Die Vorstufen von hellem Hautkrebs können schon jetzt topisch behandelt werden – allerdings mit vielen Nebenwirkungen. Ein neues Gel könnte eine sanfte Alternative sein.
Das Plattenepithelkarzinom ist eine Form des hellen Hautkrebses und nach dem Basalzellkarzinom der zweithäufigste bösartige Tumor der Haut. So waren im Jahr 2016 in Deutschland 21 % der über 65-Jährigen von einem Plattenepithelkarzinom betroffen. In 65 bis 72 % der Fälle entwickelt sich der Tumor aus rauen, fest haftenden, rötlichen oder hautfarbenen Stellen der Haut – der so genannten aktinischen Keratose. Sie entsteht durch genetische Veränderungen in den Hautzellen, die durch anhaltende UV-Strahlung ausgelöst werden. Am häufigsten tritt sie am Kopf und Hals, etwas seltener an Händen, Armen oder Beinen auf. Die Hautveränderungen sind eine Vorstufe oder ganz frühe Stufen des Plattenepithelkarzinoms – daher sollten sie behandelt werden.
Um den Übergang der aktinischen Keratose in ein Plattenepithelkarzinom zu verhindern, gibt es verschiedene Behandlungsansätze. Neben einer operativen Entfernung der veränderten Hautstellen können die Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff, die photodynamische Therapie (PDT), die Lasertherapie oder medizinische Wirkstoffe in Form von Cremes oder Gels eingesetzt werden. Dabei kommen das Krebsmedikament 5-Fluorouracil, der Immunmodulator Imiquimod oder das nichtsteroidale Antirheumatikum Diclofenac zur Anwendung. Allerdings können diese Wirkstoffe zu Schmerzen und anderen Nebenwirkungen führen – daher können sie häufig nicht über längere Zeit angewendet werden.
Nun hat ein Forscherteam um Kavita Sarin vom Stanford University Medical Center in Stanford (USA) ein Gel entwickelt, das lokal angewendet wird und in Untersuchungen an Mäusen das Fortschreiten der aktinischen Keratose in ein Plattenepithelkarzinom verhindern konnte. Das Gel besaß eine geringe Toxizität und war gut verträglich. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine erschienen.
Ziel der Studie war es, ein neues, wirksames und zugleich gut verträgliches Medikament gegen die Entstehung eines Plattenepithelkarzinom zu entwickeln. Dazu führten Sarin und ihr Team zunächst ein systematisches Drug Repurposing durch: eine Analyse, ob sich bereits zugelassene Medikamente zur Behandlung anderer Erkrankungen eignen. Dabei stießen sie auf das bereits zugelassene Medikament Selumetinib, das bei Neurofibromatose Typ 1, einer genetischen Erkrankung des Nervensystems eingesetzt wird. Es handelt sich um einen so genannten MEK-Inhibitor, der den Signalweg der MAP-Kinasen MEK1 und MEK2 hemmt (MAP steht dabei für mitogen-aktiviertes Protein). Die Analyse sagte voraus, dass Selumetinib molekulare Signaturen, die mit der Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms zusammenhängen, hemmen könnte.
Da systemische MEK-Inhibitoren relativ toxisch sind und zu schweren Nebenwirkungen wie Hautausschlägen, Dermatitis, Magen-Darm-Symptomen und in manchen Fällen zu Herzinsuffizienz führen können, entwickelte das Forscherteam einen abgewandelten MEK-Hemmer namens NFX-179, der den MEK-Signalweg in der Haut gezielt und effektiv hemmt und zugleich relativ schnell abgebaut wird. Diesen überführten sie in ein topisches Gel.
Anschließend wendeten sie den neuen Wirkstoff auf der Haut von Mäusen an, die ultraviolettem Licht ausgesetzt waren. Dadurch verringerte sich die Neubildung von Plattenepithelkarzinomen um 60 %. Weiterhin beobachtete das Forscherteam, dass die Wirkung dosisabhängig war, dass das Gel gut verträglich war und dass es keine Auswirkungen auf anderen Bereiche der Haut hatte. In einer Zellkultur verlangsamte NFX-179 das Wachstum von menschlichen Plattenepithelkarzinom-Zellen und in Proben mit lebendem Gewebe durchdrang das Gel gesunde menschliche Haut sowie Plattenepithelkarzinom-Gewebe.
„Zusammengefasst liefern unsere Ergebnisse überzeugende Hinweise, dass das neu entwickelte Gel eine effektive Behandlungsmethode zur Vorbeugung der Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms sein könnte“, berichtet Sarin. „Allerdings sind weitere Studien notwendig, um die Wirksamkeit und Sicherheit bei Menschen zu überprüfen und die am besten geeignete Dosierung zu finden. Anschließend könnte der neue Wirkstoff in die klinische Praxis überführt werden.“
Insgesamt macht das Plattenepithelkarzinom etwa ein Viertel der hellen oder nicht-melanotischen Hauptkrebserkrankungen (non-melanoma skin cancer, NMSC) aus. Es bildet zwar seltener Metastasen als das maligne Melanom (schwarzer Hautkrebs) und gilt daher als weniger gefährlich. Auch wird es als relativ gut behandelbar angesehen – vor allem, wenn die Hautveränderungen frühzeitig entdeckt und behandelt werden. Allerdings können Plattenepithelkarzinome in das umliegende Gewebe einwachsen und dieses zerstören. In einigen Fällen kommt es auch zur Bildung von Metastasen, die die Haut, die Lymphknoten und die Lunge, seltener das Gehirn, die Leber und die Knochen betreffen können.
