Die Behandlung der Herzinsuffizienz ist komplex und kann für Ärzte herausfordernd sein. Auf dem ESC-Kongress erregte jetzt ein Medikament der traditionellen chinesischen Medizin Aufsehen. Was kann Qiliqiangxin wirklich?
Patienten mit Herzinsuffizienz und einer reduzierten linksventrikulären Herzleistung haben ein um bis zu 40 % erhöhtes Risiko, im ersten Jahr nach Diagnosestellung zu versterben. Die Therapie dieser Patienten kann komplex sein und sie können trotz einer optimalen medikamentösen Therapie an Symptomen wie beispielsweise Dyspnoe, peripheren Ödemen und einem Leistungsknick leiden. Immer wieder kommt die Frage auf, ob neben der leitliniengerechten medikamentösen Therapie weitere Maßnahmen die Beschwerden dieser Patienten lindern können – oder ob sogar ein positiver Effekt hinsichtlich der linksventrikulären Pumpleistung erreicht werden kann. Dabei wird auch immer wieder die traditionelle chinesische Medizin (TCM) ins Feld geführt. Was ist dran?
Auf dem diesjährigen ESC-Kongress in Amsterdam wurden aktuell die Ergebnisse der großen, placebokontrollierten QUEST-Studie vorgestellt, die zeigt, dass das traditionelle chinesische Arzneimittel Qiliqiangxin – wohlgemerkt als Ergänzung zur leitliniengerechten Therapie – bei Herzinsuffizienz mit verminderter Ejektionsfraktion einen positiven Effekt haben könnte. Demnach ließe sich durch Qiliqiangxin der zusammengesetzte Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod und Krankenhausaufenthalt bei Herzinsuffizienz um mehr als 20 % verringern. Qiliqiangxin ist in China seit 2004 zur Behandlung der Herzschwäche als patentiertes Arzneimittel zugelassen. Das Präparat enthalte elf pflanzliche Inhaltsstoffe, die mit diuretischen Effekten, Vasodilatation und kardiotonischer Aktivität in Verbindung gebracht würden, erklärte Dr. Xinli Li vom Affiliated Hospital, Nanjing Medical University, China. Er zitierte auch Studien, die eine hochregulierende Wirkung auf den Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor γ (PPAR-γ) gezeigt hätten. PPAR-γ wird mit unterschiedlichen inflammatorischen und metabolischen Vorgängen in Verbindung gebracht.
Für die Studie wurden 3.119 Patienten in 133 Zentren in China nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Eingeschlossen wurden Patienten, die eine optimierte Dreifachtherapie für Herzinsuffizienz erhalten hatten. Die wichtigsten Einschlusskriterien waren zudem eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von 40 % oder weniger und ein NT-proBNP-Serumspiegel von mindestens 450 pg/ml. Patienten mit Herzinsuffizienz der Klasse IV laut New York Heart Association wurden ausgeschlossen. Die Studienteilnehmer erhielten zusätzlich zur Herzinsuffizienztherapie dreimal täglich vier Kapseln Qiliqiangxin oder ein Placebopräparat. Nach einem mittleren Follow-Up von 18,3 Monaten konnten die Ergebnisse bei 1.561 Patienten unter Verum und bei 1.555 Patienten unter Placebo ausgewertete werden.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Studie erhielten mehr als 80 % der Patienten in beiden Gruppen einen Renin-Angiotensin-System-Hemmer (Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Blocker oder Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Hemmer), mehr als 80 % einen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten und mehr als 85 % einen Betablocker. Das Durchschnittsalter lag bei 62 Jahren, 72,1 % waren Männer. Der primäre zusammengesetzte Endpunkt, Tod oder Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz, wurde im Vergleich zur Placebo-Kontrollgruppe um 22 % verringert (Hazard Ratio: 0,78; p < 0,001). Bei getrennter Auswertung betrug die relative Verringerung dieser Endpunkte 17 % (HR 0,83; p = 0,045) und 24 % (HR 0,76; p = 0,002). Die Risikoreduktion war robust (HR 0,76; p < 0,001) bei Patienten mit einer ischämischen Ursache, aber nicht signifikant bei Patienten ohne Ischämie (HR 0,92; p = 0,575). Ein signifikanter Nutzen wurde bei Patienten, die einen Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor erhielten, erkannt (HR 0,84; p = 0,041), ebenso bei Patienten ohne Präparate aus dieser Klasse (HR 0,77; p = 0,012). Der Nutzen von Qiliqiangxin bei Patienten, die alle Komponenten der leitliniengerechten Dreifachtherapie (RAS-Hemmer, Betablocker und Mineralokortikoid-Antagonisten) erhielten, war jedoch nur als Trend (HR 0,86; p = 0,079) erkennbar. Die Gesamtmortalität (sekundärer Endpunkt) war bei den Patienten, die Qiliqiangxin eingenommen hatten, niedriger als unter Placebo. Der Unterschied verfehlte knapp die statistische Signifikanz (14,21 % versus 16,85 %; p = 0,058).
