Der Verlust des Penis ist für viele Männer körperlich und psychisch sehr belastend. Könnten Transplantationen die Lösung sein? Bisher gab es weltweit fünf Versuche – so geht es den Patienten heute.
Bei dem Wort „Transplantation“ denkt man wahrscheinlich zuerst an Nieren, Leber, vielleicht sogar an Herztransplantationen. Eventuell denkt der ein oder andere auch an Gliedmaßentransplantationen, immerhin sind Hand- und Armtransplantationen die am häufigsten durchgeführten rekonstruktiven Verfahren der Vaskularisierten Composite Allotransplantationen (VCA) – auch, wenn diese trotzdem selten sind und nicht komplikationsfrei verlaufen. Woran man bei Transplantationen hingegen eher nicht denkt, sind Geschlechtsorgane. Genauer: den Penis.
Die Penistransplantation ist ein junges Verfahren, es gibt kaum Vergleichswerte. In den letzten 15 Jahren wurden weltweit nur fünf Penistransplantationen durchgeführt. Wie geht es diesen fünf Patienten heute – und könnte die Transplantation in Zukunft die Lösung für viele betroffene Patienten sein? Das haben sich Forscher jetzt angesehen und die Ergebnisse in Nature Reviews Urology veröffentlicht.
Der Verlust eines Körperteils ist für die Betroffenen immer tragisch. Von den medizinischen Komplikationen und Folgen abgesehen, kann das auch massive Auswirkungen auf die Psyche der Patienten haben. „Der Verlust des Penis wirkt sich verheerend auf die Lebensqualität der Patienten aus und hat schwerwiegende psychosoziale und körperliche Folgen“, so die Studienautoren. „Die Unfähigkeit, an Handlungen wie dem Urinieren im Stehen und Geschlechtsverkehr teilzunehmen, beeinträchtigt das Selbstwertgefühl der Patienten und ihre Fähigkeit, soziale Beziehungen zu pflegen.“
Im Falle eines Penisverlustes war bisher die Rekonstruktion das Mittel der Wahl. Dem Patienten wird also natives Gewebe inklusive Arterie und Vene an einem anderen Körperteil entnommen und umgeformt. Anschließend wird der neu geformte Penisersatz mit Arterien, Venen, Nerven und Harnröhre verbunden, um so die Durchblutung und Funktion wiederherzustellen. „Diese traditionellen Rekonstruktionsprinzipien haben zufriedenstellende Ergebnisse erbracht, aber es gibt weiterhin Einschränkungen, darunter die Morbidität an der Entnahmestelle, die Bildung neourethraler Fisteln am Neophallus und die neourethrale Striktur“, so die Autoren. Außerdem sei kein Gewebe in der Lage, das einzigartige Gewebe des Penis wirklich zu ersetzen. Oft leidet die Empfindsamkeit und die Erektionsfähigkeit kann nur durch eine zusätzliche Prothese nachgeahmt werden.
Ähnlich wie Hand- oder Armtransplantationen ist die Penistransplantation ebenfalls eine VCA und inkludiert somit unter anderem Gewebebestandteile wie Haut, Unterhautgewebe, Muskeln, und Fett. Die Autoren betonen, dass durch die rekonstruktive Transplantation ein Maß an Normalität und Funktionalität erreicht werden kann, dass anders nicht erreicht werden würde.
Jede der fünf durchgeführten Penistransplantationen nutzten eine andere Technik (hier einsehbar), aber alle Transplantationen umfassten eine Anastomose der Harnröhre, Koaptation des dorsalen Penisnervs, Wiederanpassung der Penisweichteile und eine Gefäßanastomose. Ein großes Problem: Über die Immunbehandlung nach den Transplantationen gibt es wenige Daten. Bei zwei der fünf Transplantationen gibt es gar keine Daten dazu, bei einer weiteren keine Langzeitdaten. „Die Langzeitergebnisse der verbleibenden Patienten sind jedoch ermutigend, wenn die Therapie eingehalten wird“, so die Autoren.
Die erste Transplantation wurde 2006 in China durchgeführt – und bereits 14 Tage später wieder explantiert. Die Gründe: psychologische Ablehnung des Patienten und seiner Partnerin sowie postoperative Schwellungen und die Entstellung des transplantierten Penis. Einen etwas erfreulicheren Verlauf hatte ein Patient aus Südafrika. Er konnte nach der Transplantation sogar einige Monate später Nachwuchs zeugen. Vier Jahre später kam es allerdings zu Komplikationen. Grund dafür waren wohl eine Non-Compliance der Immunbehandlung und mehrere sexuell übertragene Krankheiten, die zu einer Harnröhrenstriktur und einer teilweisen Nekrose sowie einem Verlust des Allograft führten. Trotzdem ist das Transplantat Stand 2021 noch immer am Patienten.
Der dritte Patient – und der Einzige, der einen Penis einer anderen Hautfarbe transplantiert bekam – erhielt 2017 seinen neuen Penis. Allerdings musste er im Oktober 2021 explantiert werden. Der vierte Patient hatte 28 Tage nach seiner Operation eine akute Abstoßungsreaktion, die Situation konnte allerdings stabilisiert werden. Auch der letzte Patient hatte immer wieder Abstoßungsreaktionen. Trotzdem sind beide Transplantate bis zur Zeit des Reviews funktionsfähig und es wurde das „überraschende Ausmaß der Nervenregeneration hervorgehoben, das bei Patient Nummer vier noch 3 Jahre nach der Transplantation beobachtet werden konnte.“
Die American Society of Reconstructive Transplantation bezeichnet die Penistransplantation als „Goldstandard für die Rekonstruktion des Penis, wenn man die funktionellen und ästhetischen Ergebnisse betrachtet.“ Eine engmaschige Nachbeobachtung der Patienten über einen langen Zeitraum sei allerdings unumgänglich. Die Patientenauswahl, die nachfolgenden Immunbehandlung und die Compliance müssen sorgfältig geprüft werden. „Aus operativer Sicht scheint die Einbeziehung der Arteria pudendalis externa für die Transplantatperfusion die Lebensfähigkeit der Weichteile in einzigartiger Weise zu schützen und ist für den Erfolg des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung“, erklären die Studienautoren.
„Zu den wichtigsten Überlegungen für ein optimales Ergebnis der Penistransplantation gehören die Mittel zur Förderung der sexuellen Funktion und Zufriedenheit nach der Transplantation, wobei die erogene Empfindung, die Erektion und die Ejakulation besonders berücksichtigt werden sollten.“
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