Ein Blutspender hat eine Hirnblutung. Besteht damit auch eine Gefahr für den Empfänger – und was hat die Blutgruppe damit zu tun?
Die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) ist nach schwerem Bluthochdruck die häufigste Ursache für spontane Hirnblutungen. Gekennzeichnet ist die CAA durch Ablagerungen von Beta-Amyloid-Protein – die man auch aus den senilen Plaques von Alzheimer-Patienten kennt. Es gibt zwar auch genetische Ursachen für CAA, diese sind aber recht selten, weswegen man davon ausgeht, dass die meisten Fälle idiopathischer Natur sind – oder steckt doch mehr dahinter?
Ältere Untersuchungen haben Hinweise dafür geliefert, dass es sich bei CAA um eine infektiöse Krankheit handeln könnte. In einer Nature-Studie aus 2015 ist die Rede von CAA-Fällen, die sich nach der Verabreichung von menschlichem Hypophysenhormonen zu entwickeln schienen. In anderen Fallberichten stellten Forscher fest, dass die für die CAA charakteristischen Hirnblutungen bei Patienten Jahrzehnte nach neurochirurgischen Eingriffen auftraten, wie z. B. bei Empfängern von Dura-mater-Transplantaten. Da in den Fallberichten aber kein infektiöser Erreger gefunden wurde, spekulieren manche Forscher, dass es sich um eine Prionen-ähnliche Krankheit handeln könnte, wie die Creuzfeldt-Jakob-Krankheit.
Neurologen vom schwedischen Karolinska-Institut haben sich dieser Thematik jetzt in JAMA angenommen. Die Idee der Forscher: Wenn CAA durch einen infektiösen Erreger verursacht wird, dann könnte sie auch über Blut übertragen werden. CAA ist allerdings schwierig zu diagnostizieren ist, weswegen sich die Forscher die Tatsache zu nutze machen, dass viele CAA-Patienten spontane Hirnblutungen entwickeln. Nun könnte man überprüfen, ob diese Menschen in der Vergangenheit Blut gespendet haben und Hirnblutungen vielleicht auch bei den Empfängern dieses Blutes auftreten.
Genau das haben die Forscher um Jingchen Zhao gemacht – und bedienten sich des exzellenten Daten-Pools aus Schweden und Dänemark. Anhand der Krankenakten identifizierten sie fast 1 Million Menschen, die zwischen 1970 und 2017 eine Bluttransfusion erhalten hatten. Die meisten von ihnen (99 %) hatten nie eine Hirnblutung. Die restlichen 1 % unterteilten die Forscher in die Kategorie: hatte eine einzige oder mehrere Hirnblutungen. Letzteres ist am stärksten mit CAA verbunden.
Die Autoren fanden keinen Anstieg des Hirnblutungsrisikos nach der Transfusion bei den Empfängern, deren Spender eine einzige Hirnblutung nach der Blutspende hatten (Hazard Ratio [HR] 1,06). Sie stellten jedoch mehr als eine Verdopplung des Risikos bei den 0,1 % der Empfänger fest, deren Spender mehrere Hirnblutungen nach der Blutspende hatten (multivariable bereinigte HR 2,73 [95 % KI, 1,72–4,35] für das schwedische Register und 2,32 [95 % KI, 1,04–5,19] für das dänische Register).
Zu den Störfaktoren zählten die Forscher übrigens neben Alter, Geschlecht und Indikation für eine Bluttransfusion, auch die Blutgruppe. Das ist insofern wichtig, weil nicht jeder Patient jede Blutspende erhält, sondern nur diejenige mit der passenden Blutgruppe. Es hätte also sein können, dass Menschen mit Blutgruppe A oder 0 per se anfälliger für Hirnblutungen sind. Die Blutgruppe scheint aber wohl keine Rolle zu spielen.
Die Forscher haben zudem eine Kontrollanalyse durchgeführt und untersucht, ob Empfänger, die Blut von einem späteren Schlaganfall-Patienten erhalten haben, ebenfalls einen ischämischen Schlaganfall entwickeln würden. Das war nicht der Fall. Anders als bei den Hirnblutungen scheint es bei ischämischen Schlaganfällen also keine Verbindung zu einem infektiösen Agens zu geben. Aber was könnte dieses mysteriöse Agens sein?
