Hierzulande sind mehr als 70 Prozent der Menschen zeitweise von Kopfschmerzen betroffen. Neue Studien befassen sich mit der Sicherheit von Triptanen sowie von MCP. Jenseits von Therapien und ihren Wirkungen spielen die Patienten-Erwartungen eine entscheidende Rolle.
Neue Zahlen zur alten Pein: Laut IMS Health stellten Ärzte im letzten Jahr 5,4 Millionen Verordnungen von Medikamenten gegen Kopfschmerzen aus, das sind 2,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Als Diagnose stand Migräne an erster Stelle (60 Prozent), während Kopfschmerzen vom Spannungstyp (6 Prozent) und Cluster-Kopfschmerz (2 Prozent) eher selten vorkamen. Etwa 32 Prozent ordnete IMS Health der Sammelkategorie „verschiedene Kopfschmerzarten“ zu. Der Absatz von Migränemitteln lag im gleichen Zeitraum bei 9,7 Millionen Packungen, davon waren 76 Prozent rezeptfrei und 24 Prozent verschreibungspflichtig. Über 80 Prozent aller Präparate gingen an Frauen. Detailanalysen zufolge gaben Apotheker rezeptfreie und rezeptpflichtige Triptane gleich häufig ab. Hinsichtlich des Umsatzes steht Sumatriptan als ältester Wirkstoff ungeschlagen an der Spitze.
Apropos Triptane: Da junge Frauen besonders häufig an Migräne leiden, stellten Wissenschaftler die Frage, ob Auswirkungen auf ein ungeborenes Kind zu befürchten seien. Das betrifft frühe Stadien, bevor werdende Mütter überhaupt von ihrer Schwangerschaft erfahren. Jetzt liegen Resultate einer prospektiven Beobachtungsstudie zu Sumatriptan, Naratriptan und zu in Deutschland nicht erhältlichen Kombinationspräparaten mit Naproxen vor. Sara A. Ephross von GlaxoSmithKline und Susan M. Sinclair von der University of North Carolina Wilmington werteten 680 Schwangerschaften aus. Insgesamt hatten 626 Frauen Sumatriptan, 57 Naratriptan, sieben Sumatriptan plus Naratriptan und sechs Sumatriptan plus Naproxen eingenommen. Mehrfachnennungen zeigen, dass nicht nur ein Triptan verwendet wurde. Bei 528 Frauen, die im ersten Trimenon zu Sumatriptan gegriffen hatten, traten 20 Fälle von schweren Fehlbildungen beim Neugeborenen auf. Weitere 52 Frauen hatten im ersten Schwangerschaftsdrittel Naratriptan geschluckt. Hier berichten Ephross und Sinclair von einem einzigen Geburtsschaden. Insgesamt kam es bei 4,2 Prozent aller Geburten zu Missbildungen – das entspricht der Rate von Frauen ohne Medikation. Teratogene Effekte fand die Arbeitsgruppe nicht.
Solide Daten zur Sicherheit von Metoclopramid (MCP) fehlten ebenfalls; das Prokinetikum wurde bereits Mitte der 1960er-Jahre entwickelt. MCP kommt bei Migräne oder Schwangerschaftserbrechen zum Einsatz. Björn Pasternak, Kopenhagen, hat Ergebnisse einer Kohortenstudie mit 1.222.503 Schwangerschaften veröffentlicht. Im ersten Trimenon griffen 28.486 Frauen zu MCP, und 721 Kinder hatten angeborene Fehlbildungen. Zum Vergleich: Ohne Medikation blieben 113.698 werdende Mütter. Hier traten 3.024 Anomalien auf. Statistische Analysen zeigten keinen Anstieg der Fehlbildungsrate, kein niedrigeres Geburtsgewicht, keine höhere perinatale Mortalität und keine Begünstigung von Frühgeburten. In MCP steckt aber weitaus mehr Konfliktpotenzial: Das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) hat auf europäische Vorgaben reagiert und Zulassungen für hochdosierte Präparate widerrufen. Waren früher Präparate mit vier Milligramm pro Milliliter auf dem Markt, liegt die Obergrenze jetzt bei einem Milligramm pro Milliliter. Als Gründe führt die Behörde mögliche Bewegungsstörungen (Dyskinesien) durch das Pharmakon an. Laut einer Stellungnahme der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) treten entsprechende Probleme meist vor der Pubertät auf. MCP sollte deshalb erst ab dem 14. Lebensjahr eingenommen werden. Im Erwachsenenalter kam es nur bei langandauernder, hochdosierter Anwendung zu Bewegungsstörungen. „Der Widerruf der Zulassung ist daher nicht nachzuvollziehen und auch nicht notwendig“, kritisiert Professor Dr. Andreas Straube, Präsident der DMKG.
Eine leitliniengerechte Pharmakotherapie ist aber nur die halbe Miete, wie Rami Burstein vom Beth Israel Deaconess Medical Center der Harvard Medical School berichtet. Er bestimmte bei 66 Kopfschmerzpatienten anfangs den Leidensdruck. Geplagte erhielten bei den nächsten sechs Migräne-Attacken entweder ein leitliniengerechtes Pharmakon (Rizatriptan) oder ein äußerlich identisches Scheinmedikament. Anschließend wurden 459 Schmerzschübe dokumentiert. Der Effekt von Rizatriptan mit lesbarer Kennzeichnung „Placebo“ entsprach der Wirkung von Scheinmedikamenten, auf denen „Rizatriptan“ stand. Veränderte Burstein beigefügte Informationen von einem negativen hin zu einem positiven Duktus, wurden tatsächlich mehr Patienten schmerzfrei. Placeboeffekte leisteten einen mehr als 50-prozentigen Beitrag zur Wirkung, heißt es weiter. Deshalb sollten Apotheker Effekte von Arzneimitteln gegen Kopfschmerzen positiv begleiten.