Bei Arthrose ist guter Rat oft teuer. Während Bewegung nach wie vor das A und O ist, scheiden sich an Injektionen die Geister. Und beim Eincremen gilt es, eine grüne Benimmregel zu beachten.
Billig ist sie nicht, die Arthrose. Vor allem nicht die am Kniegelenk. Prof. Winfried Banzer von der Abteilung Präventiv- und Sportmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt hatte bei der Jahrestagung der deutschen Orthopäden und Unfallchirurgen in Berlin Zahlen des Statistischen Bundesamt im Gepäck, die sich auf das Jahr 2020 bezogen. Satte 12,1 Milliarden Euro wurden in jenem Jahr für die Versorgung von Patienten mit Kniegelenksarthrose ausgegeben. Arthrose, so Banzer, sei im Alter letztlich die Eingangspforte in einen Teufelskreis: Schmerz führe zu Inaktivität, diese zu einer Verringerung der Muskelkraft, dies wiederum zu Instabilität und Unsicherheit und das schließlich zu noch weniger Aktivität: „Muskelabbau bei Inaktivität fängt früh an und er geht schnell“, so Banzer.
Bewegen ist deswegen weiterhin das A und O bei der Arthrose – und zwar nicht nur präventiv, sondern auch therapeutisch. Was an Hüfte und Knie erreichbar ist, hat ein großer US-Review-Artikel zusammengefasst, in den Daten aus über 260 Studien eingeflossen sind. Die Ergebnisse sind eindeutig: Bewegung lindert die Symptome, stärkt die Muskelkraft und verbessert die Funktion. Sie hat außerdem positive Auswirkungen auf relevante pathophysiologische Faktoren, namentlich Entzündungsaktivität und Knochenabbau.
Die interessanten Fragen lauten natürlich: Was bewegen? Wie intensiv? Wann? Und wie lange? In der Regel werden Schwimmen und Radfahren empfohlen, so Banzer. Er hat da nichts gegen, weist aber darauf hin, dass es dazu nur wenige Studien gibt: „Wer Rad fährt, sollte darauf achten, dass der Gang niedrig und die Trittfrequenz hoch ist, um nicht in den Überlastungsbereich zu kommen.“
Deutlich besser sei die Evidenz für angeleitete Bewegungstrainings, die mindestens drei Monate dauern und bei denen sich die Patienten mindestens dreimal pro Woche für je mindestens 45 Minuten in hoher, aber nicht maximaler Intensität bewegen. Krafttraining ist eine Möglichkeit, das umzusetzen. Banzer ist allerdings ein größerer Fan von sogenannten neuromuskulären Trainings, auch NEMEX genannt. Sie trainieren nicht einzelne Muskeln, sondern ganze kinetische Systeme auf einmal: „Es ist insbesondere am Anfang kontraproduktiv, die Leute einfach ins Fitnessstudio zu schicken.“
Eines der Poster Childs der NEMEX-Trainings ist das in Dänemark entwickelte GLA:D, von „Good Life with Osteoarthritis in Denmark“. Das Programm wurde dort landesweit bei Physiotherapeuten ausgerollt – mit sehr positiven Erfahrungen. Salomonisch äußerte sich Banzer zu dem deutschen Hype um Liebscher und Bracht, die sich in den sozialen Medien als Galileos der Arthrose-Therapie inszenieren: „Alles, was Menschen zu Bewegung bringt, ist erstmal gut. Die Evidenz bleibt bisher aber etwas auf der Strecke. Und zu glauben, dass das das Einzige ist, was hilft, naja.“
Jenseits der Bewegungstherapie sind die Injektionen das, was des Orthopäden Blut am stärksten in Wallungen bringt. Neben der umstrittenen Hyaluronsäure ist es vor allem das PRP, das Platelet-Rich Plasma, das heiß diskutiert wird. PRP ist eine Form der Eigenbluttherapie, bei der aktivierte, durch Zentrifugierung konzentrierte Blutplättchen verabreicht werden – in der Hoffnung, dass die darin enthaltenen bioaktiven Faktoren in den Gelenken regenerative Prozesse initiieren. Das Ganze kostet in der Regel zwischen mehreren hundert und wenigen tausend Euro. Was vielleicht in Ordnung wäre, wenn es funktioniert.
