Die HPV-Impfung ist nur für junge Mädchen – dieser Irrglaube steckt noch in vielen Köpfen. Die Impfquote ist entsprechend niedrig. Dass aber auch Erwachsene noch profitieren, wissen die wenigsten. Zeit, hier aufzuholen!
In 2007 wurde die Impfung gegen das humane Papillomvirus (HPV) in Deutschland eingeführt. Seither gilt eine Impfempfehlung für junge Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren, idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr. Die Impfung schützt vor verschiedenen Varianten des HP-Virus und kann unterschiedlichen Erkrankungen vorbeugen. Darunter zählen unter anderem das Zervixkarzinom, Genitalwarzen und Hautpapillome.
Das humane Papillomvirus ist ein DNA-Virus, das durch sexuellen Kontakt übertragen werden kann und bei dem Großteil der Erwachsenen als persistierende oder abgeheilte Infektion nachweisbar ist. Zu den Übertragungswegen zählen nicht nur penetrativer Sex, sondern auch Schmierinfektionen über den Kontakt mit dem Genitalbereich. Daher bieten Kondome auch keinen vollständigen Schutz vor einer Infektion. Mit jedem neuen Sexualkontakt erhöht sich das Risiko für eine Infektion mit mehreren Varianten des Virus.
Das Virus kann verschiedene Krankheiten auslösen, die meist vor allem den Genitalbereich, aber auch andere Schleimhäute, wie die Mundhöhle oder den Analbereich betreffen können. Es gibt verschiedene Varianten des Virus – nicht alle lösen Gebärmutterhalskrebs aus. Trotzdem sind die anderen Varianten nicht ungefährlich, denn manche von ihnen haben ein erhöhtes onkogenes Potenzial. Basierend darauf werden die Varianten in zwei Klassen unterteilt: in solche mit „geringem Risiko“ und solche mit „erhöhtem oder hohem Risiko“ für eine Karzinomentstehung. Einigen der wichtigen HPV-Typen kann mit einer Impfung vorgebeugt werden.
Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe, die vom RKI empfohlen werden, sind der nonavalente Impfstoff Gardasil® 9 und der bivalente Impfstoff Cervarix®. Bei beiden handelt es sich um Totimpfstoffe, die die Varianten von HPV abdecken, die am häufigsten zu Zervixkarzinomen führen (HPV16 und 18). Gardasil® schützt unter anderem zusätzlich vor dem HPV-Typ, der für die meisten Fälle von Feigwarzen verantwortlich ist.
Seit 2018 wird die HPV-Impfung auch für Jungs im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen. Alle Teenager, die die Impfung bis zum 14. Lebensjahr nicht erhalten haben, können dies laut Empfehlung des RKI bis zum 17. Lebensjahr nachholen, auch dann noch, wenn sie bereits sexuell aktiv geworden sind. Denn der Impfstoff schützt bekanntermaßen vor verschiedenen Typen. Die Wahrscheinlichkeit sich bei den ersten sexuellen Kontakten bereits mehrere Varianten des Virus einzufangen, ist relativ gering.
Aber was ist mit den über 17-Jährigen und Schon-lange-nicht-mehr-Pubertierenden? Zwar wird die Impfung dann nicht mehr empfohlen und Krankenkassen übernehmen die Kosten möglicherweise nicht, trotzdem kann eine Impfung auch dann noch durchaus sinnvoll sein, zum einen dann, wenn die Patienten im Laufe ihres Lebens noch nicht viele Sexualpartner hatten und damit die Wahrscheinlichkeit gering ist, sich mit mehreren Varianten angesteckt zu haben. Zum anderen können auch sexuell sehr aktive Menschen seronegativ gegenüber vielen HP-Viren sein. Eine Studie bestätigte, dass die Impfung bei Frauen im Alter von 26 bis 45 Jahren genauso effektiv ist wie bei jungen Mädchen, vorausgesetzt sie sind seronegativ für die entsprechenden Typen. Eine Impfung ist also auch für erwachsene Patienten durchaus empfehlenswert.