Allerdings ist die Häufigkeit des Plattenepithelkarzinoms in den letzten 30 Jahren um das Vierfache gestiegen. Besonders gefährdet sind Menschen mit hellem Hauttyp und Menschen mit geschwächtem Immunsystem, etwa durch eine Behandlung mit Immunsupressiva. Außerdem kommt heller Hautkrebs mit zunehmendem Alter deutlich häufiger vor. Eine aktuelle Studie ergab jetzt, dass nicht-melanotische Hauptkrebserkrankungen inzwischen weltweit zu mehr Todesfällen führen als das maligne Melanom. Die Studie wurde am 11. Oktober beim Kongress der European Academy of Dermatology and Venerology (EADV) in Berlin vorgestellt. Grundlage waren unter anderem Daten der International Agency for Resarch on Cancer (IARC) der World Health Organisation (WHO).
Demnach wurden im Jahr 2020 fast 1,2 Millionen Fälle von hellem Hautkrebs und 324.635 Melanom-Fälle registriert. „Dabei führte nicht-melanotischer Hautkrebs zu 63.731 Todesfällen, das maligne Melanom im gleichen Zeitraum zu 57.043 Todesfällen“, berichtet Prof. Thierry Passeron, Hauptautor der Studie, an der auch Mitarbeiter der Firmen L’Oréal und La Roche-Posay beteiligt waren. Passeron ist Leiter der Abteilung Dermatologie – Vénérologie am Centre Hospitalier Universitaire der Université Côte d’Azur in Nizza (Frankreich).
Ein hohe Melanom-Häufigkeit war vor allem in Europa, den USA und Australien zu beobachten. Gruppen mit erhöhtem Risiko waren die ältere Bevölkerung, Patienten nach Organtrasplantationen mit stark geschwächtem Immunsystem, Menschen mit hellem Hauttyp und Patienten mit der Hauterkrankung Xeroderma pigmentosum (XP). Allerdings kam es auch in Ländern, in denen ein dunkler Hauttyp vorherrscht, zu Hautkrebs-Todesfällen: So wurden 2020 in Afrika 11.281 Todesfälle durch Hautkrebs erfasst. Personen, die im Freien arbeiten, hatten laut der Studie ein höheres Risiko, an hellem Hautkrebs als an einem malignen Melanom zu erkranken.
„Nicht-melanotischer Hautkrebs ist zwar weniger tödlich als das Melanom, kommt aber deutlich häufiger vor“, sagt Passeron. „Im Jahr 2020 machten nicht-melanotische Hautkrebsformen 78 Prozent aller Hautkrebs-Fälle aus.“ Dabei vermuten die Wissenschaftler, dass die Zahl der Menschen mit hellem Hautkrebs noch unterschätzt wird und deutlich höher liegen könnte. So wird heller Hautkrebs bzw. seine Vorstufen von Ärzten und von den Betroffenen häufig übersehen oder erst relativ spät bemerkt. „Auch heller Hautkrebs kann tödlich sein“, betont Passeron. „Daher ist es wichtig, effektive Strategien zu entwickeln, um Todesfälle bei allen Arten von Hautkrebs zu reduzieren.“
Ein Ansatz könnte darin bestehen, dass Hautärzte und auch Allgemeinärzte besser darin geschult werden, verdächtige Hautveränderungen frühzeitig zu erkennen, so die Autoren. Weiterhin sollte die Bevölkerung verstärkt über die Risiken von anhaltender Sonnenexposition und über geeignete Schutzmaßnahmen aufgeklärt werden. So ist die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung der aktinischen Keratose ein konsequenter Schutz vor UV-Strahlung, etwa durch Kleidung oder Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor. „Weiterhin sollten Risikogruppen wie ältere Menschen, Menschen mit hellem Hauttyp, Menschen mit beeinträchtigtem Immunsystem oder Personen, die im Freien arbeiten, besonders über ihr erhöhtes Hautkrebs-Risiko und entsprechende Schutzmaßnahmen aufgeklärt werden “, so Passeron.
Quellen:
Sarin et al. Development of a MEK inhibitor, NFX-179, as a chemoprevention agent for squamous cell carcinoma. Sci Transl Med, 2023. doi: 10.1126/scitranslmed.ade1844
Salah et al. A comprehensive analysis of global skin cancer incidence and mortality with a focus on dermatologist density and population risk factors. Abstract zur Studie, vorgestellt auf dem Kongress der European Academy of Dermatology and Venerology (EADV) in Berlin, Okt. 2023.
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