Sehverlust ist eine der gefürchtetsten Komplikationen der Riesenzellarteriitis. Daher sollten Ärzte schon bei Verdacht mit der Therapie beginnen. Aber wie erkennt man sie?
In den ersten beiden Teilen unserer Rheuma-Serie drehte sich alles um die rheumatoide Arthritis und Psoriasis-Arthritis. Aber das waren längst nicht alle Inhalte der DocCheck-CME-Veranstaltung „Dein Rheum-AHA-Effekt: Aktuelles zu Diagnostik und Therapie“. Im dritten und letzten Teil blicken wir auf die Riesenzellarteriitis und Takayasu-Arteriitis, über die Prof. Johannes Strunk, Chefarzt der Klinik für Rheumatologie im Krankenhaus Porz am Rhein in Köln, im Live-Webinar berichtet hat.
„Die Riesenzellarteriitis ist ein rheumatologischer Notfall!“, sagt Strunk. Die Autoimmunerkrankung, die zu den Großgefäßvaskulitiden gehört, muss in der Tat rasch behandelt werden, um Folgeschäden zu vermeiden. Oft sind die Patienten über 50 Jahre alt und weiblich – rund drei Viertel der Betroffenen sind ältere Frauen. Die Inzidenz liegt bei älteren Menschen bei etwa 25–30/100.000. Damit ist sie die häufigste Vaskulitis bei Erwachsenen.
Da meist die Arteria temporalis von Entzündungen betroffen ist, wird die Erkrankung auch Arteriitis temporalis genannt wird – allerdings ist sie bei der Riesenzellarteriitis nicht alleinig involviert. Häufigstes Symptom sind Kopfschmerzen, die temporal, okzipital oder frontal, aber auch diffus auftreten. Weitere Symptome sind Kieferschmerzen beim Kauen (Claudicatio masseterica) und Parästhesien der Kopfhaut. In rund der Hälfte der Fälle liegt bei den Patienten auch eine Polymyalgia rheumatica vor.
Achtung: Kommen Sehstörungen hinzu, wird es ernst! Bei 15–20 % der Patienten bleiben irreparable Sehstörungen zurück. „Diese Zahl ist katastrophal“, meint Strunk. Der Sehverlust ist tatsächlich die gefürchtetste Komplikation der Riesenzellarteriitis. Deswegen sollten Ärzte schon bei Verdacht unverzüglich eine hochdosierte Glukokortikoidtherapie (z. B. 1.000 mg/d Prednisolon i. v.) einleiten.
Um die Diagnose zu sichern, greift Strunk zum Ultraschall. In der sonografischen Untersuchung lassen sich bei der Riesenzellarteriitis echoarme Wanderverdickungen nachweisen. Dieses sog. Halo-Zeichen hat die höchste Sensitivität für die Diagnose einer kranialen Riesenzellarteriitis. Die Temporalarterienbiopsie (TAB) galt früher als diagnostischer Goldstandard, wird heute aber nicht mehr in jedem Fall durchgeführt.
Neben Glukokortikoiden kommen vermehrt auch Biologika in der Therapie zum Einsatz. Als „Meilenstein in der Behandlung“ bezeichnet Strunk etwa den monoklonalen Antikörper Tocilizumab, der inzwischen zur Therapie der Riesenzellarteriitis zugelassen ist.
Wie die Riesenzellarteriitis gehört auch Takayasu-Arteriitis zu den Großgefäßvaskulitiden. Takayasu tritt, anders als die Riesenzellarteriitis, typischerweise zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr auf. Frauen sind acht- bis neunmal häufiger betroffen. Die Erkrankung kommt in einigen Teilen Asiens, Afrika und Südamerika häufiger vor. Die weltweite Prävalenz beträgt etwa 6 pro 1.000.
Die Takayasu-Arteriitis ist zwar selten, aber ein ebenso folgenreiches Krankheitsbild, wie Strunk mahnt: „Die Diagnose wird meist erst gestellt, wenn die Katastrophe schon eingetreten ist.“ Bei vielen Patienten wird die Erkrankung erst erkannt, wenn die sogenannte „pulslose“ Phase beginnt. Diese tritt auf, wenn es wegen der sich bildenden Granulome in den Gefäßwänden bereits zu Thrombosen, Stenosen oder Aneurysmen in den betroffenen Blutgefäßen gekommen ist. Davor treten meist nur unspezifische Allgemeinsymptome auf.
Die kritische Phase kann sich klinisch vielfältig präsentieren. Unter anderem lassen sich eine Pulsabschwächung an der Arteria brachialis oder Strömungsgeräusche über den stenosierten Gefäßen feststellen. Auch eine Blutdruckdifferenz zwischen beiden Armen (> 10 mmHg) ist möglich. Patienten können über schmerzende Arme berichten, eventuell im Sinne einer Claudicatio intermittens mit belastungsabhängiger Symptomatik (Subclavian-Steal-Syndrom). Je nachdem, welche Arterien betroffen sind, können neurologische Beschwerden (Apoplex) sowie pulmonale und renale Hypertonie auftreten. Seltene Komplikationen sind Herzinfarkte oder Schlaganfälle.
Therapiert wird die Takayasu-Arteriitis zum einen medikamentös mit Glukokortikoiden, wie z. B. Prednison, und zum anderen operativ. Dabei werden die Gefäße mittels Angioplastie, Stent- oder Bypass-OP rekanalisiert und rekonstruiert.
Abschließend macht Strunk nochmal darauf aufmerksam, dass Takayasu zwar selten sei, man die Erkrankung aber wegen der möglichen schweren Folgeschäden auf dem Radar haben sollte.
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