Wer in Deutschland in einem Krankenhaus einem Krebsleiden erliegt, stirbt in der Regel keinen würdevollen Tod. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin Cancer veröffentlicht wurde. Ärzte und Pflegepersonal fordern bessere Trainingsmaßnahmen.
Umfragen zufolge möchten die meisten Menschen in Deutschland zu Hause sterben, wenn sie sich den Ort ihres Ablebens aussuchen können. Wie in anderen westlichen Ländern auch, sterben in Deutschland mehr als die Hälfte der Menschen in einem Krankenhaus. „In den letzten 20 Jahren haben Hospize und andere palliative Einrichtungen zwar immer mehr Menschen einen Tod in den eigenen vier Wänden oder zumindest in heimischer Atmosphäre ermöglicht”, schreiben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg in ihrer Studie. In vielen Ländern gehöre der Tod im Krankenhaus allerdings nach wie vor zur Norm.
„Fortschritte in der modernen Medizin haben es möglich gemacht, den Zeitpunkt des Todes hinauszuzögern“, schreiben die Wissenschaftler. Und gewöhnlich werde der Tod als etwas wahrgenommen, das es zu vermeiden gilt oder sogar als ein Versagen der Ärzteschaft. Daher werden lebenserhaltende Maßnahmen oft bis zum Todeszeitpunkt eingesetzt. Der Fokus von Krankenhäusern und Ärzteschaft auf die Heilung von Kranken habe oft wenig erfreuliche Konsequenzen für sterbende Patienten. Das betreffe hauptsächlich Menschen mit Krebserkrankungen, die etwa ein Viertel aller Todesfälle bei Erwachsenen ausmachten, so die Forscher aus Freiburg.
Um zu prüfen, ob Krebspatienten auch in Krankenhäusern würdevoll sterben dürfen, befragten die Wissenschaftler Ärzte und Pflegepersonal von 16 Krankenhäusern, die zu zehn Krebszentren in Baden-Württemberg gehörten. In den Fragebögen ging es sowohl um strukturelle Ausstattungsmerkmale der Einrichtungen wie Räumlichkeiten und Personal, als auch um Aus- und Weiterbildung der Angestellten, die allgemeine Arbeitsumgebung, Einbezug von Familie und Freunden, die medizinische Behandlung, die Kommunikation mit dem Patienten und letztendlich um den würdevollen Tod des Patienten.
„Von 1.131 Teilnehmern waren 57 Prozent der Ansicht, dass Patienten in ihrer Einrichtung würdevoll sterben könnten“, fassen die Forscher die Umfrageergebnisse zusammen. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, selten genügend Zeit für sterbende Patienten zu haben. 55 Prozent hielten die Räumlichkeiten für Sterbende für unbefriedigend. „Lediglich 19 Prozent aller Teilnehmer waren der Ansicht, ihre Einrichtung sei gut auf sterbende Menschen vorbereitet. Nur sechs Prozent der befragten Ärzte teilten diese Meinung“, so die Studienautoren. Auf den Palliativstationen scheinen Sterbende dagegen besser versorgt zu sein. Mitarbeiter der Einrichtungen berichteten insgesamt über vorteilhaftere Bedingungen für Menschen an ihrem Lebensende als Mitarbeiter anderer Stationen. So waren 95 Prozent der Ansicht, dass ein würdevolles Dahinscheiden in ihrer Einrichtung möglich sei.
Insgesamt bewerteten Ärzte die Umstände sterbender Patienten wesentlich positiver als das Pflegepersonal, hauptsächlich was die Punkte Kommunikation und lebensverlängernde Maßnahmen anging. Während 72 Prozent der Ärzte der Ansicht waren, dass Patienten auf ihrer Station ein würdevolles Sterben möglich sei, teilten nur 52 Prozent des Pflegepersonals diese Meinung.
Nur 19 Prozent der Befragten fühlten sich durch ihre Ausbildung gut auf den Umgang mit Patienten an ihrem Lebensende vorbereitet – Ärzte signifikant schlechter als Pfleger. Da wundert es nicht, dass 90 Prozent der Teilnehmer Fortbildungen in der Palliativmedizin als wünschenswert erachteten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Altersentwicklung wird dieser Wunsch zur Notwendigkeit. „In unserer alternden Gesellschaft wird die Anzahl der Todesfälle in Krankenhäusern in den kommenden Jahren kontinuierlich zunehmen. Viele dieser Todesfälle werden Krebserkrankungen geschuldet sein. Daher ist es besonders wichtig, dass sich Krebszentren bemühen, sterbenden Patienten und deren Familien eine tröstliche und würdevolle Erfahrung zu ermöglichen“, so Studienleiterin Karin Jors, und weiter: „Außerdem muss das Personal mit adäquaten Mitteln ausgestattet werden, um für diese Patienten sorgen zu können.“ Als Konsequenz ihrer Befragung fordern die Wissenschaftler, die palliative Versorgung von Patienten in die onkologische Therapie einzubeziehen. Ärzte und Pflegepersonal sollten durch verbesserte Trainingsmaßnahmen auf die Bedürfnisse sterbender Menschen und deren Familien vorbereitet werden. In Baden-Württemberg wurde dazu eigens das Kompetenz-Zentrum Palliative Care Baden-Württemberg (KOMPACT) gegründet. Der standortübergreifende Zusammenschluss fünf medizinischer Fakultäten in Baden-Württemberg soll helfen, ein Bewusstsein für die Versorgung sterbender Menschen „als Zukunftsdisziplin im universitären Kontext von Forschung und Lehre, in den unterschiedlichen Strukturen des medizinischen Versorgungssystems und nicht zuletzt im gesellschaftlichen Bewusstsein zu schaffen“, heißt es auf der Webseite. Mit Fokus auf den Patienten, sein Umfeld und seine Bedürfnisse soll durch die nachhaltige Förderung palliativmedizinischer Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Krankenversorgung sowie eine effiziente Öffentlichkeitsarbeit dazu beigetragen werden, mehr Lebensqualität im und am Krankenbett zu ermöglichen.