Auf dem DEGAM-Kongress blicken wir mit euch in die Kristallkugel: Was hält die Zukunft für deutsche Hausärzte bereit? Um eines kommt ihr wohl nicht herum: Die Rede ist vom Physician Assistant.
Das Problem ist so bekannt wie allgegenwärtig: Der Hausärztemangel verschärft sich. Dass das zu Frust führt, brachte Dr. Simon Schwill, Universitätsklinikum Heidelberg, beim DEGAM-Kongress auf den Punkt: „Die Zahlen sehen manchmal so aus, dass man sagt, ok, ich habe keine Lust mehr, mich damit zu beschäftigen.“ Doch beschäftigt haben er und weitere Vortragende sich genau damit. Wie es um die kommunale Versorgung bestellt ist, wo sich die für viele Hausärzte noch immer mysteriösen Physician Assistants sinnvoll einsetzen lassen und wie im Krankenhaus tätige Allgemeinmediziner von anderen Fachärzten wahrgenommen werden, darum ging es in den Vorträgen zur Zukunft der Hausärzte in Deutschland.
Laut der Erhebung von Philip Schillen et al. gibt es in NRW kaum Kommunen, in denen die bedarfsgerechte Versorgung sichergestellt ist. Dabei spielen die Kommunen doch bei allen dezentralen Lösungen – z. B. Gesundheitskioske und MVZs, die ja auch im Koalitionsvertrag und Gesetzentwurf genannt werden – eine zentrale Rolle. Doch wie schätzen die Kommunen selbst die Lage vor Ort ein? Von allen 427 Kommunen in NRW nahmen 191 an der Befragung teil: eine eher magere Ausbeute (Rücklauf 45 %). Während die Mehrheit (eher) zustimmt, dass es derzeit gut aussieht, macht der Blick in die Zukunft wenig Hoffnung: Hier gibt ein Großteil der Befragten an, dass die Versorgung in den nächsten 10 Jahren nicht sichergestellt sei. Die Hauptgründe dafür seien der Hausärztemangel und die hohe Arbeitsbelastung – Aspekte, die die Kommunen selbst kaum beeinflussen können.
MVZs werden größtenteils als nicht geeignet wahrgenommen, diesen Problemen zu begegnen. Auch sehe man die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Verantwortung: Über 90 % der Befragten sind der Ansicht, dass die KVen sich stärker bei der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung engagieren sollten, ebenso wie die Länder. Ein Zitat aus der Befragung erntete zustimmendes Klopfen: „Die Sicherstellung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung kann nicht Aufgabe der Kommunen sein, da diese komplett unterschiedliche (finanzielle) Rahmenbedingungen aufweisen. Dies befördert nur gegenseitiges Abwerben und unnötige Konkurrenz.“
Einen Lösungsansatz stellten Schwill et al. mit dem Modell HäPPI vor. Das niedliche Akronym steht für die interprofessionelle Gesundheitsversorgung in einem hausärztlichen Primärversorgungszentrum – da lohnt sich eine Abkürzung. Die Idee dahinter: Dem Mangel durch die Integration mehrerer Berufsgruppen zu begegnen, also mehr Zusammenarbeit im Rahmen einer interprofessionellen Gesundheitsversorgung. Es gebe hier einige internationale Beispiele, die gezeigt hätten, dass das Modell machbar im hausärztlichen Setting sei und zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität, auch aus Patientenperspektive, „was ja gerne unterschlagen wird“, führe. Der Ansatz bringt einige Herausforderungen mit sich, darunter vor allem Fragen zur Vergütung, Teamzusammensetzung und IT dahinter. Ein weiteres Problem: Die Akademisierung einiger Berufe (z. B. studierte MFA) werde von einigen Patienten aber auch einigen Kollegen nicht anerkannt. Das könne zu Schwierigkeiten in Sachen Rollenverteilung und Gehalt führen.
„Welchen Mitarbeiter würden Sie sofort einstellen, wenn Sie eine passende Bewerbung erhielten?“ Diese Frage konnte die Berufsgruppe der MFA in einer Arbeit von Benjamin Borchardt et al. klar für sich entscheiden. Der Physician Assistant (PA) landete mit 21 % auf einem der hinteren Plätze. Das Problem: Noch immer scheinen deutsche Hausärzte nicht so genau zu wissen, was sie mit einem PA in ihrer Praxis überhaupt machen sollten. Zwar trauen die meisten Hausärzte ihnen leicht delegierbare Aufgaben (unter Aufsicht, wohlgemerkt) zu, darunter beispielsweise Impfsprechstunden, einfache Wundversorgung und Büroarbeiten. Hier stimmten über 60 % zu, dass es fachlich vertretbar sei, PAs übernehmen zu lassen. Doch ob es auch rechtlich vertretbar sei, da war sich der Großteil nicht sicher. Die Frage, was sie mit der durch PAs gewonnenen zusätzlichen Zeit anstellen würden, beantworteten die Hausärzte fast 50:50 – eine Hälfte würde mehr Patienten betreuen und so auch die Kosten für den PA auffangen wollen, während die anderen sich eine Auszeit gönnen würden.
Eine große Streitfrage ist das Gehalt. Im stationären Umfeld können PAs mit etwa 3.500 Euro pro Monat rechnen, während nur 8 % der Hausärzte bereit wären, mehr als 4.000 Euro monatlich zu zahlen. Über 30 % gaben an, sich einen PA derzeit schlicht nicht leisten zu können. Wie umgekehrt die Erwartungshaltung der Studenten und Absolventen des Fachs aussieht, stellte Schillen vor. Hier gab ein Großteil der Befragten an, für eine Vollzeitstelle in der Hausarztpraxis 3.500–4.000 Euro (40 %) bzw. 4.000–4.500 Euro zu erwarten (30 %). Trotz dieser Diskrepanz bewerteten viele der befragten (angehenden) PAs die Aufgaben in einer Praxis als spannend; die Integration im Team, Arbeitszeiten und Hausbesuche seien für viele kein Hindernis, im Gegenteil: Die meisten Befragten werten diese Punkte als sehr attraktiv. Bei der anschließenden Fragerunde meldete sich auch Anna Droste von der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants zu Wort: „Ich bin dankbar für die Gehaltsfrage und gespannt, wie man sich entgegenkommen kann bei dem, was Hausärzte zahlen können und dem, was wir fordern.“ Ein Vorschlag aus dem Plenum war, den VERAH-Zuschlag (Versorgungsassistent Hausarztpraxis) der KVen für MFA entsprechend auch für PAs zu zahlen, was mit Klopfen quittiert wurde. Das Fazit beider Vortragenden: Einigt man sich auf ein Gehalt, ließen sich PAs durchaus im hausärztlichen Alltag einsetzen, doch Hausärzte zögern – vermutlich wegen fehlender Erfahrungen und Kenntnisse, so die These der Autoren.
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