Bei kaum einer anderen Krebsart tut sich so viel in Sachen Diagnostik und Therapie wie beim Endometriumkarzinom. Was ihr für Tumorkonferenzen auf dem Schirm haben solltet und welche Neuerungen euch erwarten, erfahrt ihr hier.
Die gynäkologische Onkologie entwickelt sich rasant weiter. Neue Medikamente und eine zunehmend individualisierte Therapie sorgen dafür, dass Altbekanntes schnell überholt ist. Das trifft ganz besonders auf das Endometriumkarzinom zu. Bei kaum einer anderen Entität haben sich das Verständnis der Erkrankung und damit auch die Therapie in wenigen Jahren so sehr gewandelt wie bei dieser.
Das Endometriumkarzinom ist die fünfthäufigste Krebserkrankung der Frau in Deutschland, bezogen auf Neuerkrankungen. Und dennoch stellte sich das therapeutische Vorgehen lange Zeit als recht überschaubar und vergleichsweise simpel dar. Das Vorstellen einer Patientin mit Endometriumkarzinom in der Tumorkonferenz fiel mir daher zu Beginn meiner Facharztweiterbildung in der Regel am leichtesten. Über 60 % der Tumoren werden im Stadium I diagnostiziert und waren im Falle des deutlich häufigeren östrogenabhängigen Typ-I-Tumors mit Infiltration von maximal der Hälfte des Endometriums in der Regel bereits nach der einfachen Hysterektomie mit Adnexektomie abschließend therapiert.
Stellte sich eine Patientin mit einer derartigen, vermeintlich eher harmlosen Erkrankung trotz Therapie lege artis 2 Jahre später mit einem ausgedehnten Rezidiv vor, war dies häufig nur schwer nachvollziehbar. Der Wunsch, den solche Kasuistiken auslösen – nämlich der nach einem besseren Verständnis der Tumorentität und spezifischeren Selektionskriterien für die Wahl der Therapie – ist auch Treiber des Cancer Genome Atlas Program. Durch die Sequenzierung des Genoms von 373 Endometriumkarzinomen konnten vier molekulare Cluster identifiziert und hieraus eine morpho-molekulare Klassifikation entwickelt werden, die mit der neuen Leitlinie vom September 2022 nun auch in die offiziellen Therapieempfehlungen in Deutschland Einzug gehalten hat.
Neben den altbekannten Kriterien wie dem Grading, der Tumorausbreitung durch Angabe des TNM-Stadiums und der histologischen Differenzierung zwischen Typ-I- und Typ-II-Karzinom, ist für die Therapieentscheidung nun auch zwingend die Einstufung in eine der vier folgenden molekularen Gruppen notwendig:
Diese vier Subgruppen zeigen massive Unterschiede im progressionsfreien Überleben und nehmen daher Einfluss auf die Wahl unserer Therapie.
Während die retrospektive Datenanalyse zeigte, dass Patientinnen mit POLE-mutierten Tumoren exzellente 5-Jahresüberlebensraten von nahezu 100 % haben, stellen die p53- abberanten Tumoren mit 5-Jahresüberlebensraten von nur ~50 % das andere Extrem dar. In der Analyse des Cancer Genome Atlas liegen die beiden anderen Gruppen dazwischen bei Werten um 75–80 %. Im Falle der NSMP handelt es sich jedoch um eine sehr heterogene Gruppe, die das Sammelsurium der Tumoren darstellt, die mikrosatellitenstabil sind und POLE sowie p53 Wildtyp aufweisen. Diese Gruppe ist in späteren Untersuchungen noch weiter differenziert worden. So stellt die Expression von Östrogen-Rezeptoren einen prognostischen Vorteil dar, während die Überexpression des Zelladhäsionsmoleküls L1CAM ein prognostisch ungünstiger Faktor ist. Eine klare therapeutische Konsequenz leitet sich daraus bisher nicht ab, aber es ist ein weiteres Diagnostikum das wir bereits jetzt im Hinterkopf haben sollten, wenn wir eine Patientin zur Therapie beraten.
Haben wir all diese Befunde zusammen, können wir unsere Patientin auf dem Boden der europäischen Guidelines der ESGO/ESTRO/ESP in eine der vier Risikogruppen low, intermediate, high-intermediate und high einteilen und in der Tumorkonferenz eine Therapieempfehlung treffen. Wenn wir diese mit der Patientin besprechen, sollten wir aber offen kommunizieren, dass es sich bei den Daten zur molekularen Klassifikation bisher um retrospektive Analysen handelt. Die prospektiv-randomisierten Studien, die die Therapieentscheidungen auf Basis dieser Klassifikation treffen, erwarten wir noch. Es werden uns hier in der Zukunft hoffentlich noch viele interessante Fragen beantwortet werden, die uns beispielsweise zur Therapiedeeskalation bei POLE-mutierten Patientinnen auch in höheren Tumorstadien führen könnten.
Doch nicht nur die Klassifikation des Endometriumkarzinoms hat einen Wandel durchgemacht, auch die Therapie wurde in den letzten Jahren um neue Spieler erweitert. 2021 hat die EMA Dostarlimab als ersten Checkpoint-Inhibitor beim Endometriumkarzinom zugelassen. Der PD1-Antikörper kann als Monotherapie bei Patientinnen mit rezidivierten oder fortgeschrittenen MSI/dMMR-Endometriumkarzinomen nach Platinvortherapie angewendet werden. 2022 folgte mit Pembrolizumab der zweite Checkpoint-Inhibitor, der als Kombinationstherapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Lenvatinib auch für Patientinnen mit mikrosatellitenstabilen Tumoren zugelassen ist. Neueste positive Daten der RUBY- und der NRG GY081-Studie werden zeitnah zur Zulassung beider Checkpoint-Inhibitoren bereits in der Firstline-Therapie des rezidivierten oder fortgeschrittenen Endometriumkarzinoms führen, dann in Kombination mit der platinhaltigen Chemotherapie.
Und es stehen bereits die nächsten Therapeutika in den Startlöchern. Positive Phase-II-Studien für die Kombination von Letrozol und Palbociclib bei ER-positiven sowie für den Einsatz von Trastuzumab bei Her2neu-positiven Endometriumkarzinomen zeigen, dass auch bei dieser Entität der Weg immer weiter hin zur individualisierten Tumortherapie führt. Ein Weg, der es uns hoffentlich erlaubt, die oben erwähnten überraschenden Rezidive zu vermeiden, indem wir die besonders gefährdeten Patientinnen früh erkennen und entsprechend therapieren, während wir wiederum anderen Patientinnen anstrengende unnötige Therapien ersparen können. Wir können mit Spannung erwarten, was uns die nächsten Jahre an Neuerungen bescheren. Eines scheint dabei jedoch sicher: Einfacher wird es wohl nicht.
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