Zur lokalen Wundbehandlung gibt es viele Möglichkeiten – aber welche ist die beste? Das ist nicht ganz klar. Warum die Überarbeitung der Leitlinie das Problem nicht lösen wird, lest ihr hier.
Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden – aber wie steht es um die chronischen? Laut Dr. Thomas Karl, Direktor des Zentrums für Gefäß- und Endovascularchirurgie der SLK Kliniken Heilbronn, liegt bei mehr als zwei Dritteln der chronischen Wunden eine Erkrankung des venösen, arteriellen oder lymphatischen Gefäßsystems zugrunde. Auf einer Pressekonferenz zu holistischen Behandlungsansätzen in der Gefäßmedizin betont Karl daher die Bedeutung der Gefäßmediziner bei der Wundbehandlung.
Mehr als 1 Millionen Menschen werden in Deutschland jährlich wegen einer chronischen Wunde behandelt, meist lokal. Heutzutage gibt es neben alt bewährten auch innovative Verfahren wie beispielsweise das Aufbringen von Fischhäuten oder antibakteriellen Schäumen. Doch wie behandelt man eine solche Wunde nun am besten?
Zu den Nutzenvorteilen der unterschiedlichen Behandlungsmethoden gibt es wenig Evidenz. Die mangelnde Studienlage entstehe, da Patienten mit chronischen Wunden oft sehr komplex seien, erklärt Karl auf der Pressekonferenz. Die Patienten hätten oft ein fortgeschrittenes Lebensalter und daher auch viele Begleiterkrankungen mit verschiedenen Ursachen. Erhobene Daten seien deswegen nur schwer vergleichbar. Um also eine Aussage über die abgeschlossene Wundheilung treffen zu können, brauche es eine große Zahl an Studienteilnehmern. Dazu komme aber, dass die Studien methodisch teilweise unzureichend seien, besonders wenn harte Kriterien angelegt würden, so Karl. Es brauche also mehr Evidenz, allerdings ließe sich diese kaum generieren.
Vor Kurzem wurde die S3-Leitlinie zur Lokaltherapie chronischer Wunden überarbeitet. Ziel war es, aktuelle Erkenntnisse zu Wundauflagen zusammengetragen – doch wegen mangelnder Evidenz bleibt die Nutzeneinschätzung und daher auch eine klare Behandlungsempfehlung bei vielen Methoden offen. Zu den Produkten, zu denen keine RCTs oder signifikante Überlegenheit hinsichtlich des Endpunktes der Wundheilung nachgewiesen werden konnte, gehören zum Beispiel keratinhaltige Wundauflagen, Hämoglobinsprays, Wachstumsfaktoren, silberhaltige Wundauflagen, Fischhaut und Kryotherapie.
„Eine Wunde braucht ein möglichst physiologisches Wundmilieu, um abheilen zu können. Wundheilung verläuft in vielen Phasen. Bei chronischen Wunden kann es zu jeder Phase zu einem stagnieren des Heilungsfortschritts kommen – dann geht es darum, zu erkennen, was zu diesem Zeitpunkt der Grund ist. Und dann bedarf es einer phasengerechten, stadienadaptierten Behandlung”, so Karl. Ihm zufolge braucht es dafür eine feuchte Wundbehandlung; auf Wirkstoffe soll ebenfalls verzichtet werden, falls keine Infektion vorliegt und solange keine systemischen Entzündungszeichen zu erkennen sind, rät er zu Antiseptika, statt Antibiotika.
Eine etablierte Methode zur Wundheilung ist die Vakuumtherapie. Sie diene dazu „ein Wundbett zu unterstützen, auf das man zu einem späteren Zeitpunkt einen definitiven Wundverschluss, zum Beispiel in Form einer Hauttransplantation, setzen kann“, so Karl. Die Vakuumtherapie ist im stationären Setting nicht mehr wegzudenken. Sie werde zwischenzeitlich von den Krankenkassen übernommen, allerdings müsse sie dafür von geschulten, niedergelassenen Kollegen durchgeführt werden, erklärt Karl – von denen gibt es wenige. Daher wird die Therapie „nicht in dem Maß durchgeführt, wie wir uns das wünschen würden. Viele Patienten liegen gerade nur deswegen länger im stationären Aufenthalt, weil eben die ambulante Weiterbehandlung mit einer Vakuumtherapie nicht sichergestellt werden kann.“
Es brauche innovative Verfahren in der Wundbehandlung und ein forschungsfreundliches Umfeld, so Karl. Kleine Firmen können aufwendige, methodisch gut designte Studien aufgrund des hohen finanziellen Aufwandes aber seiner Meinung nach nicht sicherstellen. Neue Produkte mit unzureichendem Nutzennachweis sollten daher vorwiegend in Studien oder von Experten angewandt werden, um die benötigte Evidenz zu schaffen.
Der Wund- und Gefäßexperte findet eine ursächliche und keine rein symptomale Behandlung wichtig, denn oft stecke eine Gefäßerkrankung dahinter. Zu den ursächlichen Behandlungen zählen zum Beispiel Revaskularisation bei der Schaufensterkrankheit, eine Kompression beim Ulcus cruris venosum (UCV) oder eine Druckentlastung beim diabetischen Fußsyndrom. „Patienten mit einer chronischen Wunde sollten frühzeitig – spätestens nach sechs Wochen– einen Gefäßspezialisten zur Abklärung der Ursache und zur weiteren Kausaltherapie vorgestellt werden“, rät Karl. Bei der Kausaltherapie steht die Grunderkrankung im Vordergrund, deswegen sieht Karl sie als „tragende Säule für diese Patienten. Ohne sie werden sie nur im Ausnahmefall eine chronische Wunde zum Abheilen bringen. Die Lokaltherapie ist sekundär und wahrscheinlich ist es am Ende des Tages nicht ganz so entscheidend, ob sie Wundauflage A oder B verwenden.“
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