Unangemessene Honorare, gefälschte Arzneimittel und Nullretaxationen: Vom 17. bis zum 19. September diskutierten Apotheker strittige Themen rund um die Zukunft ihres Berufs – im Mittelpunkt das Perspektivpapier „Apotheke 2030“. Experten deckten Schwachpunkte auf.
Mit Spannung warteten Apotheker auf einen Gast aus Berlin: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) folgte der Tradition seines Vorgängers Daniel Bahr (FDP) und sprach zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags (DAT). Wenig überraschend: Er bekannte sich zur inhabergeführten Apotheke und zur flächendeckenden Versorgung. Gleichzeitig versprach Gröhe, Fixhonorare sowie Nacht- und Notdienstpauschalen regelmäßig zu prüfen. „Dazu brauchen wir von Ihnen belastbare Daten über die Kosten.“ Zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium und mit Parteien im Bundestag will er diskutieren, ob sich Vergütungen für BtM und für Rezepturen erhöhen lassen. Details nannte der Bundesgesundheitsminister nicht – im Unterschied zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK): Noch Ende des Jahres soll ein Entwurf zum E-Health-Gesetz vorliegen.
Gröhe äußerte sich auch zur umstrittenen Entscheidung des Deutschen Apothekerverbands (DAV) und des GKV-Spitzenverbands, Kassenabschläge per Gesetz bei 1,77 Euro festzuschreiben. Er nehme diesen Vorschlag ernst. Dass Unionsvertreter damit nicht sonderlich zufrieden sind, ist kein Geheimnis. Kurz darauf mahnte Georg Nüßlein, Fraktionsvize der CDU/CSU: „Wenn Sie sich für die Festschreibung des Abschlags entscheiden, geben Sie ein Instrument der Selbstbestimmung ab – mit allen Konsequenzen.“ Beim DAT machten Delegierte Nägel mit Köpfen. Vom Gesetzgeber fordern sie, jährlich zu überprüfen, ob der Festzuschlag noch angemessen ist. Dieser Obolus soll auch für ärztlich verordnete Individualrezepturen gelten.
Politiker befassten sich auch mit der Frage, welche Kompetenzen Apotheker künftig übernehmen sollten. Hermann Gröhe sieht Defizite beim Entlassmanagement aus Krankenhäusern gemäß SGB V, Paragraph 39. Er wünscht sich, dass „die Menschen ihre Medikamente weiter aus der öffentlichen Apotheke bekommen sollten“. Beim DAT legten Delegierte nach und beantragten einheitliche Entlassrezepte. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), selbst Ärztin, spricht sich für ein „gut funktionierendes Miteinander“ beider Heilberufe aus; Apotheker sollten „mehr pharmazeutische Kompetenz übernehmen“. Damit lässt es Sabine Dittmar (SPD), ebenfalls Ärztin, nicht bewenden. Sie unterstützt die Forderung von Apothekern, Aufgaben beim Medikationsmanagement und bei der Prävention zu übernehmen. „Ich kann ehrlich gesagt die Zurückhaltung vieler Ärzte in Thüringen und Sachsen nicht verstehen“, sagt Dittmar mit Hinweis auf das Modellprojekt ARMIN.
Alles nur Lippenbekenntnisse? Das wird sich zeigen. Momentan kämpfen Apotheker mit ganz anderen Problemen. DAV-Chef Fritz Becker ärgert sich über die Praxis gesetzlicher Krankenkassen, wegen marginaler Formfehler Nullretaxationen vorzunehmen. Er berichtet von einem Apotheker, der retaxiert wurde, weil sein Kunde mit GKV-Beiträgen im Rückstand war. Dass GKVen eine Lösung am grünen Tisch anstreben, erwartet niemand mehr. Becker: „Es wird Zeit, dass die Politik die ‚Sparkassen‘ in ihre Schranken verweist.“ Kollegen schlagen vor, im SGB V, Paragraph 129, die Zulässigkeit von Nullretaxationen kategorisch auszuschließen.
Beim DAT ging es nicht nur um finanzielle, sondern auch um pharmazeutische Risiken. Durch Arzneimitteldiebstähle gelangten mehrfach gefälschte Präparate in die legale Lieferkette. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt setzt ganz auf securPharm, geht aber noch einen Schritt weiter: „Der Apotheker soll mehr Entscheidungsspielraum bei der Abgabe eines Arzneimittels bekommen. Dazu sollte der Gesetzgeber die verpflichtende Importquote in der GKV-Versorgung streichen.“ Eine entsprechende Resolution wurde mit nur drei Gegenstimmen gebilligt. Hersteller, Großhändler, Parallel- und Reimporteure sollten Inhabern einen Herkunftsnachweis vorlegen und importierte Arzneimittel einer umfänglichen Laborprüfung unterziehen müssten. Kohlpharma meldete sich umgehend mit einer Erklärung zu Wort. An der Malaise seien CC Pharma und Orifarm schuld – und nicht alle Importeure. Hinsichtlich besagter Laborprüfung wird Standesvertretern „erstaunliche Unkenntnis“ vorgeworfen – Untersuchungen müssten Hersteller durchführen.
Im Mittelpunkt des DAT standen jedoch Gespräche zum Perspektivpapier „Apotheke 2030“. Dazu hatten Standesvertreter sogar externe Referenten eingeladen. Gerd Glaeske, Bremen, sprach von „einer der wichtigsten Entscheidungen der Apothekerschaft überhaupt“, mit stärkerer Differenzierung als Folge: Nicht jeder Apotheker habe die Kompetenz, ein Medikationsmanagement durchzuführen. Entsprechendes Wissen und Belege zum Patientennutzen seien erforderlich, um eine Honorierungsfähigkeit zu erreichen. Ähnliche Worte kamen von Professor Hartmut Derendorf, Gainesville. In den USA sei die klinische Pharmazie anerkannt und fest im Studium integriert. Hier zu Lande sollten sich Apotheker mit Hochschulen an einen Tisch setzen und gemeinsame Wege finden. Dass es je nach Universität mehr oder minder große Defizite bei der klinischen Pharmazie gibt, bestätigte David Reiner, Präsident des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD). Deutlich kritischer äußerte sich der frühere Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler: Ärzte würden kein einziges Mal im Perspektivpapier erwähnt. Beim Medikationsmanagement befürchtet er die gegenseitige „finanzielle Kannibalisierung“ und wirbt für einen stärkeren Dialog beider Heilberufe – was Friedemann Schmidt umgehend aufgriff. Dem ABDA-Chef war es gelungen, Delegierte zu überzeugen. Sie nahmen das Perspektivpapier mit nur fünf Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen an. Die Aussprache zeigt, dass es noch viele offene Punkte gibt.