Das Norrie-Syndrom begleitet, neben der angeborenen Blindheit, ein fortschreitender Hörverlust. Eine aktuelle Studie macht jetzt Hoffnung, diesen aufhalten und Betroffenen ein selbstständigeres Leben ermöglichen zu können.
Das Norrie-Syndrom ist eine seltene, aber verheerende genetische Störung, die zu Blindheit und Hörverlust führt und vor allem Jungen betrifft. Sie werden blind geboren und entwickeln ab einem Alter von etwa 12 Jahren einen fortschreitenden Hörverlust. Eine aktuelle Forschungsarbeit zielt darauf ab, den Hörverlust zu verlangsamen oder zu verhindern und damit die doppelte sensorische Deprivation zu verhindern, die das Leben von Betroffenen stark einschränkt. Derzeit ist die einzige Behandlungsmöglichkeit ein Cochlea-Implantat, das beim Norrie-Syndrom nur teilweise wirksam ist. Die jetzt in EMBO veröffentlichte Studie an Mäusen zeigt, wie eine Gentherapie eingesetzt werden kann, um das Absterben der lebenswichtigen Haarzellen in der Cochlea zu verhindern und den Hörverlust zu stoppen.
Das Team injizierte eine Gentherapie, um das fehlende Norrin-Protein wiederherzustellen. Sie zeigten, dass die abnormen Blutgefäße in den Ohren und Augen, die sich bei Mäusen mit Norrie-Syndrom entwickeln, durch die Behandlung verbessert werden. Dies könnte dazu beitragen, Taubblindheit zu verhindern, denn Tests zeigten, dass sich nach der Gentherapie bei Mäusen sowohl das Hör- als auch das Sehvermögen verbesserte.
Dr. James Wawrzynski vom UCL Great Ormond Street Institute of Child Health, Mitautor der Studie, erklärt: „Kinder mit Norrie-Syndrom verlieren nach und nach ihr Gehör aufgrund eines fehlerhaften Gens namens NDP, das für einige der Strukturen im Innenohr verantwortlich ist. In unserer Studie haben wir gezeigt, dass wir bei Mäusen mit Norrie-Syndrom dieses fehlerhafte Gen korrigieren können, indem wir Milliarden neuer ‚fester‘ Kopien in den Blutkreislauf einbringen. Diese Gentherapie scheint zu einer besseren Struktur der Blutgefäße im Innenohr zu führen und vor allem können wir sehen, dass die Sinneshärchen geschützt werden.“
Eine wirksame Behandlung könnte für betroffene Kinder lebensverändernd sein. Blind zu sein, ist bereits eine Herausforderung, aber die Behandlung oder Verlangsamung des Fortschreitens des Hörverlusts kann für ein unabhängiges Leben als Erwachsener entscheidend sein. Studienleiterin Jane Sowden, Professorin für Entwicklungsbiologie und Genetik am UCL Great Ormond Street Institute of Child Health und Co-Leiterin des Bereichs Tissue Engineering und regenerative Medizin am NIHR GOSH BRC, sagt: „Die Behandlung bei Mäusen war nicht nur bei Neugeborenen erfolgreich, sondern auch, wenn wir in einem mit Kindern und Jugendlichen vergleichbaren Stadium behandelten. Dies ist ein aufregender Fortschritt, da er die Grundlage für die künftige Anwendung bei Patienten schafft.“
Erstautorin Dr. Valda Pauzuolyte, sagt: „Wir haben bereits gezeigt, dass der Norrie-Hörverlust mit dem Verlust der sensorischen Haarzellen im Innenohr einhergeht. Zwar können auch andere Faktoren eine Rolle spielen, aber wenn sie einmal verloren sind, können die Haarzellen in der Cochlea nicht mehr nachwachsen. Diese neue Arbeit zeigt, dass die NDP-Gentherapie sehr wirksam sein kann, um eine weitere Schädigung der Haarzellen und des Gehörs beim Norrie-Syndrom bei Mäusen zu verhindern.“
Die Patientenorganisation der Norrie Disease Foundation, die betroffenen Familien Unterstützung bietet, kommentiert: „Wir hoffen, dass diese Forschung eine Behandlung ermöglicht, damit unsere blinde Gemeinschaft nicht auch noch taub wird. Derzeit wird von den Familien erwartet, dass sie sich mit den Symptomen auseinandersetzen und sie bewältigen. Jetzt besteht die Chance, dass eines der lebensverändernden Symptome verzögert oder sogar gestoppt werden kann. Es gibt Möglichkeiten für eine bessere Zukunft für Norrie-Patienten und das stimmt optimistisch. Auch wenn das Norrie-Syndrom derzeit nicht geheilt werden kann, haben wir das Gefühl, dass wir der Krankheit bald etwas von ihrem Schrecken nehmen können.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des University College London. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Franco Antonio Giovanella, Unsplash