Die 71-jährige Patientin klagt über plötzliche Brustschmerzen, doch kardial scheint alles in Ordnung zu sein. Dennoch wird sie zur Abklärung stationär aufgenommen. Nach drei Tagen bemerkt sie eine merkwürdige Beule am Bauch. Was ist hier los?
Eine 71-jährige Frau stellt sich mit plötzlich aufgetretenen Brustschmerzen im Krankenhaus vor. Doch merkwürdigerweise zeigt das EKG einen normalen Sinusrhythmus und liefert keinerlei Anhaltspunkte für ischämische Veränderungen am Herzen. Auch wiederholte Troponin-Tests sind allesamt negativ. Dennoch nehmen die Ärzte sie aufgrund ihres Alters, das bereits einen kardiovaskulären Risikofaktor darstellt, zunächst stationär auf. Sie vermuten eine instabile Angina und beginnen daher eine medikamentöse Therapie mit subkutanem niedermolekularem Heparin. Im weiteren Verlauf ist eine Koronarangiographie in einem anderen, hierfür spezialisierten Krankenhaus geplant.
Doch drei Tage später klagt die Patientin plötzlich über Husten sowie zunehmende Unterbauchschmerzen. Zusätzlich zeigt sich eine größenprogrediente suprapubische Schwellung. Um einen Harnverhalt auszuschließen, führen die Ärzte eine Sonographie der Blase durch, wobei sie ein Restharnvolumen von 87 ml feststellen. Da sie bei der Schwellung eine Vorwölbung der Harnblase vermuten, legen sie der 71-Jährigen anschließend einen Harnblasenkatheter. Die Vitalparameter sind zu diesem Zeitpunkt alle unauffällig und der Hb-Wert beträgt 13,1 g/dL.
Doch am nächsten Morgen hat sich keine Beschwerdebesserung eingestellt. Im Gegenteil: Die Patientin klagt über zunehmende Schmerzen und ihr Blutdruck ist nun plötzlich auf 80/40 mmHg abgefallen. Auch die merkwürdige Masse ist trotz des korrekt liegenden Katheters unverändert tastbar. Diese misst nun bei einer erneuten Untersuchung rund 15 cm im Durchmesser und hat in der direkten Umgebung bereits zu einem deutlichen Peritonismus geführt. Die Ärzte führen noch einmal eine Laborkontrolle durch – und das Ergebnis ist alarmierend: Über Nacht ist der Hb-Wert auf 8,4 g/dL gefallen. Doch wie konnte es dazu kommen?
Eine sofortige Computertomographie liefert den entscheidenden Hinweis. Sie zeigt ein deutliches Hämatom der Rektusscheide, das von einer aktiven arteriellen Blutung der rechten Arteria epigastrica inferior ausgeht.
Text- und Bildquelle: Zhou et al. / Journal of Medical Case Reports
Die blutverdünnende Medikation wird daraufhin abgesetzt und die Patientin sofort in den OP gebracht. Dort wird das Hämatom dekomprimiert und die Blutung erfolgreich gestillt.
Doch was wurde eigentlich aus den initialen Brustschmerzen? Da die Patientin vor zwei Monaten an einer Studie teilgenommen hatte, liegt aus dieser Zeit noch ein CT-Aortogramm vor. Darauf ist keine Ischämie der Herzkranzgefäße zu erkennen, weshalb die Ärzte schließlich die Diagnose nicht-kardialer Brustschmerzen stellen.
Dennoch wird die Patientin 3 Monate nach ihrer Entlassung in einer kardiologischen Ambulanz nochmals nachuntersucht. Dabei ist sie weiterhin symptomfrei in Bezug auf Brust- und Bauchschmerzen und auch der Troponinwert ist bei der Nachuntersuchung normal. Ein zusätzlich ambulant durchgeführtes Echokardiogramm sowie verschiedene EKG-Aufzeichnungen sind ebenfalls unauffällig. Schließlich lassen die Ärzte noch ein Hämostase-Screening, einschließlich Thrombozytenfunktions- und Gerinnungsfaktortests durchführen, doch auch hier liegt alles im Normbereich, weshalb die Patientin endgültig aus der kardiologischen Behandlung entlassen werden kann.
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