Am Welt-Alzheimer-Tag wurden ältere Menschen zu Routineimpfungen aufgerufen. Warum, lest ihr hier.
Bei der Entstehung der Alzheimer-Erkrankung scheinen Infektionen eine gewisse Rolle zu spielen, indem sie Neuroinflammation, Neurodegeneration, aber auch Amyloid- und Tau-Ablagerungen, die typisch für das Krankheitsbild sind, fördern. Im Umkehrschluss wurde inzwischen in etlichen Untersuchungen gezeigt, dass Impfungen (z. B. gegen Gürtelrose (Herpes zoster – HZ), Tetanus-Diphtherie-Pertussis (Tdap) sowie Pneumokokken) bei Erwachsenen das Alzheimer-Risiko verringern.
Auch eine retrospektive Kohortenstudie ging anhand von Daten der anonymisierten „Clinformatics“-Patientendatenbank (n= 1.651.991) dieser Frage nach. Verglichen wurden für jede der Impfungen (gegen Tdap, HZ- oder Pneumokokken) je zwei Kohorten, eine geimpfte und eine ungeimpfte. Die Patientinnen und Patienten waren zu Beginn der achtjährigen Nachbeobachtungszeit ≥ 65 Jahre alt und während der ersten zwei Jahre frei von Demenz.
Im Ergebnis kam es bei Menschen, die eine der Impfung erhalten hatten, im Vergleich zu den jeweils nicht Geimpften signifikant seltener zur Erstmanifestation einer Alzheimer-Erkrankung. Bei den gegen Tetanus-Diphtherie-Pertussis Geimpften waren es 7,2 % (n=8.370) gegenüber 10,2 % (n=11.857) derjenigen, die diese Impfung nicht erhalten hatten (RR 0,7), bei der Impfung gegen Herpes zoster waren es 8,1 % (n=16.106) versus 10,7 % (n=21.273) (RR 0,75) und bei der Impfung gegen Pneumokokken 7,92 % (n=20.583) versus 10,9 % (n=28.558) (RR 0,73). Eine ähnlich hohe Risikoreduzierung hatte die Autorengruppe bereits in einer vorhergehenden Publikation für die Grippeimpfung gezeigt.
„Das entspricht einer Risikoreduzierung von 25 bis 30 Prozent, was wirklich viel ist“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. Zwar handle es sich um eine retrospektive Auswertung, angesichts der Größe der Kohorte und der Tatsache, dass bereits andere Studien auf eine Risikoreduzierung durch Impfungen hindeuteten, liefere die aktuelle Erhebung ein „ernstzunehmendes Signal“, so der Experte, dass diese Routineimpfungen auch das Alzheimer-Risiko senken. „Da diese Impfungen älteren Menschen vom Robert Koch-Institut ohnehin angeraten werden, möchten wir zum Welt-Alzheimer-Tag die Menschen ermutigen, dieses Angebot unbedingt zu nutzen – und damit auch vom potenziellen Zusatznutzen eines Schutzes vor Alzheimer zu profitieren.“
Jede vielversprechende Präventionsmaßnahme sei, so der Experte, angesichts der hohen Alzheimer-Prävalenz sinnvoll. Derzeit leben in Deutschland 1.798.000 Menschen mit einer Demenzerkrankung (Stand 12/2021); einen Großteil davon macht die Alzheimer-Erkrankung aus.
Bekannte Alzheimer-Risikofaktoren sind: niedriger Bildungsstand im frühen Lebensalter, Schwerhörigkeit, Hypertonie, Übergewicht, Diabetes mellitus, Bewegungsmangel/körperliche Inaktivität, Depressionen, Schädel-Hirn-Traumen, soziale Isolation, übermäßiger Alkoholkonsum (>21 Einheiten pro Woche), Rauchen und Luftverschmutzung. Bei Vermeidung aller bekannten Risikofaktoren könnten bis zu 38 % der Neuerkrankungen verhindert werden. Allerdings lassen sich nicht alle Faktoren beeinflussen. „Einen möglichen Zusatzschutz über die ohnehin angeratenen Impfungen ‚mitzunehmen‘, ist daher ratsam“, erklärt Prof. Berlit und verweist auf den Beginn der Impfsaison.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Die Originalstudie haben wir euch ihr hier und im Text verlinkt.
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