Lauterbach will die Apotheken retten. Doch seine neueste Idee sorgt bei einigen für blanke Empörung: Qualifizierte PTA sollen Apotheken leiten dürfen. Unvorstellbar?
Die Ideen unseres Gesundheitsministers Lauterbach die Apotheken betreffend finden selten Anklang unter der Apothekerschaft. Man kommt sich häufig – in meinen Augen auch zurecht – nicht wertgeschätzt vor, und der tägliche Kampf mit den Lieferengpässen im Korsett der Krankenkassenvorschriften wird ebenfalls nicht genug gewürdigt. Dass über Personalmangel und überbordende Bürokratie geklagt wird, hat der Minister aber offenbar gehört. Er hat nun einen Lösungsvorschlag geäußert, der einen Tag vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) für blanke Empörung gesorgt hat: eine Apotheke „light“ ohne Apotheker und ohne Rezeptur und Labor. Unvorstellbar – oder etwa nicht?
Was die Apotheker am DAT zu Pfeifkonzerten trieb, die man noch weithin in den Hallen der Expopharm hören konnte, fühlt sich für die ein- oder andere PTA gar nicht so schlecht an. Wo sich die Apotheker zurückgesetzt fühlen, wurde der Beruf der PTA durch den Minister quasi geadelt. Unter Spahn wurde das PTA-Reformgesetz so schlecht gestaltet, dass es den Beruf weiter ab- statt aufwertete. Die schulische Ausbildung wurde nicht verlängert, es gibt weiterhin für qualifizierte PTA keine Aufstiegsmöglichkeiten, keinen passenden Bachelor. Stattdessen wurden die Schulen für Hauptschulabsolventen geöffnet, und dafür die Chemie halbiert, damit diese es auch schaffen können.
Apotheker mit denen ich gesprochen habe, waren davon angeblich überrascht. Sie hätten das „gar nicht mitbekommen“, und 2019 als die Reform geplant und umgesetzt wurde, wäre das „an den Kammern vorbeigegangen“. Was Spahn in die Gesetzesbegründung schrieb, klingt auch tatsächlich mehr nach ABDA-Sprech, denn dort hieß es die Kompetenzen der PTA seien „grundsätzlich limitiert“ und damit sei eine Vertretungsbefugnis ausgeschlossen (DocCheck berichtete).
Man fragt sich unwillkürlich, ob diese Worte, die sogar ein PTAchen erreichen, das mit der Berufspolitik eigentlich gar nichts am Hut hat, wirklich so komplett an den Kammern vorbeigehen konnten. Da fehlt offensichtlich ganz grundsätzlich das Interesse am Assistenzberuf – und lässt tief blicken, wie ich finde. Der Bundesverband PTA (BvPTA) hat mit seiner damaligen Vorsitzenden jedenfalls ein perfektes Statement mit qualifizierten Vorschlägen gehabt, die weder von den Kammern noch von der ABDA gehört werden wollten.
Der Vorschlag von Lauterbach, um die Apotheken zu entlasten, sieht folgendermaßen aus: Eine Hauptapotheke (mit Apotheker, Labor und Rezeptur) soll die Möglichkeit haben, neben vollen Filialapotheken – welche dies ebenfalls alles vorhalten müssen – auch Nebenniederlassungen ohne eigene Herstellungs- und Laboreinrichtungen zu unterhalten. Diese unterliegen dann auch nicht mehr der Pflicht zu Nacht- und Notdiensten und sind, was die Öffnungszeiten angeht, flexibler. Und jetzt kommt (für viele) der Knackpunkt, der so richtig Öl ins Feuer gießt: Diese dürfen von einem PTA geleitet werden, der digital jederzeit mit einem Approbierten in Kontakt treten kann.
Ich gehe tatsächlich nicht konform mit der Idee einer Apotheke „light“, ohne Notdienst, Rezeptur und Labor – eben weil man gesehen hat, wie sehr gerade die Rezeptur in den vergangenen Jahren lieferengpassbedingt immer wichtiger geworden ist. Auch sehe ich durchaus die Gefahr, dass hier das Mehr- und Fremdbesitzverbot ausgehöhlt wird, und sich Ketten bilden könnten. Andererseits verstehe ich die dahinterliegende Grundidee: Es werden immer weniger Apotheken, gerade in den ländlichen Gegenden, was die Versorgungslage immer weiter erschwert. Vielleicht könnte man dem Wildwuchs an Light-Apotheken Einhalt gebieten, wenn man diese an bestimmte Voraussetzungen knüpft – ähnlich wie bei Rezeptsammelstellen auch. Aber das ist der Part, um den sich die Apotheker kümmern müssen.
Interessant für meine Berufsgruppe war die Idee, dass qualifizierte PTA, digital unterstützt durch Approbierte, eine solche Apotheke leiten dürfen. Da ist die immer wieder geforderte Vertretungsbefugnis (ähnlich einer Vorapprobierten oder eines Pharmazieingenieurs) plötzlich wieder greifbar und möglich. Diese einmalige Chance sollten sich die Berufsverbände nicht entgehen lassen. Und was passiert? Der BvPTA „zeigt sich entsetzt“ – und ich bin es auch! Von dieser eklatanten Nichtnutzung der Hand, die sich da politisch ausgestreckt hat! Der Verband ist derzeit aber auch in keiner guten Verfassung und dümpelt gerade etwas führungslos vor sich hin. Wenn sich hier nicht bald wieder eine charismatische Führungsfigur zeigt, wird er ein reines ADEXA-Anhängsel bleiben.
Meiner Meinung täten die Kammern diesmal gut daran, sich an der Überlegung zu beteiligen, wie sie langjährige und qualifizierte PTA hier fördern könnten. Ein reines Nein zu allen Plänen des Ministers ist nicht zielführend, denn solche mitdenkenden, mitleitenden PTA werden gebraucht. Approbierte, die in Apotheken arbeiten möchten, gibt es immer weniger und auch PTA, die etwas auf sich halten und beruflich vorankommen möchten, sehen die Apotheke inzwischen als reine Sackgasse. Bereits die stunden-/tageweise oder wochenweise Vertretung bei digitaler Erreichbarkeit eines Approbierten im Home-Office wäre doch eine Erleichterung – gerade in strukturschwachen Gegenden, in denen in den kommenden Jahren auch noch die letzten Pharmazieingenieure wegbrechen, die diese Möglichkeit der wochenweisen Vertretung noch wahrnehmen konnten.
Lasst euch also die Chance nicht entgehen und diskutiert mit Lauterbach darüber, was ihr wollt liebe Kammern und Gewerkschaften, liebe Vertreter der Freien Apothekerschaft. Überlasst das Feld bitte nicht alleine der ABDA, welche sich für die PTA grundsätzlich nicht interessiert!
Bildquelle: sohrab zia, Unsplash