Kontrastmittel, Schallen während der OP und KI-Unterstützung – diese drei Themen beschäftigen derzeit Sonografie-Experten. Lest hier, was euch in der Ultraschalldiagnostik erwartet.
Die Sonografie ist eine tolle Sache – schnell und einfach kann man als Arzt Organe und Strukturen im Körper des Patienten betrachten und diese Information für die Diagnosestellung nutzen. Doch die Technik kann noch viel mehr, als nur das klassische Abdomen-Sono. Was es in der Welt des Ultraschalls Neues gibt, wird auf dem diesjährigen Treffen von Spezialisten in Mainz vorgestellt und diskutiert.
Noch bis zum 14. Oktober 2023 versammeln sich Sonografie-Experten und alle, die gern welche werden würden, auf dem Dreiländertreffen der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) in Mainz. Der Kongress findet in Kooperation mit den Pendants aus Österreich und der Schweiz statt und schließt die Themengebiete Gynäkologie, Urologie, Innere Medizin und Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie Chirurgie ein – mit Schwerpunkt auf Anwendungsgebieten des Ultraschalls in diesen Fächern.
Nicht nur Diagnostik, auch interventionell wird die Sonografie in der Medizin seit den Siebzigerjahren eingesetzt, z. B. bei der Entnahme von Gewebeproben. Die Technik verbesserte sich schnell und auch die Anwendungsgebiete erweiterten sich. Seit einiger Zeit wird die Sonografie auch intraoperativ verwendet – hierzu gebe es immer mehr wissenschaftliche Evidenz, erklärt DEGUM-Präsident Prof. Markus Hahn bei der Pressekonferenz zur Eröffnung des Treffens.
Künstliche Intelligenz (KI) ist auch in diesem Bereich ein aktuelles Thema. Eine Bitkom-Erhebung zeige, dass sich 70 Prozent der Patienten eine KI-Unterstützung für ärztliches Personal wünschen, erklärt Christina Seddig von der DEGUM-Pressestelle. Auch in die bildgebende Diagnostik hat die Technik bereits Einzug gehalten, z. B. beim Ultraschall in der Brustkrebsdiagnostik. „Mit der Entwicklung künstlicher neuronaler Netzwerke und dem Deep Learning wurde der Einsatz von KI, auch in der Bildgebung, schon auf ein neues Level gehoben“, sagt Dr. André Farrokh, Leitender Oberarzt in Kiel und Leiter des Arbeitskreises Mammasonografie der DEGUM.
In seinem Fachgebiet sieht er ein enormes Potenzial von KI. Schon jetzt sei diese Technologie in der Lage, dreidimensionale Datensätze einer Brust mit der gleichen Genauigkeit zu bewerten, wie ein Arzt mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet. „In der Mammographie haben wir bei einer hohen Dichte der Brust unter Umständen einen Sensitivitätsverlust von 90 bis 50 Prozent.“ Der Ultraschall fülle diese Lücke. Doch hier liege ein Problem – das KI lösen könnte: „Der Ultraschall ist stark von der Expertise des anwendenden Arztes abhängig“, so Farrokh. Die KI könnte im Sinne eines automatisierten Brust-Ultraschall-Scanners eingesetzt werden. „Die KI kann hier relativ gut erkennen, welche 3D-Datensätze beim automatisierten Brustultraschall auffällig sind und kann den Ärzten einen Hinweis geben, dort genauer hinzuschauen.“
Auch in der Ausbildung hält Farrokh den Einsatz von KI für sinnvoll. „Wenn ich als junger Arzt ein Ultraschallbild anschaue und zu dem Schluss komme, dass ich etwas Gutartiges sehe – und die KI sagt dann: ‚Achtung, schau da nochmal genauer hin, hier scheint was auffällig zu sein‘ oder eben ‚Hol dir da nochmal Hilfe‘, könnte das ein Sicherheitsnetz sein und in der Ausbildung unterstützen. Menschen werden immer noch lieber von Ärztinnen und Ärzten behandelt“, so sein Fazit.
Ein völlig automatisiertes Screening sei bisher nicht sinnvoll. „Wir stehen noch am Anfang – Ki wird gerade in Geräten implementiert und in Studien evaluiert. Bei der Technologie der Elastographie waren wir von 15 Jahren an einem ähnlichen Punkt, heute haben das nahezu alle Geräte. So ähnlich wird das wahrscheinlich bei der KI laufen. Ich würde sagen, dass wir innerhalb der nächsten 5 Jahre einen deutlichen Schritt nach vorne gehen werden.“
Die Kontrastmittelsonografie kann Tumoren genauer charakterisieren und ermöglicht einen umfangreichen Blick auf Gewebeeigenschaften und Krankheitsprozesse – und somit präzisere Diagnosen. „Im Hinblick auf CT und MRT hängen wir im Ultraschall in Sachen Kontrastmittelgabe noch ein bisschen hinterher. Aber wir haben zunehmend den Punkt erreicht, wo wir sehr schnell, sehr präzise eine wichtige Zusatzinformation kriegen und das mit einem sehr schonenden Verfahren“, sagt Prof. Dirk-André Clevert, Oberarzt an der LMU in München und stellvertretender Leiter der Sektion Radiologie der DEGUM.
