Wir wissen, dass wir nicht alles wissen. Das gilt auch für die Auswirkung von Mikroplastik auf den Körper. Sicher ist aber: Es findet seinen Weg in den Organismus – und ist dabei oft nicht allein.
Dem Mikroplastik geht es an den Kragen – zumindest ein wenig. Am 25. September 2023 hat die Europäische Kommission Maßnahmen verabschiedet, die das bewusste Zusetzen von Mikroplastik in bestimmten industriellen Produkten innerhalb der EU einschränkt.
Wir reden hier nicht von Mikroplastik, das sich aus Flaschen, Beuteln oder ähnlichem ablöst – sondern von Produkten, die mit voller Absicht mit freiem Mikroplastik versetzt werden, um bestimmte Eigenschaften zu erzielen. Mikroplastik ist in diesem Fall definiert als synthetische Polymerpartikel, kleiner als 5 mm, die unlöslich und schwer abbaubar sind. Beispiele hierfür sind das Granulat-Material, das auf künstlichen Sportflächen genutzt wird, oder auch verschiedene Arten von Kosmetika, denen Mikroplastik zugesetzt wird. Die Partikel werden hier beispielsweise genutzt, um einen Glitzereffekt zu erzielen. Vor allem Nutzer der letztgenannten Produkte scheinen sich in eine Welle der Empörung hineinzusteigern.
Soziale Netzwerke wie Instagram oder TikTok sind voller empörter Aufschreie wegen des Verbots. Influencer zeigen sich bei Hamsterkäufen von Glitzer-Kosmetikartikeln. Zwar gibt es auch Alternativen für den Mikroplastik-Glitzer, aber die sind teurer und führen daher zu einer kostspieligeren Produktion und zu teureren Endprodukten.
Gelangt das Mikroplastik in unsere Abwasserleitung (irgendwie muss der Glitzer aus der Kosmetik ja wieder verschwinden), werden die Partikel nur ungenügend von der Kläranlage entfernt. Über den Klärschlamm landet das Mikroplastik unter anderem in der Landwirtschaft (Klärschlamm wird als Düngemittel genutzt) und kann dadurch in Lebensmittel, Tiere oder die restliche Umwelt übergehen. Ist es erst einmal in der Umwelt angekommen, verschwindet es von dort nur ungenügend. Leider gibt es Hinweise, dass Mikroplastik das Wachstum von Pflanzen, die Gesundheit von Wasserlebewesen und ja, auch uns Menschen negativ beeinflussen kann.
Zu allem Unglück ist es etwas kompliziert, die genauen potenziell schädigenden Wirkungen des Mikroplastiks auf den Menschen zu identifizieren. Dies liegt an der enormen Vielfalt der Partikel. Allein die oben genannte Größe von maximal 5 mm bietet großen Spielraum für vielfältige Partikel. Es macht für unseren Körper einen großen Unterschied, ob wir einen 5 Millimeter oder einen 10 Nanometer großen Partikel verschlucken. Der nanometergroße Partikel kann sehr viel eher die Darmbarriere durchdringen und durch unser Blut nahezu sämtliche Organe im Körper erreichen.
Ein weiterer essenzieller Unterschied wird durch die Form der Mikroplastik-Partikel bestimmt. Diese kann vielgestaltet sein und beispielsweise kubische, kugel-, stabförmige oder eckige Erscheinungsbilder annehmen. Scharfkantige Mikroplastikpartikel können beispielsweise allein durch physikalische Reize auf den menschlichen Körper wirken. Nur aufgrund eventueller scharfer Kanten können so bereits – ohne eine spezifische toxische Wirkung – unspezifische kleine Wunden im Körper gerissen werden. Darüber hinaus werden bei der Synthese der Plastik-Partikel verschiedene Chemikalien verwendet. Dies liegt in den vielen verschiedene Arten von unserem umgangssprachlichen Plastik begründet. Je nach spezifischer Ausgangschemikalie können dann unter Umständen nach der Aufnahme unterschiedliche Wirkungen in unserem Körper hervorgerufen werden.
