Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung wollen bewundert werden und wissen alles besser. Das macht sie zu herausfordernden Patienten. Wie ihr mit ihnen umgeht, erfahrt ihr hier.
Der neidende Kollege, der sich übergangen fühlt. Der Chef, der keine Kritik zulässt. Der Bekannte mit übertriebenen Wutausbrüchen. Was nach schwierigen individuellen Wesenszügen klingt, kann oftmals einen pathologischen Hintergrund haben – und das Krankheitsbild der narzisstischen Persönlichkeitsstörung beschreiben. In Deutschland treten diese bei etwa 0,5 % der Gesamtbevölkerung auf, also bei rund 410.000 Personen.
Unabhängig von Rahmenbedingungen wie im Job, im privaten Kreis oder in der Fantasie findet sich bei den Betroffenen ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit. Die mangelhafte Fähigkeit, das Selbstwertgefühl zu regulieren, führt dazu, dass die Personen empathielos und überheblich handeln. Neben einem Autoritätsanspruch haben sie dabei auch einen Hang zur Selbstdarstellung und beuten ihre Mitmenschen oft zum eigenen Vorteil aus.
„Im Hintergrund leiden Narzissten unter einem niedrigen Selbstwertgefühl, einer ausgeprägten Kritikempfindlichkeit und Versagensängsten. Betroffene sind stets auf die Bestätigung von außen angewiesen, um das eigene Selbst und ihr Wohlgefühl zu stabilisieren. Kritik an ihrer Person, Zweifel oder auch Zurückweisung erleben sie als extrem kränkend und schmerzlich. Zudem stehen sie permanent unter Stress, weil ihr überhöhtes Selbstkonzept eine ständige Bedrohung von Versagen darstellt,“ erklärt Prof. Sabine Herpertz von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).
Trotz klarer Übereinstimmung in vereinzelten Aspekten gilt es bei der Behandlung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, auch parallel vorhandene psychische Beschwerden wie Depression zu berücksichtigen. Außerdem ist sie klar von anderen Persönlichkeitsstörungen zu trennen, wie der bipolaren Störung sowie der antisozialen oder histrionischen Persönlichkeitsstörung.
Diagnose und Behandlung erfolgen bei Narzissten häufig in Form einer Psychotherapie, entweder nach einer narzisstischen oder einer privaten sozialen Krise. Wie schwierig es jedoch ist, jemanden zu behandeln, der es besser weiß, hat nun eine aktuelle Studie gezeigt.
Deutschlandweit untersuchten Forscher dazu 2.000 Patienten aus stationärer und ambulanter Therapie, erfassten die Ausprägung der narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale Bewunderung und Rivalität sowie ihrer depressiven Symptome und verglichen diese vor und nach der Behandlung. Die Mediziner bedienten sich dazu zweier unterschiedlicher Psychotherapiemethoden: Einer psychoanalytisch-interaktionellen Therapie (PIT) sowie einer Verhaltenstherapie (CBT).
Bereits vor Therapiebeginn zeigte sich, dass besonders narzisstisches Rivalitätsstreben mit stärkeren Depressionssymptomen verbunden war. „In der Patientengruppe, die mit Verhaltenstherapie behandelt wurde, hing Narzissmus mit einem schlechteren Ansprechen auf die Behandlung zusammen, auch wenn eine narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht voll ausgeprägt war“, fasst Erstautorin Maike Richter das zentrale Ergebnis der Studie zusammen. Der Aspekt der Rivalität wirkte sich folglich negativ auf die Behandlung aus. Der Wille, bewundert zu werden, ging mit geringerer Depression einher und beeinträchtigte die Therapie nicht in diesem Ausmaß.
In der Patientengruppe, die per psychoanalytisch-interaktionellen Therapie behandelt wurden, registrierten die Forscher keinen negativen Effekt von Narzissmus auf die Behandlung. „Wir haben Hinweise darauf gefunden, dass die negativen Effekte von Narzissmus auf eine weniger tragfähige therapeutische Beziehung zurückzuführen sind“, erklärt Prof. Nils Opel vom Universitätsklinikum Jena. Die Forscher nehmen entsprechend an, dass der Unterschied zwischen den Behandlungsmethoden auf zwischenmenschliche Verhaltensmuster zwischen Patient und Therapeut zurückzuführen war.
Da Narzissmus den Schweregrad von Depression vor und nach einer CBT-Behandlung bei allen psychiatrischen Störungen beeinflusst, selbst wenn keine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt, sollten Beurteilungen des Ausmaßes von Narzissmus in künftige Forschungen und klinische Routinen in Betracht gezogen werden, resümieren die Forscher.
Praktisch für den therapeutischen Alltag sind die Studienergebnisse insofern, als dass das Forscherteam den Therapeuten klar empfiehlt, die narzisstischen Züge ihrer Patienten genau zu erfassen und die therapeutische Beziehung genau zu beobachten.
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