Während der Schwangerschaft kann die Migräneprophylaxe und Akuttherapie für Mutter und Kind gefährlich werden – was könnt ihr zweifellos verschreiben? Hier gibt’s die neuesten Infos vom DGN-Kongress.
Kopfschmerzen sind weit verbreitet und wohl jeder war selbst schon mal betroffen. Laut dem Robert Koch Institut (RKI) geben 57,5 % der Frauen und 44,4 % der Männer an, im letzten Jahr mindestens einmal Kopfschmerzen gehabt zu haben. Aber: Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz. Die zwei häufigsten Kopfschmerzerkrankungen in Deutschland sind Migräne (14,8 % aller Frauen, 6 % aller Männer betroffen) und Spannungskopfschmerz (10,3 % aller Frauen, 6,5 % aller Männer betroffen). Überwiegend trifft es dabei Menschen im erwerbsfähigen Alter – und somit auch Frauen, die ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen haben.
„Die häufigste Kopfschmerzerkrankung bei jungen Frauen ist Migräne. Und die tritt bei ungefähr 18–20 % der Frauen im gebärfähigen Alter auf. Die Frage ist: Wann wird die Migräne eine echte Erkrankung? Sobald sie die Lebensqualität beeinträchtigt – und das ist wahrscheinlich bei 20 % der Betroffenen der Fall“, sagt Prof. Uwe Reuter, Facharzt für Neurologie, Ärztlicher Vorstand Universitätsmedizin Greifswald (UMG).
Frauen mit Migräne und Kinderwunsch müssen während der Schwangerschaft auf viele Medikamente, Schmerzmittel und Migräneprophylaxen verzichten. Das sei in vielen Fällen aber gar kein besonders großes Problem, da sich Migränekopfschmerzen vor allem im 2. und 3. Trimenon stark bessern oder sogar komplett nachlassen können. Außerdem würden viele Präventivmaßnahmen, die Schwangeren sowieso empfohlen werden, auch gegen Migräneattacken vorbeugen. Darunter fallen: Entspannungstechniken, ausreichend Schlaf, progressive Muskelentspannung, Bewegung sowie regelmäßiges Essen und Trinken. Dennoch gibt es trotzdem Frauen, die während der Schwangerschaft unter Migräne leiden – und dabei muss einiges beachtet werden.
Frauen, die bereits eine Migräneprophylaxe einnehmen, sollten diese im besten Fall frühzeitig vor der Konzeption absetzen. Das sieht auch Prof. Reuter so: „Wenn man einen konkreten Kinderwunsch hat, sollte man die Migräne-Prophylaxe absetzen. Es gibt zwar einige Prophylaxen, die man in der Schwangerschaft nehmen kann, aber nicht viele.“ Reuter nennt hier beispielsweise Betablocker oder Amitriptylin als mögliche Optionen. „Die sind prinzipiell indiziert und wir wissen auch, dass sie eigentlich nicht gefährlich sind für Mutter und Kind. […] Trotzdem kann das Kind – wenn Betablocker über lange Zeit in der Schwangerschaft eingenommen werden – anfangs etwa Probleme mit der Atmung haben – und das will man letztendlich ja auch nicht.“ Neben Betablockern können auch trizyklische Antidepressiva, bevorzugt Amitriptylin, zur Prophylaxe eingesetzt werden. Trotzdem sollten immer zuerst nichtmedikamentöse Ansätze versucht werden.
Es gibt aber auch Prophylaxen, bei deren Einnahme eine Schwangerschaft unbedingt vermieden werden sollte. Hierzu zählen Valproinsäure und Topiramat. Erst kürzlich warnte das BfArM in einem Rote Hand Brief ausdrücklich vor der Exposition mit Topiramat in der Schwangerschaft (DocCheck berichtete). „Bei diesen Prophylaxen ist es dringend notwendig, Kontrazeption zu betreiben. Bei den monoklonalen Antikörpern gegen den CGRP-Rezeptor ist es auch so, dass sie ungefähr nach drei Monaten durch die Plazenta aktiv hindurch treten und dann Entwicklungsstörungen beim Kind verursachen können – theoretisch.“ Allerdings sind hier die Fallzahlen sehr klein und diese Erkenntnisse basieren zum großen Teil auf experimentellen Daten. Trotzdem wird Schwangeren jedenfalls von diesen Behandlungen abgeraten.
Migräneprophylaxen sind also ein heikles Thema, aber wie sieht es mit der Akuttherapie während der Schwangerschaft aus? Hier gibt es deutlich mehr Optionen – allerdings abhängig vom Trimenon. „Es ist total wichtig, dass man sich darüber klar wird, ob man einen Kinderwunsch hat oder nicht. Denn in der Schwangerschaft muss die Akuttherapie angepasst werden“, sagt Reuter. „Im 1. und 2. Trimenon sind zur Akutbehandlung Aspirin®, Ibuprofen und Metamizol geeignet. Im letzten Drittel der Schwangerschaft sollte man die alle aber nicht mehr einnehmen.“ Im dritten Trimester würde man dann am ehesten zu Triptanen raten. Sumatriptane sind dabei am besten untersucht.
Während der Stillzeit entspannt sich die Lage für viele Migränepatientinnen. Offenbar scheint das Stillen einen schützenden Effekt zu haben – das konnte aber bisher noch nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen werden. Für die Frauen, die trotzdem unter Migräne leiden, kann die Prophylaxe auch direkt nach der Geburt wieder gestartet werden. Betablocker können beispielsweise gut gegeben werden. Monoklonale Antikörper sind zwar kontraindiziert, das beruhe laut Reuter allerdings eher auf fehlenden Studiendaten, als auf bewiesenen Problemen.
Besteht ein konkreter Kinderwunsch, sollte die Migränebehandlung also unbedingt mitgedacht werden. Sowohl bei Prophylaxe als auch in der Akutbehandlung gibt es Alternativen, die während einer Schwangerschaft eingesetzt werden können. Generell sollte Frauen, die aktiv eine Migräneprophylaxe betreiben, zur Kontrazeption geraten werden. Bei akutem Kinderwunsch muss die Medikamentation entsprechend angepasst werden.
„Frauen mit Migräne sollten keine Angst haben, schwanger zu werden, weil die Migräne typischerweise während der Schwangerschaft besser wird – und zwar bei 50–80 %. Nur bei 8 % der Patientinnen verschlechtert sich die Migräne“, sagt Reuter. Das Wichtigste sei aber, die Optionen im Vorhinein mit den Patientinnen zu besprechen, das würde viele Unsicherheiten beseitigen.
Bildquelle: Jonathan Borba, Unsplash