Manche der verwendeten Chemikalien sind beispielsweise endokrin wirksam. Im Normalfall hat die Chemikalie, fest eingebunden in die Matrix eines Plastik-Partikels, nicht diese Wirkung. Allerdings interagiert ein Partikel, nachdem er in unserem Körper angekommen ist, über seine Oberfläche mit den Strukturen im Körper. Unterschiedliche Bestandteile können so unter Umständen unterschiedliche Wirkungen hervorrufen. Auch kann freigesetztes Mikroplastik viele andere Schadstoffe aus unserer Umwelt an seiner Oberfläche binden und diese schädigenden Substanzen in unseren Körper einbringen. Das Trojanische Pferd lässt grüßen.
Es gibt also durchaus wissenschaftliche Daten, dass aufgenommenes Mikroplastik langfristig unsere Gesundheit beeinträchtigen kann. Ob dies aber im Detail wirklich geschieht, hängt von der aufgenommenen Menge über Monate und Jahre sowie der genauen Art der Partikel ab.
Apropos Menge: Wissenschaftler haben berechnet, dass wir Menschen in Extremfällen die Plastikmenge einer ganzen Kreditkarte pro Woche verspeisen. An dieser Stelle darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass diese Werte von anderen Wissenschaftlern mehr als kontrovers diskutiert werden.
Alles in allem macht es also sowohl für die Umwelt als auch für unsere Gesundheit durchaus Sinn, die Menge an Mikroplastik, die freigesetzt wird, zu reduzieren. Klar ist aber auch, dass die Initiative der EU hier nur ein Anfang sein kann. Neben dem Versetzen von Produkten mit Mikroplastik gibt es noch sehr viele andere Produkte, die Mikroplastik aus ihrer festen Struktur freisetzen können. Bestimmte Plastikflaschen, Teebeutel aus Kunststoff, Abrieb aus Autoreifen – die Palette der Übeltäter ist groß.
Und noch etwas: Immer wieder versuchen Scharlatane, aus der Angst von Menschen ein Geschäft zu machen. Da sind die Sorgen in puncto Mikroplastik natürlich keine Ausnahme. So werden beispielsweise 15 ml eines speziellen Zitronenöls für knapp 15 Euro im Internet verkauft. Der Verkäufer wirbt damit, dass dieses Zitronenöl – eingenommen sowie auf die Haut gerieben – seine Moleküle in jede Körperzelle verteilt und dort für die Auflösung und Entfernung von Plastikrückständen sorgt. So schön das klingt, es ist leider Humbug und Betrug. Es gibt keinerlei Belege für diese angebliche Wirkung. Und selbst wenn das Öl die Plastikrückstände wirklich auflösen würde (was es nicht macht), dann hätte man die aufgelösten Plastikrückstände im Körper. Das kann erheblich mehr Schaden auflösen als ein Plastik-Partikel, der irgendwo rumliegt.
Als Fazit kann ich euch mitgeben, dass ihr dem Mikroplastik nicht entgehen könnt – wir alle nehmen es auf. Ob es langfristige Gesundheitsschäden verursacht, ist noch nicht final erforscht, aber durchaus möglich. Versucht deshalb, euren Plastik-Verzehr einzuschränken. Einfach ist das nicht, aber ihr müsst ja beispielsweise keine Teebeutel aus Plastik verwenden.
Quellen:
Mikroplastik in Klärschlämmen. Österreichisches Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Katharina Sexlinger, Bettina Liebmann. Report 0773. Wien. 2021.
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Micro- and nanoplastics (MNPs) and their potential toxicological outcomes: State of science, knowledge gaps and research needs. Zhenning Yang, Glen M DeLoid, Helmut Zarbl, Joshua Baw, Philip Demokritou. NanoImpact. 2023. 16:32:100481.
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Estimation of the mass of microplastics ingested - A pivotal first step towards human health risk assessment. Kala Senathirajah, Simon Attwood, Geetika Bhagwat, Maddison Carbery, Scott Wilson, Thava Palanisami. J Hazard Mater. 2021 Feb 15; 404 (Pt B): 124004.
Ingested microplastics: Do humans eat one credit card per week? Martin Pletz. Journal of Hazardous Materials Letters. Volume 3, November 2022, 100071.
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