Ob Cola oder Bonbons – Zucker steht im Verdacht, die Entstehung von Nierensteinen zu begünstigen. Ein Thiaziddiuretikum soll Abhilfe schaffen, tut es aber nicht. Unser Urolithiasis-Update.
Rund 5 % der Menschen in Deutschland leiden an Nierensteinen. Die Nephrolithiasis beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität, sondern kann auf lange Sicht auch zu Infektionen, Hydronephrose und Niereninsuffizienz führen. Zu den bekannten Risikofaktoren für die Entstehung von Nierensteinen gehören unter anderem Fettleibigkeit, chronischer Durchfall und das Vorhandensein von entzündlichen Darmerkrankungen, Diabetes oder Gicht. Möglicherweise gehört der erhöhte Konsum von zugesetztem Zucker ebenfalls dazu, wie die Ergebnisse einer Studie in Frontiers in Nutrition vermuten lassen. Das klingt einleuchtend, hat aber bis dato niemand untersucht.
Die Forscher analysierten darin Daten von über 28.000 Erwachsenen, die zwischen 2007 und 2018 im Rahmen der Nationalen Untersuchung zur Gesundheit und Ernährung der USA (NHANES) gesammelt wurden. Der tägliche Zuckerkonsum jedes Teilnehmers wurde anhand ihrer Angaben zu ihrer letzten Nahrungsaufnahme geschätzt, die zweimal abgefragt wurde. Die Teilnehmer wurden beispielsweise gefragt, ob sie in den letzten 24 Stunden Sirup, Honig, Dextrose, Fruktose oder reinen Zucker gegessen hatten. Die Ernährungsweise jedes Teilnehmers wurde anhand eines Scores eingeschätzt, der Ernährungskomponenten wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukten sowie raffiniertes Getreide, Natrium und gesättigten Fettsäuren beinhaltete. Der durchschnittliche tägliche Verbrauch der Teilnehmer an zugesetztem Zucker betrug etwa 272 Kalorien.
Das Ergebnis: Teilnehmer mit dem höchsten Zuckerkonsum hatten ein um 39 % höheres Risiko, im Verlauf der Studie Nierensteine zu entwickeln verglichen mit jenen, die am wenigsten Zucker zu sich nahmen. Darüber hinaus hatten Probanden, deren Zuckerkonsum mehr als ein Viertel ihrer täglichen Gesamtkalorienaufnahme ausmachte, ein um 88 % erhöhtes Risiko, Nierensteine zu entwickeln, verglichen mit Teilnehmern, die weniger als 5 % ihrer Gesamtenergie aus zugesetztem Zucker bezogen.
„Unsere Studie ist die erste, die einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von zugesetztem Zucker und Nierensteinen aufzeigt“, sagt Hauptautor Dr. Shan Yin. „Es legt nahe, dass eine Begrenzung des Konsums von zugesetztem Zucker dazu beitragen kann, die Bildung von Nierensteinen zu verhindern.“
Zwar handelt sich hierbei um eine unkontrollierte Beobachtungsstudie, die keine Rückschlüsse auf die Ursache zulässt und mögliche unerkannte Störfaktoren diese Assoziation beeinflusst haben könnten. Dennoch biete die Studie bereits wertvolle Erkenntnisse, meint Yin. „Es sind weitere Studien erforderlich, um den Zusammenhang zwischen zugesetztem Zucker und verschiedenen Krankheiten oder pathologischen Zuständen im Detail zu untersuchen“, so Yin. „Zum Beispiel, welche Arten von Nierensteinen stehen in stärkerem Zusammenhang mit dem Konsum von zugesetztem Zucker? Wie stark sollten wir unseren Konsum von zugesetztem Zucker reduzieren, um das Risiko der Bildung von Nierensteinen zu verringern?“
Wie jeder weiß, gehört die Einschränkung des Zuckerkonsums definitiv zu einer gesunden Ernährungsweise dazu – und die dient auch als Basis für die Sekundärprophylaxe von Nierensteinen. Denn meist bleibt es nicht bei einem Stein. Fast die Hälfte der Patienten erleidet unbehandelt innerhalb der nächsten 10 Jahre ein Rezidiv.
Neben einer Ernährungsumstellung empfiehlt die Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) auch die Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr, eine Gewichtsnormalisierung und körperliche Aktivität. Bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko reicht das aber meist nicht aus. Dann kommen standardmäßig Thiaziddiuretika zum Einsatz – eine seit Jahrzehnten bewährte Praxis. Oder muss sie überdacht werden?
Eine kürzlich im NEJM erschienene Studie zweifelt nämlich an der Wirksamkeit dieser Medikamente. Darin zeigte Hydrochlorothiazid (HCT) zur Sekundärprophylaxe von Calciumoxalatsteinen nämlich keinen klaren Vorteil verglichen mit Placebo: Die Rezidivhäufigkeit war in den Gruppen beinahe gleich. Außerdem gab es in der Verumgruppe häufiger Nebenwirkungen wie Hypokaliämie, Diabetes und Gicht. Für die Autoren der Studie ist klar: Es müssen neue Medikamente zur Nierensteinprophylaxe her. Das dürfte allerdings noch einige Zeit dauern.
Quellen:
Yin et al. Association between added sugars and kidney stones in U.S. adults: data from National Health and Nutrition Examination Survey 2007–2018. Front Nutr, 2023. doi: 10.3389/fnut.2023.1226082
Dhayat et al. Hydrochlorothiazide and prevention of kidney-stone recurrence. N Engl J Med, 2023. DOI: 10.1056/NEJMoa2209275
Bildquelle: Erstellt mit Midjourney