Qiliqiangxin wurde von den Studienteilnehmern gut vertragen. Der Anteil der Patienten mit einem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis war in der Qiliqiangxin-Gruppe niedriger als in der Placebo-Gruppe (17,43 % versus 19,74 %), während die Zahl der Abbrüche aufgrund eines unerwünschten Ereignisses in der Qiliqiangxin-Gruppe höher war (1,03 % versus 0,58 %). „Die Risikoreduktion bei kardiovaskulären Todesfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz war beträchtlich, klinisch bedeutsam und in allen Untergruppen gleich“, berichtet Studienautor Dr. Xinli Li in Amsterdam.
Eine Stärke der Studie ist die hohe Patientenzahl und das randomisierte Studiendesign. Limitierend ist, dass nur wenige der Teilnehmer (< 10 %) einen (SGLT-2-Hemmer) bekommen hatten. Zum Zeitpunkt der Studienkonzeption waren SGLT-2-Hemmer noch kein Standard. Heute gehören sie in europäischen und nordamerikanischen Leitlinien zur empfohlenen Vierfachtherapie. Zudem ist zu beachten, dass in die QUEST-Studie keine Patienten in Europa eingeschlossen wurden. Daher bleibt offen, ob Qiliqiangxin auch im europäischen Raum einen ähnlichen guten Effekt erzielen würde. Die Studienautoren wiesen auch darauf hin, dass es wichtig sein wird, den relativen Beitrag der verschiedenen Wirkstoffe von Qiliqiangxin aufzuschlüsseln. „Dies ist keine gereinigte Verbindung, wie wir sie aus der westlichen Medizin kennen“, sagte der Studienautor.
Die vorgestellten Ergebnisse der Studien zeigen, dass das Präparat die Beschwerden der Patienten lindern und sogar einen positiven Effekt auf die linksventrikuläre Pumpleistung haben könnte. Es lohnt sich also ein Blick über den Tellerrand, insbesondere weil die Behandlung von Herzinsuffizienz herausfordernd sein kann und es am Ende darum geht, die Lebensqualität unserer Patienten zu verbessern. Weitere Studien sind allerdings notwendig, um die Wirksamkeit der TCM bei Herzinsuffizienz final beurteilen und eventuelle Nebenwirkungen besser einordnen zu können. Im Falle von Qiliqiangxin sollten die offenen Fragen hinsichtlich der Wirkung der verschiedenen Wirkstoffe geklärt werden, um eventuell unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen zu vermeiden. Es ist zudem zu bedenken, dass es für manche Patienten, die aufgrund der Herzinsuffizienztherapie eine große Anzahl an Medikamenten nehmen müssen, beschwerlich sein könnte, dreimal täglich vier weitere Kapseln einzunehmen. Würde dies zu einer insgesamt schlechten Compliance führen, wäre am Ende nichts gewonnen.
Zusammensetzung von Qiliqiangxin:
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