Eisenmangel ist das häufigste Mikronährstoff-Defizit weltweit. Also einfach supplementieren? So leicht ist es mal wieder nicht – denn Eisen-NEM können das Mikrobiom durcheinanderbringen. Worauf Ärzte achten sollten, lest ihr hier.
Bei durch Malnutrition oder Malabsorption bedingtem Eisenmangel gehört die orale Eisen-Supplementierung zur Standardtherapie. Wenn da nur nicht die teils heftigen Magen-Darm-Irritationen wären, die auch durch Trial-and-Error mit zig Präparaten oft nur schwer in den Griff zu bekommen sind. Sträubt sich das Darm-Mikrobiom gegen die metallige Attacke?
Mit mehr als zwei Milliarden Menschen – entsprechend einer globalen Prävalenz von etwa 25 Prozent – ist der Eisenmangel das häufigste, allerdings sehr ungleich verteilte Mikronährstoff-Defizit weltweit. Während in Entwicklungsländern etwa 40 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, weist in Industrienationen wie Deutschland etwa jeder zehnte bis zwanzigste erniedrigte Gesamteisenwerte auf, was aber nicht zwangsläufig mit typischen Symptomen assoziiert sein muss. In Risikokohorten wie jungen Frauen, Schwangeren, vegan Lebenden, Hochleistungssportlern bzw. Kombinationen davon liegen die Prävalenzwerte zum Teil merklich höher.
Für etwa die Hälfte aller Anämien wird ein Eisenmangel als ursächlich angesehen. Lässt sich der Eisenstatus allein durch alimentäre Anpassungen nicht hinreichend verbessern, geht der Weg gewöhnlich über die ärztlich kontrollierte Supplementierung. Trotz der Vielfalt an Eisen(II)- und (deutlich weniger) vegan-opportunen Eisen(III)-Präparaten hat das Problem sehr häufiger gastrointestinaler Beschwerden wie Diarrhoe, Obstipation, Abdominalschmerz, Inappetenz und Nausea nach wie vor Bestand. Seitdem die Darmflora unter der moderneren Bezeichnung Darm-Mikrobiom deutlich stärker in den Mittelpunkt des medizinischen Interesses gelangt ist, fokussiert sich die Suche nach den Ursachen der Beschwerden auf die Zusammensetzung und quantitative Veränderung der mikrobiellen Darmbewohner.
Die besondere Bedeutung einer hinreichenden Eisenversorgung liegt in den vielfältigen, weit über die Sauerstoffbindung im Hämoglobin/Myoglobin hinausgehenden Funktionen. Die zahlreichen Eisen-abhängigen Enzyme, etwa im Energiestoffwechsel (mitochondriale Cytochrome, Elektronentransport der Atmungskette), bei der Synthese von DNA, von Neurotransmittern und Steroidhormonen, im Immunsystem (Stickoxid-Synthese) oder bei der Entsorgung freier Radikal-Überschüsse (Peroxidase, Katalase), rechtfertigen auch die Beachtung eines (noch) asymptomatischen Unterversorgungsstatus. Oft bleibt ein Eisenmangel, der „nur“ das Speichereisen (Ferritin) betrifft, unbemerkt. Erst wenn durch weitgehend entleerte Depots der Eisennachschub für die Hämoglobin-/Myoglobinsynthese ins Stocken gerät, verspüren Betroffene typische Erschöpfungssymptome.
Ein Überblick:
Aus den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) oder dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gelieferten Referenzwerten genaue Empfehlungen für die alimentäre Eisenaufnahme abzuleiten, wird durch die Vielzahl von Faktoren erschwert, die auf die individuelle Eisenresorption Einfluss nehmen. Alter, Schwangerschaft, körperliche Aktivität, Vorerkrankungen (bspw. entzündliche Darmerkrankungen) und die Eisenresorption hemmende Medikamente (z. B. PPI) gehören in diesen Kreis.
Zudem muss mit der Popularitätszunahme restriktiver Ernährungsmodelle der unterschiedlichen Verwertbarkeit von Häm-Eisen (zweiwertig, tierisch) und dem im neutralen/alkalischen Milieu der Resorptionsorte (Duodenum, Jejunum) schwerlösliche Komplexe bildenden Nicht-Häm-Eisen (dreiwertig, pflanzlich) stärkere Beachtung geschenkt werden. Die Notwendigkeit von Supplementierungen in verschiedenen Subkohorten gewinnt somit an Bedeutung. Damit steigt aber auch das Risiko für „iatrophobe“ Do-it-yourself-Konsumenten, durch unkontrollierte „Viel-hilft-viel“-Supplementierung längerfristig eine Eisen-Intoxikation, welche die körpereigene, Hepcidin-gesteuerte Aufnahmeregulation überfordert, zu provozieren.
