Kleine Partikel ganz groß: Sie sind kleiner als 100 Nanometer und ziehen die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf sich. Wie passen Nanopartikel in die Medizin?
Sie sind klein – sehr klein, haben eine hohe chemische Reaktivität und starke katalytische Eigenschaften. Zusätzlich sorgen Oberflächenstruktur und Form dafür, dass sie Produkten gezielt beigefügt werden können, wodurch sie als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gelten. Die Rede ist von Nanopartikeln.
Durch ihre Beschaffenheit werden Nanopartikel in vielen Lebensbereichen eingesetzt, beispielsweise bei der Herstellung von Lebensmitteln oder Verpackungen – sie sind aber auch in Abgasen enthalten. Einige Artikel und Studien weisen in diesem Zusammenhang auf die Gefahren und Risiken von Nanopartikeln hin. Nano-Titandioxid steht zum Beispiel im Verdacht, Lungenkrebs zu begünstigen und Nano-Siliziumdioxid soll die Funktion der Zellkerne stören.
Obwohl man davon ausgeht, dass Nanopartikel gewisse Risiken mit sich bringen, gelten sie in der Medizin als Hoffnungsträger. Nanomaterial wird heute bei Medikamenten, Diagnostika und Implantaten eingesetzt. In der Medizin haben Nanopartikel allerdings eine lange Geschichte. Schon früher wurde kolloidales Gold zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis genutzt. Ebenso fanden nano-große Silberpartikel ihren Einsatz in der Dermatologie. Implantate besitzen oft eine nanostrukturierte Oberfläche aus Titan, welche das Einwachsen fördert und Entzündungen unterdrücken soll.
Vor allem wegen ihrer Größe sind Nanopartikel für die Medizin interessant. Eben weil sie so winzig sind, können sie in Gewebe eindringen (z. B. zur Bekämpfung von Tumoren), bevorzugt von bestimmten Zellen aufgenommen werden (von Bedeutung bei Impfstoffen) oder aber Körperbarrieren durchdringen (z. B. in der Lunge). Letzteres diente jetzt als Ansatzpunkt einer neuen Studie, in der Forscher sich genauer mit dem Einsatz von Nanopartikeln für die Therapie von Lungenerkrankungen befasst haben.
Bei der Suche nach Therapieansätzen für Mukoviszidose und andere Lungenerkrankungen entwickelten Ingenieure der University of Massachusetts einen neuen Typ von Nanopartikeln, welcher direkt auf die Lunge abzielt und dort mRNA abgeben soll. In früheren Studien konnte bereits gezeigt werden, dass mRNA großes Potential birgt, genetisch bedingte Krankheiten zu behandeln. Das Problem bisher: Das Verabreichen der mRNA, beziehungsweise das Ansiedeln dieser in der eigentlichen Zielregion im Körper.
In vergangenen Studien schlossen Nanopartikel die mRNA ein, sodass sie vor Zerfall geschützt war. In einem neuen Ansatz hat das Team um Studien-Hauptautor Daniel Anderson jetzt Nanopartikel designed, welche aus einer positiv geladenen Kopfgruppe sowie einem langen Lipidschwanz bestehen. Die positive Ladung hilft den Partikeln mit der negativ geladenen mRNA zu interagieren, sowie der mRNA aus der umhüllenden Fettkapsel zu entkommen, sobald sie in die Zelle eindringt. Der Lipidschwanz ermöglicht hingegen das Passieren der Zellmembran.
Die Forscher fanden 10 verschiedene chemische Strukturen für die Lipidschwänze und 72 verschiedene Kopfgruppen. Mittels genetischem Screening ermittelten sie die Kombination, die am besten geeignet war, mRNA mit CRISPR/CAS9-kodierenden Komponenten in die Lunge abzugeben. Durch CRISPR/Cas9 sollte anschließend ein Stoppsignal herausgeschnitten werden, welches vorab in die DNA der Lungenzellen von Mäusen integriert wurde. Das Entfernen des Stoppsignals induzierte dann Fluoreszenz.
Die anschließende Messung der Fluoreszenz sollte Aufschluss darüber geben, wie viele Zellen die mRNA erfolgreich exprimierten. Nach drei intratracheal verabreichten Dosen waren bis zu 60 % der Lungenepithelzellen transfiziert. Bei der Behandlung von Lungenerkrankungen stellen Keulen- und Flimmerzellen die wichtigsten Zellen dar. Die Ergebnisse zeigten, dass beide Zellarten zu jeweils ca. 15 % transfiziert wurden. „Das bedeutet, dass die Zellen, die wir bearbeiten konnten, tatsächlich die zwei Zellen sind, die für Lungenerkrankungen von Interesse sind“, sagt Erstautor Bowen Li.
Vorteile dieser Methode sind, dass die mRNA viel effizienter in die Lunge transportiert werden kann, als mit anderen Transportsystemen. Ebenso können die neuen Partikel schnell abgebaut werden, was das Entzündungsrisiko in der Lunge verringert. Auch kann derselbe Patient öfters mit dieser Methode behandelt werden.
Obwohl es Kritik an der Verwendung von Nanopartikeln gibt, kann man davon ausgehen, dass sie in Zukunft auch in der Medizin weiter an Bedeutung gewinnen werden. Die bestehende Kritik an Nanopartikeln – konkret mit Blick auf mögliche Risiken – wird im besten Fall dazu beitragen, eventuell notwendig werdende Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Die weitere Forschung in diesem Bereich erlaubt aber auch die Entwicklung neuer Trägersubstanzen. Nanopartikel zur Behandlung der Lunge könnten dann in Zukunft beispielsweise direkt über Inhalation aufgenommen werden. Gleichzeitig ermöglicht die Forschung die Weiterentwicklung der Technologie, sodass die kleinen Partikel auch in weiteren Teilen der Medizin Anwendung finden können.
Quellen
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