Die Frage nach der Endokarditisprophylaxe verunsichert viele Kardiologen. Die neue Leitlinie soll Klarheit schaffen. Holt euch hier die wichtigsten Infos im Schnelldurchlauf.
In der klinischen Praxis ist die Verwirrung sowohl bei Betroffenen als auch Behandlern oft groß: Wer muss wann eine Endokarditisprophylaxe erhalten? Die Richtlinien dazu haben sich in den vergangenen Jahrzehnten ständig geändert und noch immer kursieren veraltete Endokarditispässe und verunsichern Patienten wie Behandler. Die allgemeine Verwirrung hat auch mit der teilweise heterogenen oder mangelnden Datenlage zum Thema zu tun. Nun ist die neue Leitlinie zur infektiösen Endokarditis (IE) erschienen.
Folgende Betroffene haben ein hohes Risiko für eine IE und sollten vor Risikoeingriffen eine Antibiotikaprophylaxe erhalten:
Was ist mit den anderen Patienten mit Pathologien am Herzen, z. B. mit Mitralklappenprolapssyndrom oder bikuspider Aortenklappe? Folgende Betroffene haben ein intermediäres Risiko: Menschen mit rheumatischen Herzerkrankungen, degenerativen Klappenerkrankungen, angeborenen Klappenanomalien wie der bikuspiden Aortenklappe, jeglichen kardiovaskulären implantierten elektronischen Geräten und Menschen mit hypertropher Kardiomyopathie. Für sie ist die Datenlage uneindeutig. Die Endokarditisprophylaxe kann zwar auf individueller Basis in Erwägung gezogen werden, ist jedoch nicht routinemäßig empfohlen.
Eine weitere neue Empfehlung: Die Schulung der Betroffenen ist für alle mit hohem und intermediärem Risiko empfohlen. Für sie gilt jedoch genauso wie für Menschen mit hohem Risiko, dass sie über folgende Allgemeinmaßnahmen aufgeklärt werden sollten, mit denen sie selbst aktiv einer IE entgegenwirken können:
Bei welchen Eingriffen sollte nun eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen und womit? Ganz klar sind die Empfehlungen bei zahnmedizinisches Risikoeingriffen. Diese umfassen Zahnextraktionen, oralchirurgische Eingriffe (z. B. Implantatchirurgie), Manipulation des Zahnfleisches oder periapikalen Bereichs der Zähne (einschließlich Zahnsteinentfernung) sowie bei Wurzelbehandlungen. Die Prophylaxe sollte 30–60 Minuten vor dem Eingriff und vorzugsweise in Form von Amoxicillin oder Ampicillin erfolgen. Bei Allergie stehen Azithromycin, Clarithromycin und Doxycyclin zur Verfügung. Clindamycin sollte nicht verwendet werden, da darunter vermehrt Nebenwirkungen wie Clostridium-difficile-Infektionen beobachtet werden. Die Cephalosporine Cephalexin, Ceftriaxon oder Cefazolin können bei einer Allergie gegen Penicilline mit Vorsicht eingesetzt werden, sind bei stattgehabter Anaphylaxie auf Penicilline jedoch kontraindiziert.
Was ist mit den anderen Eingriffen, wie Endoskopien? Was alle nichtzahnmedizinischen Eingriffe betrifft, so gibt die Leitliniengruppe an, dass die Evidenzlage nicht überzeugend ist. Dennoch gab es in Beobachtungsstudien Hinweise darauf, dass einige invasive Eingriffe mit einem erhöhten Risiko für eine IE assoziiert waren. Dazu gehörten kardiovaskuläre Eingriffe, Hauteingriffe und Wundversorgung, Transfusion, Dialyse, Knochenmarkspunktionen und Endoskopien. Die Autoren der Studie geben zu bedenken, dass aus verschiedenen Gründen nicht mit großen randomisierten Studien zur Wirksamkeit der Antibiotikaprophylaxe bei diesen Eingriffen zu rechnen ist, unter anderem aufgrund der hohen Kosten, die damit verbunden wären.
Gleichzeitig leben Menschen, auch solche mit erhöhtem Risiko für eine IE, immer länger und haben mit steigendem Alter auch ein erhöhtes Risiko für die genannten Eingriffe. Deshalb entschied sich die Task-Force die ehemalige Klasse-III-Empfehlung in eine IIb-Empfehlung umzuwandeln. Dementsprechend ist eine Antibiotikaprophylaxe in den obenstehenden Fällen bei Hochrisikopatienten nicht mehr kontraindiziert, sondern kann erwogen werden.
Immer wenn Klappenprothesen oder jegliche elektronische oder sonstige Devices am Herzen implantiert werden, soll eine perioperative Antibiotikaprophylaxe erfolgen und auf sterile Bedingungen geachtet werden. Vor elektiven Eingriffen sollte auf S. aureus im Nasenrachenraum gescreent und ggf. eine Dekolonisation mit Mupirocin und Chlorhexidin durchgeführt werden. Zudem sollten mögliche orodentale Infektionsherde mindestens zwei Wochen vor dem Eingriff saniert werden. Maßnahmen einer nasalen Dekolonisation ohne vorheriges Screening sind dagegen kontraindiziert.
Zusammenfassend kann vereinfachend gesagt werden, dass auf jeden Fall alle Menschen mit Fremdmaterial im Herzen für mindestens 6 Monate – wenn nicht sogar lebenslang – vor allen zahnmedizinischen Risikoeingriffen eine Antibiotikaprophylaxe erhalten sollten. Dazu sind bevorzugt Aminopenicilline einzusetzen. Betroffene sollten aktiv geschult werden, um einer IE vorzubeugen.
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