Welcher Tierarzt kennt’s nicht – Patientenbesitzer, die mit schriller Stimme und Babysprache auf ihren Hund einreden. Ist das wirklich hilfreich oder klingeln euch ganz umsonst die Ohren?
Viele Patientenbesitzer tendieren dazu, in „Babysprache“ mit ihren Tieren zu sprechen. Dabei verwenden sie häufig kurze, einfache Worte und sprechen in einer höheren Stimmlage, wie man es meist von der Interaktion mit Kleinkindern und Babys kennt. Aber macht es überhaupt einen Unterschied, in welcher Tonlage, Betonung und Wortwahl wir mit Hunden sprechen? Das untersuchte jetzt eine aktuelle Studie.
Die sogenannte Babysprache ist durch einen Sprachstil mit einer hohen und variablen Tonlage, betonten Vokalen und kurzen Wörtern charakterisiert. Die Grundfrequenz ist im Mittel höher als bei normaler Sprache. Bei Kleinkindern und Babys spricht man von Infant Directed Speech (IDS), im Fall von Hunden von Dog Directed Speech (DDS). Im Gegensatz zur IDS werden Vokale bei der DDS in der Regel nicht betont.
Wenn man sich Hunde und ihre Besitzer so anschaut, würde man meinen, dass die Hunde in der Tat auf diese Sprache reagieren – aber wie kann man unterscheiden, ob diese Aufmerksamkeit der Sprache oder dem Besitzer gilt?
Wissenschaftler untersuchten hierzu Familienhunde mithilfe von funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT). Den Hunden wurden Audios vorgespielt, auf denen ihnen nicht-bekannte Personen sprechen. Auf den Aufnahmen sprachen Frauen und Männer in IDS, DDS und normaler Sprache. Währenddessen untersuchten die Wissenschaftler, welche Hirn-Areale der Tiere aktiv waren und wie sie auf welchen Sprachstil reagierten.
Die Wissenschaftler beobachteten, dass Hunde mit einer ganz bestimmten Präferenz auf die Tonspuren reagierten. Anhand des fMRTs konnten sie feststellen, dass Hunde auf die Babysprache viel mehr ansprachen, als auf den normalen Sprachstil. Bereiche des bilateralen primären auditorischen Cortex – der Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung akustischer Reize verantwortlich ist – waren nachweislich aktiver, wenn die Hunde Audios mit IDS und DDS vorgespielt bekamen. Aber auch zwischen IDS und DDS ließen sich Trends erkennen: Die Hunde favorisierten die Hunde-spezifische Sprache, was sich durch eine größere Aktivität in den entsprechenden Hirn-Arealen widerspiegelte.
Auch wer auf der Tonaufnahme zu hören war, beeinflusste die Aufmerksamkeit der Hunde. Bei Frauen, also höheren Stimmlagen, reagierten die Hunde nicht nur stärker auf den auditiven Reiz, sondern es wurden auch andere Bereiche des bilateralen primären auditorischen Cortex aktiviert als bei Audios mit männlichen Stimmen. Bei männlichen Stimmen beobachteten die Autoren den gleichen Trend (DDS > IDS), jedoch reagierten die Hunde nicht so stark auf den auditiven Reiz von Männern im Vergleich zu weiblichen Stimmen. Auf die Baby- oder Hundesprache sprachen die Hunde jedoch in jedem Szenario besser an als auf den normalen Sprachstil.
Es zeigte sich also, dass Hunde eher auf eine hohe Tonfrequenz ansprechen, aber woran liegt das? Ein möglicher Erklärungsansatz ist laut der Wissenschaftler, dass im Tierreich eine mögliche Sensitivität gegenüber hellen Tönen besteht. Denn schrille Töne können auf Gefahr oder Paarungsbereitschaft hinweisen oder als Abschreckung dienen. Eine größere Erregung und Aufmerksamkeit gegenüber diesen Frequenzen könnte ein möglicher Vorteil sein.
Der andere Ansatz berücksichtigt die Domestizierung der Hunde. Die Probanden dieser Studie waren durchweg Hunde, die in Familien lebten. Sie haben also möglicherweise gelernt, auf diese Frequenzen anzusprechen – in Erwartung auf Futter, Aktivität oder Belohnung.
Auch die Selektionszucht könnte von Bedeutung sein. Schon in der frühen Domestikation von Canis familiaris wurde in der Zucht nicht nur nach Aussehen, sondern auch Charaktereigenschaften selektiert. Tiere, die besonders freundlich und am Menschen interessiert waren, wurden bevorzugt. Diese Hunde lebten dann auch näher am Menschen und standen im engen Kontakt mit Familien. Das Anspringen auf die DDS könnte also zum Teil auch ein Zuchtergebnis sein. Ob das bei anderen Arten auch funktioniert, könnte man mit Untersuchungen bei anderen domestizierten Tieren, wie etwa bei Pferden oder Katzen, feststellen.
Auch beim nächsten Tierarztbesuch von Frau Müller und ihrem Hund wird es also wohl wieder schrill. Möglicherweise lenkt das Bello aber auch von der Spritze ab – lieber leichte Ohrenschmerzen als einen Biss vom Patienten.
Bildquelle: fatty corgi, Unsplash