Selbst bei einer ausgeheilten HPV-Infektion kann eine Impfung sinnvoll sein – läuft die Infektion nämlich ohne eine Virämie ab, bildet der Körper häufig keine Antikörper gegen das Virus. Eine Impfung könnte dann einer erneuten Infektion durch Antikörperbildung vorbeugen.
Handelt es sich jedoch um eine persistierende Infektion, kann die Impfung nicht viel dagegen ausrichten, da es sich nicht um ein therapeutisches Vakzin handelt.
Die WHO strebt bis 2030 eine Impfrate von etwa 90 % an. Dadurch könnte nicht nur die Zahl der Fälle von Gebärmutterhalskrebs drastisch gesenkt werden, sondern auch von anderen HPV-bedingten Krankheiten, wie etwa Feigwarzen. Obwohl die Effektivität, sowie die Unbedenklichkeit des Vakzins mehrfach bestätigt wurde, liegt die deutsche Impfquote noch weit unter dem angestrebten Ziel. Die Impfrate von rund 51 % (Stand 2021) ist in Deutschland im weltweiten Vergleich noch zu niedrig. Darum solltet ihr auch weiterhin eure Patienten über den Nutzen der Impfung aufklären.
Die Herdenimmunität löst jedoch nicht alle Probleme: Eine aktuelle Studie untersuchte die Auswirkung von Gender-neutralen Impfstrategien in Finnland. Sie kamen zu dem Schluss, dass zwar eine Herdenimmunität gegen die Hochrisiko-HPV-Varianten erreicht werden kann, die vor allem für Zervixkarzinome verantwortlich sind, aber auch anderen Varianten den Weg zur Verbreitung ebnen. Durch den Selektionsdruck auf das Virus könnten möglicherweise Varianten, mit bisher geringem onkogenen Potenzial in Zukunft eine größere Rolle in der Krebsentstehung spielen. Diesen Varianten sollte daher auch in Zukunft eine größere Aufmerksamkeit geschenkt werden und insbesondere bei Screenings sowie bei der Impfstoff-Entwicklung mit einbezogen werden.
Eine durch HPV ausgelöste Krankheit ist das Zervixkarzinom. Die HPV-Varianten 16 und 18 sind für mehr als 95 % der weltweiten Fälle dieser Krebsart verantwortlich. Ein regelmäßig durchgeführtes Screening ist daher unabdingbar – auch bei geimpften Patientinnen. Kommt es dennoch zur Krebserkrankung, werden, je nach Stadium, verschiedene Therapieoptionen wie Strahlentherapie, Operationen und Chemotherapie genutzt und kombiniert.
Eine aktuelle Studie hat jetzt untersucht, wie der Einsatz einer Induktionschemotherapie (IC) vor Beginn der Chemostrahlentherapie (CRT) – einer Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie – zum Therapieerfolg beitragen kann. Dazu wurden Patientinnen in zwei Behandlungsgruppen eingeteilt, wobei eine Gruppe eine CRT erhielt, die andere Gruppe hingegen zusätzlich eine IC vor der CRT. Die Idee dahinter: Bereits vorhandene, kostengünstige Medikamente verwenden, die bereits vor der Chemostrahlentherapie die Anzahl der Krebszellen minimieren sollen und so den Behandlungserfolg verbessern könnten.
Bei einem 5-Jahres-Check-Up stellten die Forscher fest, dass die Kombi-Therapie sowohl zu gesteigerten Überlebensraten, als auch so einem geringeren Risiko für ein Wiederauftreten des Krebs führte. „Unsere Studie zeigt, dass diese kurze zusätzliche Chemotherapie, die unmittelbar vor der Standard-CRT verabreicht wird, das Risiko eines Wiederauftretens des Krebses oder des Todes um 35 % senken kann. Dies ist die größte Verbesserung der Ergebnisse bei dieser Krankheit seit über 20 Jahren“, sagte Mary McCormac im Interview mit dem Guardian.
Die Behandlungsmöglichkeiten von Zervixkarzinomen werden also immer besser, trotzdem ist eine gute Prävention der nachhaltigere Weg. Dazu gehören das Impfen von Jungen und Mädchen, sowie auch das Nachholen der Impfungen im Erwachsenenalter. Auch regelmäßige Screenings für sexuell aktive Patienten sollten nicht vernachlässigt werden.
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