben herausgefunden, dass Metformin überraschende Anwendungen auf zellulärer Ebene hat. Es kann seneszente Zellen angreifen, die die Muskelfunktion beeinträchtigen. Seneszente Zellen sezernieren Faktoren, die mit Entzündungen in Verbindung stehen und Fibrosen zugrunde liegen können. Metformin reduziert auch den Muskelschwund. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Aging Cell veröffentlicht.
„Wir sind an der klinischen Anwendung dieser Forschung interessiert“, sagt Dr. Micah Drummond, Hauptautor der Studie und Professor für Physiotherapie und Athletiktraining am College of Health. „Zum Beispiel sind Knieoperationen bei älteren Menschen bekanntermaßen schwer zu überwinden. Wenn wir während der Genesungsphase einen Wirkstoff vom Typ Metformin verabreichen, könnten wir den Muskeln helfen, sich schneller wieder zu erholen.“
Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Erwachsene stürzen, ins Krankenhaus eingeliefert werden oder chronische Krankheiten entwickeln – Muskelschwund erhöht diese Risiken. Das Forschungsteam wollte eine therapeutische Lösung finden, die sowohl auf die Atrophien als auch die Erholung der Muskeln abzielt.
Es gibt ein optimales Maß an seneszenten Zellen, das unabhängig vom Alter von Vorteil ist. Bei jüngeren, gesünderen Menschen ist eine kurzfristige Seneszenz für eine ordnungsgemäße Erholung von Verletzungen erforderlich und eine vollständige Blockierung des Seneszenzeffekts behindert die Heilungsbemühungen des Körpers. In der Regel können sich jüngere Menschen nach einem Muskelabbau leichter erholen, ohne dass ein Mittel wie Metformin eingesetzt werden muss. „Im Falle des Alterns wissen wir, dass es eine Dysfunktion des Immunsystems gibt“, sagt Drummond. „Je älter man wird, desto schwieriger wird es für den Körper, seneszente Zellen zu beseitigen und sie sammeln sich an. Das ist ein Grund dafür, dass sich ältere Menschen nach einer Phase der Inaktivität viel langsamer erholen.“
Die Anti-Seneszenz-Eigenschaften von Metformin wurden bereits in vorklinischen Studien nachgewiesen. Um den Eingriff am Menschen zu testen, rekrutierte das Team 20 gesunde männliche und weibliche ältere Erwachsene für eine mehrwöchige Studie. Die Teilnehmer mussten sich vor dem Eingriff, der fünf Tage Bettruhe beinhaltete, einer Muskelbiopsie und einem MRT unterziehen. Eine Gruppe von 10 Teilnehmern erhielt während einer zweiwöchigen Einlaufphase Metformin und die anderen 10 Placebo-Pillen.
Nach der Bettruhe wurden bei den Teilnehmern eine weitere Muskelbiopsie und eine MRT-Untersuchung durchgeführt, danach wurde die Behandlung eingestellt. Alle Patienten absolvierten eine siebentägige Reambulanz, gefolgt von einer letzten Muskelbiopsie. „In unserer Studie haben wir zwei Dinge gesehen“, sagt Drummond. „Wenn die Teilnehmer während der Bettruhe Metformin einnahmen, hatten sie weniger Muskelschwund. Während der Erholungsphase wiesen ihre Muskeln auch weniger Fibrose oder übermäßiges Kollagen auf. Diese Ablagerungen können es dem Muskel erschweren, richtig zu funktionieren.“
Um diese Ergebnisse mit dem Alterungsprozess in Verbindung zu bringen, untersuchte das Forschungsteam die Muskelbiopsien der Studienteilnehmer. Sie fanden heraus, dass die Teilnehmer, die Metformin einnahmen, weniger Marker für zelluläre Seneszenz aufwiesen. „Dies ist die erste Arbeit, die einen direkten Zusammenhang zwischen einer Therapie, die auf die zelluläre Seneszenz abzielt, und einer verbesserten Erholung der Muskeln nach Inaktivität im Alter herstellt“, sagt Hauptautor Dr. Jonathan Petrocelli. Er erklärt, dass Metformin den Muskelzellen hilft, das Gewebe während der Erholungsphasen nach Inaktivität besser umzubauen und zu reparieren.
„Unser eigentliches Ziel ist es, dass die Patienten ihre Muskelmasse und -funktion im Alter erhalten, denn Atrophie und Schwäche gehören zu den stärksten Prädiktoren für die Entwicklung von Krankheiten und den Tod“, erklärt er. Drummonds Team verfolgt diese Ergebnisse weiter und untersucht die Kombination des Medikaments mit Leucin, einer Aminosäure, die das Wachstum fördert und die Erholung noch weiter beschleunigen könnte. Die Wirksamkeit dieser Kombination wurde bereits in präklinischen Tierversuchen nachgewiesen. „Metformin ist billig, wirksam und ziemlich sicher, daher ist es spannend zu sehen, dass wir es einsetzen können, um die Erholung älterer Menschen zu beschleunigen“, fügt Drummond hinzu.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der University of Utah Health. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Catrin Johnson, Unsplash