Wie schon erwähnt, ist die CAA durch Ablagerungen von Beta-Amyloid gekennzeichnet – ist das also der Übeltäter? In tierexperimentellen Studien ließ sich CAA zumindest durch die Injektion von Beta-Amyloid auslösen. Und seit einiger Zeit spekulieren Forscher, ob nicht auch die Alzheimer-Krankheit mit ihren fehlgefalteten Amyloid-Proteinen eine potentiell infektiöse Krankheit sein könnte, ähnlich den Prionen-Krankheiten.
„Diese Studie beweist keine Kausalität, so dass der beobachtete Anstieg des Risikos von anderen Faktoren abhängen könnte“, sagt der Erstautor der Studie, Jingcheng Zhao. „Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um unsere Ergebnisse zu bestätigen und den möglichen zugrunde liegenden Mechanismus zu verstehen.“ Ob tatsächlich Beta-Amyloid dafür verantwortlich war, darüber kann die Studie keine Auskunft geben. Da die Autoren hier Hirnblutungen als Ersatz für CAA untersuchten, ist nicht mal klar, ob die Teilnehmer der Studie tatsächlich an CAA litten – das ist auch die größte Einschränkung der Studie.
In einem begleitenden Editorial macht Steven M. Greenberg, Neurologe am Massachusetts General Hospital, auf ein Argument aufmerksam, das gegen die von den Forschern untersuchte Hypothese spricht. „Der kurze Zeitverlauf ist schwer zu erklären“, so der Neurologe. Immerhin traten fast die Hälfte der Hirnblutungen bei Blutempfängern innerhalb von 5 Jahren nach der Transfusion auf. „Das ist dramatisch schneller als das 30- bis 40-jährige Intervall, das zwischen der neurochirurgischen Exposition und der ersten Hirnblutung [in früheren Studien] berichtet wurde.“ Ähnlich lange würde es bei genetischen Formen von CAA dauern, wie Studien gezeigt hätten. „Von der anfänglichen Amyloid-Ablagerung zu Beeinträchtigungen der Gefäßphysiologie dauert es Jahrzehnte.“
Wie könnte sich also der rasante Verlauf nach einer Blutspende erklären lassen? Möglicherweise spielt das Alter eine Rolle, das den Prozess beschleunigen könnte. Immerhin waren die Blutspende-Empfänger in den beiden Kohorten durchschnittlich 65 bzw. 64 Jahre alt.
Es bleibt aber noch ein weiteres Problem: Die Übertragung von Beta-Amyloiden über das Blut ist schwieriger zu erklären, als die Übertragung bei neurochirurgischen Eingriffen, bei denen die Amyloide direkt ins Gehirn eingebracht werden und nicht erst die Blut-Hirn-Schranke überwinden müssen. Experimente haben gezeigt, dass man etwa die 1.000-fache Menge an intraperitoneal injiziertem Beta-Amyloid braucht, um eine gleichwertige Amyloid-Ablagerung im Gehirn zu erreichen als wenn man es intrazerebral verabreicht.
„Die aktuelle Studie ist noch kein Grund zur Beunruhigung, und schon gar kein Grund, eine anderweitig indizierte Bluttransfusion zu vermeiden“, sagt Greenberg. „Aber sie ist ein dringender Aufruf zu weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen“. Vielleicht können zukünftige Studien zeigen, dass es sich bei CAA nicht um eine rein spontane Erkrankung handelt.
Quellen:
Zhao et al.: Intracerebral Hemorrhage Among Blood Donors and Their Transfusion Recipients. JAMA, 2023. doi: 10.1001/jama.2023.14522
Greenberg: Blood Transfusion and Brain AmyloidosisShould. We Be Worried? JAMA, 2023. doi: 10.1001/jama.2023.14522
Jaunmuktane et al.: Evidence for human transmission of amyloid-β pathology and cerebral amyloid angiopathy. Nature, 2015. doi: 10.1038/nature15369
Kaushik et al.: Iatrogenic cerebral amyloid angiopathy post neurosurgery: frequency, clinical profile, radiological features, and outcome. Stroke, 2023. doi:10.1161/STROKEAHA.122.041690
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