Bei Aneurysmen werden Gefäßprothesen eingesetzt – meist aus Kunststoff. Weil das zu Problemen führen kann, sollen jetzt Spinnen ans Werk. Wie praxistauglich das Ganze ist, erfahrt ihr hier.
Die häufigste behandlungsbedürftige Erkrankung der Aorta ist ein Aneurysma – eine frühzeitige Operation mit einer künstlichen Gefäßprothese kann davor schützen. Etwa 13.000 Aortenersatz-Operationen gibt es pro Jahr allein in Deutschland. Solche Prothesen werden bislang aus synthetischen Kunststoffen hergestellt, weisen jedoch eine unzureichende Biokompatibilität auf: Es besteht das Risiko, dass sich Blutgerinnsel bilden. Auch können sich ihre Oberflächen mit bakteriellen Biofilmen infizieren, die nur sehr schwer zu therapieren sind. Forscher der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) arbeiten daran, Gefäßprothesen auf Basis von körpereigenem Fibrin zu entwickeln. Der große Nachteil: Die Fibrinprothesen halten den hohen Druckbelastungen des Aortenblutstroms nicht stand.
Ein neues Projekt unter Leitung von Dr. Florian Helms in Kooperation mit der Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie (PÄHW) setzt bei der Untersuchung der Bio-Prothesen-Stabilität auf Spinnenseide aus dem Spider Silk Laboratory der PÄHW. „Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Einsatz von Spinnenseide im Bereich der regenerativen Medizin und haben viele Anwendungstechniken und Medizinprodukte entwickelt“, sagt Klinikdirektor Prof. Peter Vogt. So wurde die Seide bereits erfolgreich zur Rekonstruktion peripherer Nervendefekte eingesetzt. „Wir verwenden den Haltefaden der Goldenen Radnetzspinne Trichonephila edulis aus unserer eigenen Zucht“, sagt Laborleiterin Dr. Sarah Strauß.
Helfer für die Implantatentwicklung: Die Seide der Goldenen Radnetzspinne soll Aortenprothesen aus körpereigenem Fibrin stabiler machen. Credit: Karin Kaiser.
Das Gewinnen der Seide sei für die Tiere schmerzfrei und schade ihnen nicht, betont die Biologin. Der Haltefaden ist sozusagen das Sicherungsseil der Spinne und wird von ihr reflexhaft produziert. Die Seide ist extrem dünn und reißfest und im menschlichen Körper vollständig abbaubar. Mit einer speziellen Apparatur, die Assistenzarzt Helms konstruiert hat, wird der Faden um die vorproduzierten Fibrinröhrchen gewickelt. „Die Stützstruktur steigert nicht nur die Stabilität, sondern verhindert auch ein Ausreißen der Prothese beim Einnähen während der Operation“, stellt der Mediziner fest.
„Der Bedarf ist groß“, sagt Helms über bioartifizelle Gefäßprothesen zum Ersatz geschädigter oder fehlender Gefäße. Herz-Kreislauferkrankungen sind in westlichen Industrienationen für die meisten Todesfälle verantwortlich. Häufig ist eine Atherosklerose die Ursache, was den Ersatz von arteriellen Gefäßen etwa im Rahmen von Bypass-Operationen erforderlich macht.
Am Niedersächsischen Zentrum für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung (NIFE) beschäftigt sich die Arbeitsgruppe „Vascular Tissue Engineering“ mit der Entwicklung von fibrinbasierten Gefäßröhrchen. Als Teil des Gerinnungssystems hilft Fibrin dabei, Wunden zu schließen. „Fibrin eignet sich als Matrix für Gefäßprothesen besonders, weil es aus dem Blut der Prothesenempfänger gewonnen werden kann und daher optimal verträglich ist“, erklärt Helms. Auch lässt sich das Fibringerüst problemlos in die gewünschte Form bringen und mit allen Zellen besiedeln, aus denen sich die Blutgefäße zusammensetzen.
Die biologisch aktiven Aortenprothesen werden anders als die gängigen Kunststoffmodelle vom Immunsystem als körpereigen erkannt und in die Infektionsabwehr einbezogen. Dadurch lässt sich die Bildung von Biofilmen von vornherein verhindern. „Das würde die Situation der Patientinnen und Patienten dramatisch verbessern“, führt Helms an. Denn im schlimmsten Fall müssen künstliche Prothesen aufgrund von Biofilm-Infektionen wieder entfernt werden, da diese kaum auf Antibiotika ansprechen. Oftmals bleibt dann nur der erneute Gefäßersatz – ein Eingriff, den etwa die Hälfte der Betroffenen nicht überlebt.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover.
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