Verletzungen der Muskulatur sind beim Sport häufig. Die Erstversorgung beeinflusst den gesamten Heilungsverlauf. Wisst ihr, was zu tun ist?
Jeden Tag treten vielfach Verletzungen im Freizeit- und Leistungssport auf. Das Gewebe, das am häufigsten verletzt wird, ist die Muskulatur. Die Minuten unmittelbar nach dem Ereignis entscheiden über die Dauer der Heilung. Muskulatur ist sehr gut durchblutetes Gewebe mit vielen Blutgefäßen, aus denen bei einer Verletzung Blut austritt und ein Hämatom entsteht. Je voluminöser ein Hämatom ist, desto länger dauern Reparatur und Wiederherstellung der Muskelfunktion. Deshalb sollten nach Eintritt einer Muskelverletzung so schnell wie möglich Maßnahmen ergriffen werden, die eine Hämatombildung minimieren, z. B. Kompression, Kälteapplikation und Hochlagerung. Die Verletzung selbst ist der Startschuss für den Heilungsprozess, der in drei Phasen verläuft.
Bereits Sekunden nach der Verletzung wird das Komplementsystem aktiviert, das aus Plasmaproteinen besteht und Teil des unspezifischen humoralen Immunsystems ist. Dadurch wird das verletzte Gewebe von Leukozyten infiltriert, die Fibrinolyse wird gehemmt und es kommt zur Vasokonstriktion. Mastzellen im verletzten Gewebe induzieren eine Invasion von neutrophilen Granulozyten und Monozyten und setzen pro-inflammatorische Zytokine (Histamin, Interleukin-1 und Tumornekrosefaktor-α) frei. Damit beginnt eine pro-entzündliche Reaktion als erste Phase der Heilung, die einige Tage dauert. Sie wird zusätzlich durch Zellbestandteile aktiviert, die durch zerstörte Zellen in den Extrazellulärraum gelangen. Entzündungsaktivität und Hypoxie nehmen im verletzten Gewebe zu und Monozyten wandeln sich zu Makrophagen um. Sie beseitigen zunächst Zelltrümmer, sind aber auch an den weiteren Heilungsphasen beteiligt.
Die zweite Phase wird als Regenerationsphase oder anti-inflammatorische Transitionsphase bezeichnet. Die Makrophagen produzieren inzwischen entzündungshemmende Zytokine (Interleukin-4, -10 und -13) und regen Muskelstammzellen – sogenannte Satellitenzellen – an, Wachstumsfaktoren fördern die Regeneration verletzter Zellen. T-Lymphozyten sammeln sich an, regulieren die Aktivität der Muskelstammzellen und unterstützen ihre Proliferation. Diese regulatorischen T-Zellen werden Tregs genannt. Auch sie stellen anti-entzündliche Zytokine her und begleiten den Heilungsprozess immunregulierend. Mit zunehmendem Alter nimmt ihre Zahl ab, wodurch eine schlechtere Heilung erklärt werden kann.
Der Übergang in die dritte Heilungsphase ist durch Abnahme der Immunaktivitäten gekennzeichnet. Makrophagen und T-Zellen sind die wichtigsten Akteure der Remodellierungsphase. Sie regen die Wiederherstellung von Gefäß- und Nervenversorgung an. Neuro-muskuläre Verbindungen werden innerhalb von zwei bis drei Wochen nach einer Verletzung neu gebildet. Aktivierte Fibroblasten stellen zunächst ungeordnete Kollagenstrukturen her, die sich zunehmend vernetzen, bis ausgerichtete Kollagenfasern die Belastbarkeit von Muskel- und Bindegewebe kontinuierlich verbessern. Ist der Gewebeschaden durch die Verletzung zu groß, kann faseriges Narbengewebe entstehen und eine vollständige Remodellierung verhindern.
Verletzungen und entzündliche Reaktionen gehen mit Schmerzen einher. Neutrophile Granulozyten tragen bei einer aktiven Entzündungsreaktion zur Schmerzlinderung bei. Wird ihre Aktivität in der ersten Heilungsphase durch NSAR-Medikamente wie Diclofenac unterdrückt, kommt es zwar kurzfristig zu einer Schmerzlinderung, es verlängert sich jedoch die Heilungsphase und das Risiko für die Entwicklung chronischer Schmerzen steigt. Deshalb ist es ratsam, in den ersten Tagen nach einer frischen Verletzung auf entsprechende Analgetika zu verzichten. Die akuten Schmerzen können – besonders in den ersten 24 Stunden – mit wiederholten Kälteapplikationen von jeweils 20 Minuten Dauer behandelt werden. Dabei ist zu beachten, dass Coolpacks oder Eis nie direkten Hautkontakt haben sollen, sondern besser in ein Handtuch eingewickelt werden, damit es nicht zu lokalen Erfrierungen kommt. Patienten sind entsprechend und auch eindringlich aufzuklären.
In Erinnerung bleiben wird ein 16-jähriger Jugendlicher, der sich beim Fußball den Außenknöchel verletzte und dem zur lokalen Kühlung geraten wurde. Er hatte Eispackungen in kurzen Zeitabständen direkt auf die Haut gelegt und Erfrierungen mit Nekrosen davongetragen, die später mit Spalthaut gedeckt werden mussten.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney