Das PCOS ist die häufigste endokrinologische Störung der Frau. Neben gynäkologischen treten auch metabolische, kardiovaskuläre und psychosomatische Symptome auf. Deshalb sind andere Fachbereiche ebenso gefragt.
Bei 10–13 % aller Frauen im reproduktiven Alter wird das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) diagnostiziert. Diagnose und Therapie erstrecken sich von der Adoleszenz bis über die Postmenopause hinweg. Grund dafür ist, dass die reproduktiven Funktionsstörungen nur einen Teil des Symptomkomplexes darstellen. Es handelt sich um ein komplexes endokrinologisches, gynäkologisches, internistisches und mitunter auch psychiatrisches Krankheitsbild unklarer Ursache.
In der Praxis fällt auf, dass gehäuft junge Frauen durch die sozialen Netzwerke mehr oder weniger gut informiert sind und das Krankheitsbild gezielt ansprechen.
Seit 2003 gilt der Rotterdam-Konsensus von zwei aus drei Kriterien:
In der Internationalen Leitlinie von 2023 wird ein erhöhter Serumspiegel von Anti-Müller-Hormon (AMH) als ein weiterer Marker aufgeführt. Nach aktueller Studienlage ist der AMH-Wert bei Frauen mit PCO-Syndrom signifikant höher als bei Frauen, die eine Hyperandrogenämie anderen Ursprungs aufweisen. Während der Adoleszenz ist die AMH-Messung kein valides Kriterium.
Man spricht von einem polyzystischen Ovar, wenn in mindestens einem Ovar mehr als 12 Follikel zwischen 2–9 mm Größe perlenschnurartig angeordnet sind. Dieses Kriterium gilt nur für Patientinnen, deren Menarche mehr als 8 Jahre zurückliegt, da Follikelhäufungen in der Adoleszenz nicht ungewöhnlich sind. Diagnosestellungen in dieser Altersphase sind insgesamt schwierig, da auch Zyklusunregelmäßigkeiten häufiger auftreten.
Labordiagnostisch sollten alle relevanten Blutwerte zur Abklärung von Zyklusstörungen bzw. Hyperandrogenämie in Betracht gezogen werden:
Klinisch zeigen sich neben den Kardinalsymptomen Zyklusstörungen und Androgenisierung (Hirsutismus, Alopezie, Akne) bei über 50 % der Patientinnen ein erhöhter BMI. Folgeerscheinungen sind eine Dyslipidämie und Glucosestoffwechselstörungen.
In der fertilen Lebensphase bleibt ohne entsprechende Therapie der Kinderwunsch häufiger unerfüllt. Je schlanker eine Frau ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit trotz PCOS schwanger zu werden. Interessant ist, dass Frauen aus früheren Generationen eher einen Evolutionsvorteil durch ein PCO-Syndrom hatten. In Zeiten von allgemeiner Nahrungsknappheit ermöglichte die Insulinresistenz ein rasches Wiedereinsetzen von ovulatorischen Zyklen, sobald wieder ein umfassenderes Essensangebot bestand. Bei der derzeitigen Versorgungslage in den Industrienationen ist das Gegenteil zu verzeichnen. Knapp 50 % aller Patientinnen mit PCOS in den USA entwickeln ein metabolisches Syndrom.
Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie, Fehl- und Frühgeburtlichkeit sowie Gestationsdiabetes sind signifikant häufiger mit einem PCOS vergesellschaftet. Kardiovaskuläre Erkrankungen geraten in der Perimenopause zusätzlich zum altersabhängigen Risiko bei PCOS-Patientinnen in den Vordergrund. In allen Lebensphasen ist das Risiko für psychische Gesundheitsprobleme wie Depression, Angst- und Essstörungen sowie Erkrankungen im psychosomatischen Formenkreis erhöht.
Bei normalgewichtigen PCO-Patientinnen ohne Kinderwunsch kommen orale Kontrazeptiva mit antiandrogener Gestagenkomponente zum Einsatz. Eine zusätzliche antiandrogene Therapie sollte frühestens sechs Monate nach erfolgloser Behandlung mit oralen Kontrazeptiva eingeleitet werden. Auch dermatologische bzw. kosmetische Therapieansätze von Hirsutismus, Alopezie und Akne sind möglich.
Bei adipösen PCO-Patientinnen ist eine Gewichtsreduktion unbedingt anzustreben. Bei Kinderwunsch erhöht sich hierdurch die Chance auf eine Schwangerschaft und die Risiken für Komplikationen werden reduziert. Ergänzend zu körperlicher Aktivität und einer Ernährungsumstellung kann Metformin im Off-Label-Use verordnet werden, was insbesondere bei einem BMI > 30 zielführend ist. Dadurch wird der Glucosestoffwechsel normalisiert und eine Zyklusregulierung mit Ovulationen wiederhergestellt. Grundsätzlich muss man bei PCO-Patientinnen von einem drei- bis fünffach erhöhtem Risiko für eine Glukosestoffwechselstörung ausgehen. Kombinationen aus Clomifen oder Letrozol – ebenfalls im Off-Label-Use – werden ebenfalls in der Kinderwunschbehandlung eingesetzt.
Bei ausbleibendem Erfolg kann als Second-line eine Stimulation mit Gonadotropinen sinnvoll sein. Laparoskopische Operationen an den Ovarien, auch als ovarielles Drilling bezeichnet, sorgen für die Entfernung überschüssiger Follikel und gelten als weitere Therapieoption. Weiterhin sind reproduktionsmedizinische Verfahren wie IVF oder ICSI einsetzbar. In der Schwangerschaft gilt erhöhte Wachsamkeit auf Komplikationen wie Gestationsdiabetes, Präeklampsie und Frühgeburtlichkeit. Perimenopausal und darüber hinaus stehen internistische Krankheitsbilder wie Hypertonie, Diabetes mellitus, Herzinfarkt oder Apoplex bei PCO-Patientinnen im Vordergrund.
Patientinnen mit PCO-Syndrom sind nicht nur ein Fall für die Gynäkologie, Reproduktionsmedizin und Geburtshilfe. Hier ist genauso die Expertise von Allgemeinmedizinern, Internisten und Endokrinologen gefragt. Auch in der Psychiatrie und Psychosomatik sollte das Krankheitsbild bei entsprechenden Symptomen in Betracht gezogen werden.
Damit Patientinnen nicht allein von den sozialen Netzwerken, sondern im persönlichen Gespräch medizinisch gut beraten sind.
Quellen
Hofmann,K., Theis,S.; Polyzystisches Ovarsyndrom, Lebensqualität und PCOS; Frauenarzt (9/2023); S. 599–601.
LADR informiert; Polyzystisches Ovarsyndrom (PCO-Syndrom); Nr. 305, 11/2020.
Lenzen-Schulte, Martina; Geschichte der PCOS-Frauen: Evolutionsvorteil als Fertilitätsfalle; Dtsch Arztebl 2023; 120(43): A-1784 / B-1521.
Sonntag, Barbara; Endokrinologie und Reproduktion: Das Polyzystische Ovarialsyndrom ist mehr als nur eine Zyklusstörung; Dtsch Arztebl 2023; 120(43): A-1780 / B-1518.
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