Aber funktioniert es? „Es gibt Believer und Non-Believer“, sagt Prof. Thomas Tischer vom Malteser-Krankenhaus in Erlangen, der die Evidenz in Berlin zusammenfasste. Die offiziellen Leitlinien nicht nur in Deutschland, sondern auch international, sind in Sachen PRP skeptisch. Inoffizielle Leitlinien wie der ESSKA ORBIT Consensus aus dem Mai 2022 sind aufgeschlossener. Der Konsensus kommt zu dem Schluss, dass Effektivität und Sicherheit hinreichend belegt seien und dass es genug präklinische und klinische Daten gebe, um PRP empfehlen zu können.
Die Frage ist, was man eigentlich genau empfehlen soll. Denn: „Es gibt über 25 verschiedene Herstellungsverfahren für PRP“, so Tischer. Wenn man diese vergleiche, dann fänden sich enorme Unterschiede in den Produkten. So wichen die Konzentrationen der Wachstumsfaktoren teilweise um den Faktor zehn voneinander ab. Letztlich sei völlig unklar, welche PRP-Formulierung die beste sei, wie viele Injektionen nötig seien und in welchem Abstand sie erfolgen sollten, so Tischer. Klingt irgendwie noch nicht nach Therapiestandard. Aber vielleicht ändert sich demnächst ohnehin alles. Seit wenigen Wochen gibt es nämlich, lange erwartet, die neue Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer. Die große Frage lautet, ob PRP als autologe, blutbasierte Therapie unter diese Richtlinie fällt. „Wenn ja, wird es schwierig“, so Tischer.
Zurück zu den Standards. Was es natürlich auch noch gibt, sind die nicht-steroidalen Antirheumatika. Nur: Soll man sie schlucken, oder soll man sie schmieren? Prof. Jürgen Steinmeyer von der Orthopädie des Universitätsklinikums in Gießen widmete sich dieser Fragestellung. Gecremte oder gegelte NSAR werden schon seit bald zwanzig Jahren nicht mehr von der GKV erstattet. Mit 260.000 definierten Tagesdosen im Jahr 2021 sind es, verglichen mit oralen NSAR, pharmazeutische Nischenprodukte. Orale Medikamente mit Ibuprofen, Diclofenac und Coxiben schafften im Jahr 2021 gemeinsam fast 900 Millionen Tagesdosen, natürlich nicht nur wegen der Arthrose.
Steinmeyer ist jedenfalls der Auffassung, dass die topischen NSAR zumindest bei oberflächennahen Gelenken eher unter Wert verkauft werden. Er präsentierte eine Netzwerkmetaanalyse aus dem Jahr 2021, in der topische NSAR und hier insbesondere topische Diclofenac-Cremes und -Gels bei Hüftgelenks- und Kniegelenksarthrose in der gleichen Wirksamkeitsliga spielten wie ihre oralen Gegenstücke. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2022 hat sich das nochmal etwas genauer angesehen, quer durch das ganze Arthrosespektrum. Sie fand analoge Wirksamkeit sowohl hinsichtlich Analgesie als auch hinsichtlich Reduktion der Steifigkeit und erwartungsgemäß mehr gastrointestinale Nebenwirkungen bei oralen und mehr dermatologische Nebenwirkungen bei topischen Präparaten.
Insgesamt seien topische NSAR eine wirksame und auch leitliniengemäße Therapie der Arthrose, wobei Diclofenac besser als Ketoprofen und Ketoprofen besser als Ibuprofen anschlage, so Steinmeyer. Insbesondere bei älteren Menschen, Menschen mit Begleiterkrankungen und Menschen mit Risikofaktoren für systemischer NSAR-Nebenwirkungen sollten die topischen Präparate bevorzugt werden, betonte der Orthopäde.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Händewaschen. 260.000 definierte Tagesdosen topische NSAR klingen nicht so viel. Aber es scheint genug zu sein, um die Diclofenac-Konzentration im Trinkwasser ansteigen zu lassen. Denn Kläranlagen können NSAR im Abwasser nicht entfernen. Deswegen: „Reiben Sie sich, wenn Sie Diclofenac-Gel auftragen, die Hände mit einem Tuch ab und werfen Sie das Tuch in den Feststoffabfall. Erst danach die Hände waschen.“
Bildquelle: Natalia Blauth, Unsplash