Wenn werdende Mütter an Brustkrebs erkranken, erschwert die Schwangerschaft die Diagnostik. Die Lösung? Muttermilch könnte Hinweise auf Mammakarzinome liefern.
Brustkrebs kann auch während der Schwangerschaft oder während der Stillzeit auftreten. Für Frauen im gebärfähigen Alter sind solche Themen oft fern, falls keine familiären Risiken bekannt sind. Und das aus gutem Grund: Nur etwa eine von 5.000 Schwangeren erkrankt an einem Mammakarzinom. Das entspricht weniger als 100 Frauen in Deutschland pro Jahr.
Dennoch ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung während der Schwangerschaft – und bei Frauen unter 35 Jahren generell die häufigste. PrBC (Breast cancer occurring during pregnancy) oder PPBC (Postpartum Breast cancer) sind allerdings Brustkrebserkrankungen mit einer recht hohen Mortalitätsrate. Und genau hier liegt das Problem.
Oft sorgen Begleitumstände dafür, dass Mammakarzinome bei Schwangeren erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert werden. Die Brüste verändern sich, Knoten bleiben tendenziell eher unentdeckt. Vielleicht fehlt auch die Zeit, sich selbst zu untersuchen. Bei postpartalen Frauen kommt hinzu, dass Tumoren in der Brust ein hohes Risiko der Metastasierung haben.
Ein besonders Dilemma für Ärzte ist auch, dass sie die Frauen nach Möglichkeit keiner Strahlenbelastung aussetzen wollen, um das werdende Kind nicht zu gefährden, was die Mammographie als Methode stark einschränkt. Und für Screening-Programme sind werdende Mütter bzw. stillende Frauen zu jung.
Forscher am Universitätskrankenhaus Vall d‘Hebron in Barcelona, an der Universität Vic sowie am Universitätskrankenhaus Palma, haben sich des Problems angenommen und eine Diagnostikmethode entwickelt, die nicht invasiv ist und ohne Strahlung auskommt.
Liquid Biopsie lautet dabei das Stichwort: eine Methode, die zur Diagnostik verschiedener Krebsarten schon länger in das Interesse von Onkologen gerückt ist. Sie versuchen, zellfreie, tumorspezifische DNA (cellfree tumor-DNA, ctDNA) in verschiedenen Körperflüssigkeiten zu detektieren, meist im Blut. Auch der Nachweis freier zirkulierender Tumorzellen (circulating tumor-cells, CTCs) zählt zu den Themen verschiedener Studien.
Bei metastasierenden Brusttumoren finden sich in 85 Prozent der Fälle ctDNA im Blutplasma. Der Ansatz der Spanier war aber, eine Körperflüssigkeit zu untersuchen, die quasi engeren Kontakt zum Tumor hat. Inspiriert wurden die Forscher davon, dass sich etwa bei Blasenkrebs ctDNA im Urin finden lässt. Und bei oralen Tumoren sind diese Biomarker im Speichel nachweisbar. Deshalb nahmen die Forscher Muttermilch unter die Lupe.
Ob eine Diagnostik anhand von Muttermilch überhaupt möglich ist, untersuchten sie mit zwei Kohorten. In der ersten waren 19 Brustkrebs-Patientinnen vertreten, von denen bei zehn während der Schwangerschaft Tumoren entdeckt worden waren; bei neun während des Wochenbetts. Die zweite Gruppe bestand aus zwölf stillenden Frauen als Kontrollen. Sie waren auch nach einem Jahr gesund und ohne Brustkrebs. Das Alter lag im Mittel bei 36,2 und bei 34,2 Jahre.
Die Forscher extrahierten aus der Muttermilch zunächst die gesamte zellfreie DNA (cellfree DNA, cfDNA). Zum Vergleich zogen sie Blutproben der Probandinnen heran. In einem ersten Ansatz gelang es per hochsensitiver digitaler Tröpfchen-PCR, in der Muttermilch der erkrankten Frauen ctDNA zu finden. Die moderne, quantitative PCR-Technik wurde vor allem durch SARS-CoV-2 bekannt.
Anschließend designten die Forscher einen auf dem Next-Generation-Sequenzing-Verfahren basierenden Test, der 54 typische Brustkrebs-Gensequenzen aus der ctDNA detektieren kann. Sie fanden 26 Genvarianten in den Muttermilchproben, von denen 21 mit Gewebeproben der Patientinnen übereinstimmten.
In einem Fall konnten die Forscher sogar aus einer älteren tiefgefrorenen Probe einer Frau, die Muttermilch nach dem zweiten Kind eingefroren hatte und während der dritten Schwangerschaft Brustkrebs entwickelt hatte, die Biomarker detektieren. Sie vermuten, dass sich bereits sehr früh ctDNA in der Muttermilch finden lässt, bevor andere Diagnostik-Methoden überhaupt Hinweise liefern. Und die Vormilch (Kolostrum) wird etwa zwölf Wochen vor der Geburt gebildet: eine Möglichkeit, das Zeitfenster zu erweitern.
Alles in allem kommen die Studienautoren zu dem Schluss, dass sich mit einem entsprechenden Testkit aus Muttermilchproben nichtinvasiv und zuverlässig Brustkrebs diagnostizieren lässt.
Eine Einschränkung der Studie ist die recht kleine Kohorte. Weitere Studien zu dieser Diagnostik-Methode und Validierungen des Testdesigns sind notwendig. Aber zumindest der erste Schritt in Richtung Biomarker-Diagnostik ist getan.
Saura C, Ortiz C, et al. Early-Stage Breast Cancer Detection in Breast Milk. Cancer Discov. 2023 Oct 5;13(10):2180-2191. doi: 10.1158/2159-8290.
Loibl, S.; Mammakarzinom in der Schwangerschaft; Gynäkologie 6/2010.
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.; Brustkrebs in Schwangerschaft und Stillzeit; August 2012.
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