Was für MRT-Untersuchungen haben Sie an den Patienten durchgeführt?
Thomalla: Einerseits ist das die diffusionsgewichtete Bildgebung (diffusion weighted imaging, DWI). Sie zeigt mit sehr hoher Sicherheit und Genauigkeit schon wenige Minuten nach Beginn der Durchblutungsstörung den Schlaganfall an, sodass wir eindeutig nachweisen konnten, dass der Patient einen Schlaganfall erlitten hat und an welcher Stelle die Durchblutungsstörung liegt. Die zweite Untersuchung ist die „Fluid-Attenuated Inversion Recovery“-Bildgebung (FLAIR), die das Ödem des Gewebes, die Wasserzunahme, anzeigt. Dieses Ödem tritt erst mehrere Stunden nach einem Schlaganfall auf. Aus der Differenz beider Aufnahmen, wenn wir in der DWI einen eindeutigen Schlaganfall sehen, in der FLAIR aber noch keine eindeutigen Veränderungen, wissen wir, dass der Schlaganfall weniger als vier oder fünf Stunden her ist. Damit befindet sich dieser Patient sehr wahrscheinlich noch in einem Zeitfenster, in dem er von der Thrombolyse profitiert.
Bildgebung spielt bei der Diagnostik von Schlaganfall-Patienten bisher immer eine Rolle. Warum hat man bislang noch nicht auf diese beiden MRT-Modi zurückgegriffen?
Thomalla: Das haben wir uns auch gefragt. Bei DWI und FLAIR handelt es sich um Standardsequenzen, die überall in der MRT-Diagnostik verfügbar sind. Sie dauern nicht lange und benötigen keine komplizierte Nachbearbeitung oder Auswertung. Man muss sie sich nur unter dem Gesichtspunkt „Schlaganfall“ anschauen. Das Entscheidende beim Einsatz der Bildgebung in der Akutphase des Schlaganfalls ist immer der Ausschluss einer Hirnblutung, die wir klinisch nicht vom ischämischen Schlaganfall, der Durchblutungsstörung nach Gefäßverschluss, unterscheiden können. Das kann man zum Beispiel mit einer CT sehr gut sehen, die sich hier als Standard etabliert hat, damit man nicht irrtümlich einen Patienten mit Hirnblutung mit der gerinnungshemmenden Thrombolyse behandelt. Patienten mit unbekanntem Zeitpunkt des Symptombeginns wurden in Studien bisher gar nicht untersucht. Hier herrschte vielleicht der Standpunkt vor, dass man sie im Moment nicht effektiv behandeln kann, ohne sie einem Risiko durch die Thrombolyse auszusetzen. Unsere Idee, die Abweichung zwischen DWI und FLAIR zur Beurteilung zu nutzen, haben wir schon vor neun Jahren publiziert. Eine Reihe von Arbeiten haben unsere Ergebnisse überprüft, aber es fehlte bisher noch eine große klinische Studie, die zeigte, dass dieses Konzept auch effektiv die Behandlung steuern kann und zu einem besseren Ergebnis führt. Mit dem Untersuchungsprotokoll, das im Rahmen der WAKE-UP-Studie entwickelt wurde, steht die Thrombolyse-Behandlung für mehr Patienten zu Verfügung.