Wer kennt’s nicht: Unstillbare Essensgelüste kurz vor der Periode. Aber was ist die Ursache – und sollte man sich dem Verlangen hingeben?
Viele Frauen kennen das Phänomen: Die Periode naht und mit ihr ein fast unstillbares Verlangen nach Schokolade, Chips und Pizza. Bislang konnte die Wissenschaft die zyklusbedingten Heißhungerattacken nicht vollständig erklären. Eine aktuelle Studie von deutschen Forschern bringt jetzt Licht ins Dunkel. Ihre Studie ist in Nature Metabolism erschienen.
In der randomisierten Studie untersuchte das Team im ersten Experiment die Wirkung von Insulin im Gehirn bei 11 gesunden Frauen im Laufe des Menstruationszyklus. Die Frauen waren im Durchschnitt 24 Jahre alt und gaben an, einen regelmäßigen Zyklus zu haben. Um die Insulinsensitivität während des Zyklus zu untersuchen, nutzten die Forscher den sogenannten hyperglykämischen Clamp-Test – der Goldstandard zur Ermittlung der Insulinsensitivität.
Dazu erhielten die nüchternen Probandinnen zunächst einen initialen Insulinbolus und anschließend eine konstante Insulininfusion. Mit Dextroseinfusionen wurde der Blutzuckerspiegel bei 5 mmol/l eingestellt. Nach 1,5 Stunden verabreichten die Forscher den Frauen ein Nasenspray, das entweder Insulin oder ein Placebo enthielt, um die Insulinwirkung im Gehirn zu bestimmen.
Die Forscher stellten fest, dass die Insulinsensitivität während der Follikelphase des Menstruationszyklus erhöht war – während der Lutealphase aber nicht. Um die Ergebnisse zu überprüfen, untersuchten die Forscher in einem zweiten Experiment 15 weitere Frauen im MRT. Sie erhielten ebenfalls nasales Insulin oder Placebo. Die Durchblutungsänderung im Hypothalamus nutzten die Forscher als Maß der zentralen Insulinempfindlichkeit nach der nasalen Insulin-Verabreichung. In diesem Versuch konnte bestätigt werden, dass in der ersten Zyklushälfte eine höhere Insulinsensitivität besteht.
Aber was könnten die Gründe für die unterschiedliche Insulinsensitivität während des Zyklus sein? Die Forscher spekulieren, dass die Insulinempfindlichkeit sowohl für die Gebärmutter als auch für die Eierstöcke von entscheidender Bedeutung ist. Während der Follikelphase müssen die Glukoseströme im menschlichen Körper präzise an Bereiche mit hohem Energiebedarf weitergeleitet werden, darunter die Gebärmutter mit dem wachsenden Endometrium. In der zweiten Hälfte des Zyklus ist dieser Prozess weniger notwendig. Man nimmt an, dass eine geringere Insulinsensitivität das Verlangen nach Kohlenhydraten verstärkt – so ließe sich der Heißhunger vor den Tagen erklären.
Die Autoren vermuten, dass die Insulinresistenz des Gehirns in der Lutealphase zur Insulinresistenz des gesamten Körpers beiträgt. Das könnte auch die bei Frauen mit Typ-1-Diabetes beobachtete, schlechtere Blutzuckerkontrolle in dieser Phase erklären.
Die Forscher geben selbst zu bedenken, dass die Teilnehmerzahlen mit 11 bzw. 15 Probandinnen relativ klein sind und die Ergebnisse in größeren Studien überprüft werden müssen. Dennoch sind die Ergebnisse für viele Bereiche wie die Stoffwechselforschung, medizinische Psychologie und Gendermedizin interessant. „Tatsächlich bestehen Interaktionen zwischen den Sexualhormonen und der Regulation von Körpergewicht, Fettverteilung, Stoffwechsel und Energiehaushalt sowie psychischen Veränderungen, die besser erforscht werden müssen“, sagt Prof. Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin des Bereichs Gendermedizin an der Medizinischen Universität in Wien. „Frauen sind in dieser Hinsicht aufgrund der Lebensphasen-abhängigen hormonellen Veränderungen – einschließlich Schwangerschaft und Menopause – viel komplexer als Männer.“
Wichtig sei es, in zukünftigen Experimenten – besonders in der Stoffwechsel- und Gewichtsregulationsforschung – die Zyklusphase, den Sexualhormonspiegel und die Insulinempfindlichkeit stärker zu berücksichtigen.
Quelle:
Hummel et al.: Brain insulin action on peripheral insulin sensitivity in women depends on menstrual cycle phase. Nat Metab, 2023. https://doi.org/10.1038/s42255-023-00869-w
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