Die Leitlinie zur Osteoporose wurde umfassend überarbeitet. Was sich neben Anamnese und medikamentöser Therapie in den Empfehlungen noch geändert hat, lest ihr hier.
Die Osteoporose zählt zu den häufigsten Begleiterscheinungen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Sowohl das rheumatische Entzündungsgeschehen selbst als auch der durch die Beschwerden verursachte Bewegungsmangel können Osteoporose fördern. Ein bedeutender Risikofaktor kann zudem die bei vielen Rheuma-Betroffenen notwendige Einnahme von Glukokortikoiden sein. In der Osteoporose-Leitlinie des Dachverbands Osteologie werden diese Besonderheiten nun deutlich stärker berücksichtigt. Die Leitlinie fasst die aktuelle Evidenz zu Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose zusammen und wurde im Vergleich zur zuvor gültigen Fassung von 2017 völlig neu überarbeitet. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) begrüßt die Neufassung, an der sie auch mitgearbeitet hat.
Typische Frakturen, die auf osteoporotische Veränderungen der Knochenmasse zurückgehen, sind der Oberschenkelhalsbruch und das Einbrechen von Wirbelkörpern. Beide Ereignisse betreffen besonders Frauen nach der Menopause und beide sind im Zehnjahreszeitraum zwischen 2009 und 2019 deutlich häufiger geworden. Den aktualisierten Angaben in der Leitlinie zufolge erleiden jedes Jahr knapp 50 von 100.000 Frauen zwischen 50 und 59 Jahren Frakturen des Oberschenkels. Mit jeder Lebensdekade steigt die Inzidenz deutlich an – bis hin zu rund 4.400 von 100.000 bei den über 90-Jährigen. Dabei ist das Frakturrisiko jedoch individuell äußerst unterschiedlich und nicht nur vom Alter abhängig.
„Eine der wichtigsten Neuerungen in der Leitlinie betrifft den Algorithmus, nach dem das individuelle Frakturrisiko berechnet wird“, so Prof. Peter M. Kern, Direktor der Klinik für Immunologie, Rheumatologie und Osteologie am Klinikum Fulda. Der Algorithmus sei auf rund 100 evidenzbasierte Risikofaktoren erweitert worden und berücksichtige nun auch entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, den systemischen Lupus erythematodes und Spondyloarthritiden. Auch sei die Gewichtung der einzelnen Risikofaktoren komplett überarbeitet und neuen Erkenntnissen angepasst worden.
Eine Basisuntersuchung auf Osteoporose wird nun explizit auch dann empfohlen, wenn eine Therapie mit Glukokortikoiden in einer Dosierung von 7,5 mg pro Tag oder höher für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten geplant ist. „Diese Diagnostik sollte nun auch Männern und Frauen vor dem 50. Lebensjahr angeboten werden, wenn sie an den oben genannten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen leiden“, sagt Dr. Björn Bühring, Chefarzt der Klinik für Rheumatologie, Immunologie und Osteologie am Bergischen Rheuma-Zentrum in Wuppertal. Er war als DGRh-Experte an der Erarbeitung der interdisziplinären Leitlinie beteiligt. Bei rheumatologischen Patienten über 70 Jahren sollte zudem jährlich nach Stürzen oder sturzbedingten Frakturen gefragt und ein Test zur Erfassung der Mobilität und des Sturzrisikos gemacht werden.
Angepasst wurden auch die Empfehlungen dazu, ab welchem Frakturrisiko eine medikamentöse Therapie begonnen oder zumindest empfohlen werden sollte. „Unter anderem wurde dabei nun stärker berücksichtigt, dass das Risiko für eine Schenkelhals- oder Wirbelkörperfraktur in den ersten Jahren nach einer bereits stattgehabten Fraktur besonders hoch ist“, erläutert Bühring. Weil auch die Einnahme von Glukokortikoiden stärker gewichtet werde, sei es absehbar, dass gerade Rheuma-Patienten nun deutlich öfter als bisher eine medikamentöse Osteoporose-Therapie erhalten oder angeboten bekommen würden.
Auch die Handreichungen dazu, wie diese Therapie gestaltet werden sollte, wurden grundlegend überarbeitet. Bei der Prophylaxe und Therapie der Osteoporose werden zwei unterschiedliche Klassen von Medikamenten eingesetzt: Antiresorptive Wirkstoffe, wie Bisphosphonat, hemmen den weiteren Knochenabbau, osteoanabole Substanzen fördern den Knochenaufbau und können damit den osteoporotischen Prozess sogar umkehren. „Hier gibt es neue Wirkstoffe, die nun berücksichtigt wurden, und auch zu den altbekannten Wirkstoffen liegt neue Evidenz vor“, sagt Kern. Auf dieser Basis seien nun differenziertere Therapieregime entwickelt worden, die sich stärker nach den individuellen Patientencharakteristika richteten.
Aus Sicht der DGRh stellt die Aktualisierung einen großen Fortschritt für die behandelnden Ärzte und ihre rheumatologischen Patienten dar. „Die Leitlinie stützt sich auf ein hohes Evidenzniveau und bietet somit eine wertvolle, wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe“, betont DGRh-Präsident Prof. Christof Specker, Düsseldorf. Die neuen Handlungsempfehlungen ermöglichten es, den Blick wesentlich früher als bisher auf mögliche osteoporotische Veränderungen zu richten. „Das Ziel muss sein, dass die Osteoporose bei jeder Rheumatherapie von Anfang an mitgedacht wird.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
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