Eine smarte Toilette, die sich die Ausscheidungen ihres Nutzers ganz genau anschaut – im wahrsten Sinne des Wortes. Was es mit dieser (fast) nobelpreisträchtigen Idee auf sich hat, lest ihr hier.
Die meisten Menschen möchten lieber nicht allzu lange über ihre Toilettengänge nachdenken und die Ausscheidungen so schnell wie möglich wegspülen. Dabei schlummern in den menschlichen Abgaben eine Unmenge an wertvollen Informationen über den Gesundheitszustand des Menschen. Eine Forschungsgruppe hat deshalb tief ins Klo geschaut – und dafür den Ig-Nobelpreis erhalten. Dieser Preis wird jährlich für Forschung vergeben, die im ersten Moment vielleicht etwas skurril anmuten, aber doch großes Potential haben.
Die Grundidee der Forscher war es, Krankheiten zu vermeiden, indem der Gesundheitszustand eines Menschen konstant beobachtet wird. Als Beispiel nannten die Autoren die Luftfahrt. Bei einem Flugzeug gibt es ein „ständiges Monitoring der Düsenantriebe mit Hunderten von Sensoren, um einen Ausfall zu verhindern.“ Ein US-Bürger im Gegenzug „sucht einen Arzt weniger als viermal im Jahr auf, was darauf hindeutet, dass das Monitoring des menschlichen Körpers begrenzt, unregelmäßig und wahrscheinlich unzureichend ist.“
Ein Monitoring mittels invasiver Methoden, wie zum Beispiel eine Blutabnahme, ist aber auf regelmäßiger Basis schwer umzusetzen. Deshalb konzentrierten sich die Autoren auf Produkte, die der menschliche Körper ohnehin abgibt: Urin und Stuhl. Somit begann die Entwicklung einer Intelligenten Toilette – und dabei haben die Forscher kein Detail ausgelassen.
Credit: DocCheck, erstellt mit Biorender.com
Die Testung von Urin ist natürlich keineswegs eine neue Idee und es gibt bereits reihenweise Tests, um verschiedene Komponenten im Blut zu testen. Es war also naheliegend, diese Tests zu kombinieren und auf einem Streifen in der Toilette anzubringen. In dem hier entwickelten Prototyp wurden Erythrozyten, Urobilinogen, Bilirubin, Protein, Nitrat, Keton, Glukose, pH-Wert, spezifisches Uringewicht, Leukozyten getestet. In Zukunft sollen aber weitere Tests, wie der klassische Schwangerschaftstest, hinzugefügt werden können.
Die verschiedenen Marker für die Tests wurden alle auf einem Teststreifen angebracht, der mit einem elektrischen Arm in die Toiletteschüssel und somit den Urinstrahl bewegt werden kann. Zusätzlich gibt es einen Bewegungsmelder, der den Beginn des Wasserlassens registriert und so das entsprechende Signal an den elektrischen Arm schickt. Anschließend wird der Streifen wieder zurückgezogen und das Ergebnis mit einer Kamera ausgewertet.
Neben den chemischen Bestandteilen des Urins ist auch der Vorgang der Miktion selbst von Interesse. Diese Messung des Urinstrahls heißt Uroflowmetrie. Dazu wurden zwei Kameras installiert, die die Dauer der Entleerung, die Dauer bis zum maximalen Fluss des Urins, die maximale und durchschnittliche Flussrate und das gesamte abgegebene Volumen messen.
Für diese Analyse wurde eine weitere Kamera angebracht, deren Bilder mittels Machine Learning ausgewertet werden. Zusätzlich gibt es einen Drucksensor auf der Toilettenbrille, der registriert, wann sich ein Mensch hinsetzt und aufsteht, den Toilettengang also beginnt und beendet. Dadurch kann die gesamte Dauer des Stuhlgangs ermittelt werden. In Kombination mit der Kamera kann außerdem die Dauer des Hinsetzten bis zum ersten Kotablassen beobachtet werden. Diese Informationen können Hinweise über Verstopfung oder Hämorrhoiden liefern.
Die Kameraaufnahmen können weiter genutzt werden, um die Konsistenz des Stuhls zu bestimmen. Hierfür wurde die Bristol-Stuhlformen-Skala genutzt. Da die Stuhlbeschaffenheit mit der Dauer des Stuhls im Darm korreliert, kann man so bereits wichtige Hinweise auf die Verdauung und mögliche Erkrankungen erhalten.
Das langfristige Ziel der Autoren ist es, diese intelligenten Toiletten in gewöhnliche Haushalte einzubauen, sodass sie täglich genutzt werden. Da aber oft mehrere Personen in einem Haushalt leben, ist es wichtig, dass man die Toilettengänge den einzelnen Menschen zuordnen kann. Dafür haben die Autoren zwei Systeme zu Identifikation entwickelt.
Zum einen wurde ein klassischer Fingerscanner in den Spülhebel integriert, der Individuen über den Fingerabdruck identifiziert. Als weitere Methode wurde der sogenannte „Analprint“ entwickelt – wer hätte es gedacht, aber der Anus eines Menschen ist so individuell wie der Fingerabruck. Die Forscher bauten also eine weitere Kamera in die Toilette ein, die Fotos von den Ani der Toilettennutzer macht und so den Nutzern zugeordnet werden können.
Die smarte Toilette lässt einen erstmal schmunzeln – haben die Wissenschaftler doch einige übertrieben anmutende Gadgets in ihr Klo verbaut. Aber das Ganze hat auch einen ernsten Hintergund: Eine konstante Überwachung des Stuhls und Urins kann unschätzbare Informationen über den Gesundheitszustand liefern und dazu beitragen, Krankheiten viel früher erkennen und behandeln zu können. Außerdem kann das Monitoring genutzt werden, um eine Baseline für den „normalen“ Zustand zu generieren, was zum Beispiel für klinische Studien wichtig sein könnte.
Mit einer so umfassenden Datensammlung machen sich aber auch viele Sorgen breit. Gerade die Kameras im Klo würden sicher nicht jedem Nutzer gefallen. Bei all dem technischen Fortschritt sollte also auch der Schutz der Privatsphäre und die Datensicherheit nicht in Vergessenheit geraten. So ein intelligentes Toilettensystem wird erst marktfähig sein, wenn sichergestellt werden kann, dass die gesammelten Daten definitiv nur an die behandelnden Ärzte gelangen.
Die Wissenschaftler haben derweil noch viele Pläne, wie sie ihren Prototypen verbessern können – beispielsweise durch eine individualisierte Anpassung der Urintests oder eine biochemische Untersuchung des Stuhls. Wir bleiben gespannt!
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