Ergogene Substanzen sind bei Sportlern beliebt. Doch nicht immer braucht es hochkonzentrierte NEM aus der Apotheke – der Griff ins Gemüsefach tuts auch.
Profisportler achten auf ihre Ernährung – das gilt seit Milon von Kroton und ist auch für Cristiano Ronaldo, Tom Brady oder Roger Federer so. Neben Kreatin, Taurin und Koffein wird auch über natürliche Ressourcen supplementiert. Ganz nach dem Motto „Abs Are Made in the Kitchen“ liegt der Fokus seit einiger Zeit wieder auf den Gemüseklassikern. Dass die Wahl des richtigen Menüs dabei nicht nur zu Vorzeigekörpern führt, sondern auch den entscheidenden Unterschied im Wettkampf bringen kann, bestätigen eine Reihe von Studien zu unterschiedlichen ergogenen Substanzen – in diesem Fall Gemüsesorten. Nachdem Spinat spätestens mit Popeye auf sich aufmerksam gemacht hat, ist es in den vergangenen Jahren insbesondere die Rote Beete, die dank ihrer Inhaltsstoffe in den Fokus gerückt ist. Das Zauberwort heißt: Nitrate.
Zwar besitzt die rote Knolle an sich eine Vielzahl an positiven Eigenschaften und Inhaltsstoffen – wie antioxidativ und entzündungshemmend wirkende Betanine, eine Reihe an B-Vitaminen sowie Vitamin C. Doch insbesondere die Nitrate verhelfen laut aktuellen Reviewergebnissen zu Leistungssteigerungen in Ausdauer- wie auch Kraftsport. Insbesondere Kampfsportler ziehen demnach – aufgrund des Wechsels von hochintensiven Kampf- und Ruhephasen – Vorteile aus der Nitrat-Aufnahme.
Die Verstoffwechslung der Roten Beete bzw. des Nitrats ist der Schlüssel für die Ergebnisse der Forscher. Ob in Form von Gel, Saft, Pulver oder roh – wird das Nitrat (NO3) aufgenommen, wird es bereits im Mundraum mit Hilfe anaerober Bakterien in bioaktives Nitrit (NO2) umgewandelt. Im Magen angekommen kommt es dann zur entscheidenden Weiterverarbeitung des Körpers – dank Magensäure und Sauerstoff wird aus NO2 das freie Radikal Stickstoffmonoxid (NO). Gelangt dieses wiederum in den Blutkreislauf, wirkt es nachgewiesen vasodilatativ. „Die gefäßerweiternde Wirkung des NO führt zu einem höheren Anteil an sauerstoffhaltigem Hämoglobin im Muskel und zu einer geringeren Sauerstoffaufnahme im gesamten Körper. Bei Kampfsportarten führte eine chronische oder akute Supplementierung mit Rote-Bete-Saft bei isometrischen und isokinetischen Muskelkontraktionen zur Aufrechterhaltung des Blutdrucks und des Blutvolumens.“
Die Folge: Die Muskeln werden besser durchblutet. Weitere Vorteile beschreiben die Forscher: „Die generierte Leistungssteigerung nach dem Verzehr von Roter Bete wurde allgemein auf eine Verbesserung der Effizienz der mitochondrialen Atmung und der oxidativen Phosphorylierung zurückgeführt. Dies ist bei Kampfsportarten offensichtlich, da die Supplementierung mit Roter Bete die O2-Sättigung der Muskeln während der Trainingserholung erhöhte und die Laktatwerte im Blut nach isokinetischen Übungen verringerte.“
Ergo begünstigt Rote Beete eine bessere Muskelerholung und erhöht die Ermüdungsresistenz. Während letzteres auch durch die Kalziumfreisetzung im Muskel in Gang gebracht wird, ist für einen milderen Muskelkater erneut Nitrat verantwortlich: „Diese Ergebnisse könnten mit der Fähigkeit von Nitrat zusammenhängen, die Effektivität des Trainings zu verbessern und die Erschöpfung hinauszuzögern, indem es die Effizienz des ATP-Verbrauchs während der Muskelkontraktion steigert und so die Kosten für die Kraftproduktion verringert.“
Konkret prüften die im Review zusammengefassten Studien die vermuteten Verbesserungen dabei nach Zugabe von Roter Beete in einem Zeitabstand von rund 2 bis 2,5 Stunden vor spezifischen Leistungstests. Diese bestanden aus isometrischen Handgriffübungen für den Oberkörper, Countermovement Jumps, wiederholten Sprints und isokinetischer Kniestreckung. Bei einer Dosis von 140 ml verzeichneten die Forscher eine kurzfristige Verbesserung der isokinetischen Kraft – bei einer chronischen Einnahme über 6 Tage vor Leistungseinheit machten sie eine verbesserte isokinetische Gesamtleistung aus und zeigten, dass der Rückgang der isometrischen Kraft nach Ermüdungsübung verhindert werden konnte.
Dass bei bestimmten Faktoren keine Wirkung der Roten Beete verzeichnet wurde, bleibt ebenso Grund für weitere Forschung wie die Tatsache, dass es ganzheitlichere Ansätze geben muss, die unter anderem beide Geschlechter in die Auswertungen einbinden und auch das Gebiet der psychologischen Leistungen stärker einbeziehen.
Eine fehlende Leistungssteigerung während Kraftübungen sei laut Review auch auf die kurze körperliche Stimulationszeit möglich. Auch sei die Wirkung des Nitrats bei hochtrainierten Personen womöglich weniger ausschlaggeben, da diese ohnehin eine höhere NO-Syntheseaktivität hätten und „möglicherweise eine physiologische Anpassung in der Leitungsarterie (d. h. einen erhöhten basalen Arteriendurchmesser) [entwickeln], was den Einfluss von NO auf die Vasodilatation während des Trainings verringern kann.“
Auch könne aufgrund des Querschnitts an Studien mit unterschiedlichen Dosierungen an Roter Beete keine allgemeingültige Dosierungsgröße genannt werden, da Aspekte wie die individuelle körperliche Fitness, die Art des Sports sowie die Dauer der Anwendung eine Rolle spielen. Es bleibt aber laut Forschern eine klare Fürsprache für modernes „Bio-Doping“.
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