Bis zu einer definitiven Diagnose eines fragwürdigen Befundes könne schon mal wichtige Zeit vergehen, so Clevert. „Mit der entsprechenden Software ermöglicht die Kontrastmittelsonografie es im Gegenzug, nach 5 Minuten zu sagen, ob ein Tumor gut oder böse ist – und wenn er böse ist, um welchen bösartigen Tumor es sich handelt. Und wir haben die ganzen Limitationen von anderen Bildgebungen nicht. Wir können sofort loslegen. Wir brauchen z. B. kein Labor, also Kreatininlevel oder Schilddrüsenwerte. Denn unser Kontrastmittel ist sozusagen homöopathisch.“ Es habe nur drei Bestandteile: ein Gas, eine Fetthülle und Wasser. Clevert hebt hervor, dass es sehr gut verträglich sei. „Kein Organ wird dadurch belastet. Auch die Menge, also 1,5 bis maximal 2 Milliliter Kontrastmittel, ist viel geringer als bei anderen Bildgebungsverfahren. Verschiedene Studien haben diese Modalität im Vergleich zum Goldstandard untersucht und wir haben über 90 Prozent diagnostische Sicherheit.“
Auch therapiebegleitend könne man mithilfe des Verfahrens monitoren, also z. B. kontrollieren, ob es Rezidive eines Tumors gebe. „Wir nutzen es schon häufig stationär, es wäre schön, wenn sich das im ambulanten Bereich auch noch mehr etablieren würde“, so Clevert. Bisher werde Kontrastmittel-Sonografie hauptsächlich bei der Leberdiagnostik eingesetzt. In der Regel hätten die Kontrastmittel keine Ganzkörperzulassung, da die Hersteller meist nur für ein bis zwei Organe eine Zulassung beantragen. „Wir haben aber Vorteile an allen Organen, die wir sonografisch untersuchen können“, sagt Clevert.
Auch Diagnostik direkt am Patientenbett sei ein Vorteil gegenüber anderen Bilgebungen. Warum sich der Kontrastmittel-Ultraschall nicht schon mehr durchgesetzt habe? „Unser Hauptproblem ist bisher ein monetäres und ein Softwareproblem. Die benötigte Software ist teuer. Die Vergütung für Ultraschall ist auch recht gering im ambulanten Bereich, da wäre das Investment für ein entsprechendes Gerät und die Software oft zu hoch. Wir müssen uns also für eine adäquate Vergütung hier einsetzen – denn es lässt sich am Ende Geld sparen, wenn man dann ein MRT oder CT nicht immer nötig ist.“
Auch im Op gewinnt der Ultraschall mit immer kleineren Sonden und immer hochauflösenderen Geräten an Bedeutung, vor allem bei Brustkrebsoperationen. „Wenn man mal überlegt, die Ultraschallgeräte in den 60er oder 70er Jahren musste man mit zwei Personen bedienen, heute sind die Sonden so klein, dass man sie fast verlieren könnte“, beschreibt Farrokh. „Sie können uns erstmals in Echtzeit Gewebeeigenschaften zeigen, Areale genau darstellen, die wir resezieren müssen. Wir können endlich sehen, was genau wir tun – das ist gar nicht mal so trivial, wie man denken mag“, erklärt der Spezialist.
Bei Brustkrebs ist es mittlerweile Standard, die Brust möglichst zu erhalten. Der Tumor wird also selektiv aus dem Gewebe entfernt. „Die meisten Tumoren sind dabei oftmals so klein, dass wir sie in der OP nicht sehen und nicht tasten können. Also machen wir es mittlerweile so, dass die Patientin vor der OP zu uns kommt, und wir einen kleinen dünnen Draht, unter Ultraschall-Sicht durch die Haut bis zum Tumor schieben. In der OP resezieren wir dann den Draht mit seiner Spitze und den Tumor, der angrenzend an den Draht liegt“, beschreibt Farrokh die Drahtlokalisation, eine etablierte Methode.
Am Ende kann es trotzdem zu einer Nachoperation kommen, wenn nicht der gesamte Tumor entfernt wurde. „Mit dem Ultraschall können wir noch in der OP erkennen, ob wir den Tumor vollständig entfernt haben.“ Auch bei Lebertumoren könne man das nutzen. Denn der Tumor liege hier oftmals in der Tiefe und der Operateur kann ihn mithilfe des Ultraschalls deutlich besser lokalisieren. „Bei der Leber gibt es da auch schon einzelne Studiendaten mit KI zur Unterstützung“, sagt Farrokh. Der intraoperative Ultraschall sei somit die Sehhilfe des modernen Chirurgen – und er bekam in den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie jüngst eine positive Bewertung. Farrokh nennt das einen Meilenstein. Er glaubt, dass man bald nicht mehr um das Verfahren herumkommt.
Bildquelle: Ajeet Mestry, Unsplash