Inhaber sehen Versandapotheken mit Argwohn. Juristisch lässt sich wenig gegen den verhassten Distributionsweg unternehmen. Grund genug, eigene Stärken auszuspielen: Es gibt nicht nur Schnäppchenjäger, zeigen aktuelle Studien. Viele Kunden schätzen fundierte Beratung.
Beim Deutschen Apothekertag (DAT) in München standen Versandapotheken einmal mehr im Rampenlicht der Politik. Kathrin Vogler von der Linken sagte beim Auftakt, ihre Partei lehne den Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln grundsätzlich ab. Versender bewertete sie als „Einfallstor für Fälschungen“, und Maßnahmen zur Kennzeichnung wie securPharm würden „dem Problem nicht gerecht“. Entsprechende Versuche ihrer Partei, politisch gegenzusteuern, waren bislang aber nicht von Erfolg gekrönt.
Experten erwarten hier keinen entscheidenden Durchbruch. Deshalb versuchen sie, geltendes Recht für Versandapotheken aus anderen EU-Staaten konsequent anzuwenden. Zwar ist die Sache juristisch klar. Bereits Mitte 2012 urteilte ein gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes: „Die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis gelten auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben.“ DocMorris störte sich daran nicht wirklich – und versuchte beispielsweise, Rx-Boni trotz bekannter Verbote als Köder auszulegen. Auf Antrag der Apothekerkammer Nordrhein haben Delegierte beim DAT jetzt eine Resolution verabschiedet. Sie fordern den Gesetzgeber auf, Regelungen gegen schwarze Schafe der Versandbranche zu treffen, etwa über Zuwendungsverbote gemäß Paragraph 128, SGB V: „Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße gegen die Verbote (...) angemessen geahndet werden. Für den Fall schwerwiegender und wiederholter Verstöße ist vorzusehen, dass Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden können.“
Kollegen ärgern sich nicht nur über illegale Boni. Kunden, die sich vor Ort beraten lassen, um anschließend im Web Arzneimittel zu bestellen, sind ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Jetzt hat das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) knapp 300 Apotheker befragt. Ihren Angaben zufolge tritt das Phänomen bei jedem zehnten (35,3 Prozent), jedem fünften (24,8 Prozent), jedem dritten Besucher (10,2 Prozent) oder noch häufiger (6,0 Prozent) auf. Knapp 60 Prozent sprechen von Verschlimmerungen und beobachten im Handverkauf einen leichten (39,2 Prozent) beziehungsweise starken Anstieg (20,1 Prozent). Besonders häufig stehen Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsergänzungsmittel im Fokus (57 Prozent), gefolgt von Präparaten bei Erkrankungen der Haut, der Schleimhäute und der Nägel (30 Prozent), Arzneimitteln gegen kardiovaskuläre Erkrankungen (28,2 Prozent), Medikamenten gegen Schmerzen des Bewegungsapparats (25,6 Prozent) und gegen Unruhe beziehungsweise Schlafstörungen (22,4 Prozent). Ganz klar: Nahezu jeder befragte Apotheker bewertet die persönliche Beratung als unersetzlich. Telefon oder eMail stellten keine Alternative dar.
Forscher der Hochschule Fresenius haben das heikle Thema unter anderen Aspekten beleuchtet. Sie befragten 188 Laien zu ihren Vorstellungen. Insgesamt gaben 88 Prozent der Befragten an, lieber ein OTC-Präparat für sieben Euro nach eingehender Beratung vor Ort zu erwerben, als das gleiche Medikament für sechs Euro online zu bestellen. Doch welchen Wert haben apothekerliche Informationen? Unter der Annahme, ein OTC koste beim Versender sechs Euro, wurde die Zahlungsbereitschaft potenzieller Apothekenkunden abgefragt. Immerhin wären 69 Prozent bereit, sieben bis zehn Euro auf den HV-Tisch zu blättern, falls sie eingehende Informationen bekämen. Und 14 Prozent gingen sogar noch einen Schritt weiter. Diese Gruppe erwirbt Medikamente nur vor Ort, unabhängig von den Kosten. Viele Teilnehmer wünschen sich, dass öffentliche Apotheken künftig ihr Servicespektrum ausbauen – durch Programme zur Therapiebegleitung oder zur Prävention. In diese Kerbe schlug auch Sabine Dittmar (SPD) beim Apothekertag. Sie unterstützte Forderungen des Berufsstands, Leistungen rund um Prävention und Medikationsmanagement anzubieten. Pharmazeuten sehen darin eine probate Möglichkeit, sich von Versendern abzugrenzen.
Noch ein Blick auf den Markt. Online-Apotheken setzen weiter auf OTCs und auf hochwertige Kosmetik, um Kunden über Preisvorteile zu ködern. Wie IMS Health berichtet, gingen von insgesamt 1,9 Milliarden Packungen im letzten Jahr 120 Millionen über den Versandhandel. Davon waren 74 Prozent rezeptfreie Medikamente, gefolgt von Kosmetika und Körperpflege-Produkten (13 Prozent), Diagnostika und Verbandsstoffen (fünf Prozent) sowie Ernährungsmitteln (zwei Prozent). Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum sank der Anteil an Rx-Arzneimitteln um einen Prozentpunkt. Dieser Bereich ist fest in der Hand öffentlicher Apotheken.