Bei multipler Sklerose infiltrieren T-Zellen das zentrale Nervensystem. Jetzt gibt es dank CRISPR-Screening erstmals eine umfassende molekulare Erklärung dafür.
Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS) bei jungen Erwachsenen, die zu schweren Behinderungen führen kann. Sowohl beim Menschen, als auch im Nagetiermodell, konnte hierfür in der Vergangenheit die Bedeutung der sogenannten T-Zell-Infiltration belegt werden. „Es gab aber noch kein umfassendes Verständnis dieser Vorgänge“, sagt Prof. Martin Kerschensteiner. Nicht bekannt war vor allem, welche Faktoren die vermehrte Einwanderung der autoreaktiven T-Zellen in das ZNS begünstigen oder regulieren. Hier setzte ein Team um Kerschensteiner und Dr. Naoto Kawakami an.
Die Münchner Forscher nutzten ein Analysetool, das in Zusammenhang mit Modellen der MS noch nicht zum Einsatz gekommen ist. „Die CRISPR-Technologie eröffnet uns die Möglichkeit, umfassende und unvoreingenommene Loss-of-Function-Screenings in Krankheitsmodellen in vivo durchzuführen”, erklärt Kawakami. Bislang wurden genomweite CRISPR-Screens vor allem bei Fragen rund um die Entstehung von Krebs eingesetzt, aber noch nicht in Zusammenhang mit MS.
„Wir haben ein genomweites CRISPR-Screening in einem Nagetier-MS-Modell durchgeführt, ergänzt mit funktionellen In-vivo-Validierungsstudien, Multiphotonenmikroskopie und In-vitro-Experimenten. Damit konnten wir den zentralen Schritt der MS-Pathogenese, die T-Zell-Infiltration, erstmals umfassend molekular charakterisieren und so den Mechanismus aufklären“, sagt Kawakami.
Diese Regulatoren lassen sich im Wesentlichen drei funktionellen Kategorien zuweisen, die notwendig sind, damit eine T-Zelle aus dem Blut ins Gehirn übertritt. Die Adhäsion von T-Zellen an der Gefäßinnenwand mit dem zentralen Molekül Alpha4-Integrin ist ein wesentlicher Vorgang zu Beginn der Transmigration. Im nächsten Schritt verlassen die T-Zellen das Blutgefäß. Ihre Bewegung wird von Botenstoffen gesteuert, welche von einem bestimmten Protein, dem Chemokinrezeptor CXCR3, erfasst werden. Die dritte funktionelle Kategorie betrifft Moleküle, die regulieren, wie T-Zellen Signale anziehende Signale aus dem Blut registrieren.
Aus der Arbeit ergeben sich laut Kerschensteiner zwei Perspektiven. „Unsere Untersuchung hat für die von uns untersuchten autoreaktiven T-Zellen bestätigt, dass zentrale Moleküle des Mechanismus bereits das Ziel von MS-Therapien sind und sich in der klinischen Anwendung befinden.“ Der so auch in seiner Übertragbarkeit auf den Menschen validierte Ansatz lasse sich jetzt entsprechend auch auf weitere Fragestellungen übertragen, etwa auf das Einwandern anderer schädigender Immunzellpopulationen aus dem Blut ins Nervensystem.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität München. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
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