Da die Resorptionsrate für oral zugeführtes Eisen je nach Nahrungsquelle und Oxidationsstufe bei lediglich 5 bis 20 Prozent liegt – vermutlich eine evolutionäre Anpassung an die Intoxikationsrisiken – kann bei hoher Eisenaufnahme der im Darmlumen verbleibende Überschuss einiges an Beschwerden und auch Schaden anrichten. So wird nach heutigem Kenntnisstand auch die Initiation und Progression kolorektaler Karzinome mit längerfristig überhöhter Eisenaufnahme in Verbindung gebracht. Daher rät das BfR vom regelmäßigen Verzehr von mit Eisen angereicherten Lebensmitteln ebenso ab wie von Eisen-Supplementierungen, die nicht medizinisch indiziert und ärztlich kontrolliert sind.
Mehrere Übersichtsarbeiten (Rusu I.G. et al., Nielsen, P.) haben die aktuelle Datenlage zu qualitativen und quantitativen Auswirkungen oraler Eisen-Supplementierung auf das Darmmikrobiom und mögliche Assoziationen zu den typischen gastrointestinalen Symptomatiken ins Visier genommen. Durch den hohen Anteil des nicht resorbierten, im Darmlumen verbleibenden Nahrungseisens lässt sich erklären, dass bereits therapeutische Supplementdosen bei einem Großteil der Konsumenten gastrointestinale Symptome unterschiedlichen Schweregrades auslösen. Je höher dabei die Bioverfügbarkeit und damit die Eisenresorption in den oberen Dünndarmabschnitten ist, desto weniger Eisen gelangt in tiefere Darmregionen, um dort mit Eisen-metabolisierenden Mikroben zu interagieren. Eine Vielzahl eisenabhängiger, potenziell pathologischer Darmmikroben synthetisieren Siderophore, die es ihnen ermöglichen, auch im alkalischen Milieu tiefer Dünndarmregionen fest gebundenes Eisen aus seinen Komplexen zu lösen. Damit erhalten sie einen deutlichen, ihre ungezügelte Vermehrung fördernden Selektionsvorteil gegenüber nützlichen Darmbewohnern wie Lactobazillen und Bifidobakterien, die nicht zur Eisennutzung befähigt sind.
Ob eine so generierte Dysbiose hauptverantwortlich für die individuell sehr unterschiedlichen Beschwerdeintensitäten ist, bleibt fraglich, da die genauen Mechanismen in ihrer vermutlich sehr viel weitreichenden Komplexität noch nicht verstanden sind. So weist Prof. Peter Nielsen, Leiter der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Eisenstoffwechsel am UKE Hamburg, auf die mögliche Eisenstimulierung methanogener Bakterien hin. Die durch das vermehrt freigesetzte Methan induzierte Verlangsamung der Darmmotilität könnte für Obstipationsbeschwerden bei Eisen-Supplementierungen verantwortlich sein – ein Zusammenhang, der bereits 2006 von Pimentel et al. beschrieben wurde.
Die Vielzahl an OCT- und rezeptpflichtigen Eisenpräparaten ist Fluch und Segen zugleich. Da das Eisen in unterschiedlichen Verbindungen (Sulfat, Gluconat, Fumarat, Phosphat, Ascorbat, Bisglycinat u. a.) angeboten wird, ist es sehr schwierig, Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich Verträglichkeit und Eignungskriterien (welches Präparat für wen?) abzuleiten. Andererseits bietet die breite Palette gute Chancen für ein mitunter langwieriges, aber letztlich erfolgreiches Trial-and-Error bei der Findung eines gleichermaßen bekömmlichen wie wirksamen Präparats. Als Ultima Ratio bleibt die bei schweren Eisenmangelanämien ohnehin angezeigte, Mikrobiom-freundliche Infusion, wenngleich sie in Patientenkreisen nicht sonderlich beliebt ist.
Hoffnungen werden in neuartige, etwa in Nanopartikel verpackte Eisenverbindungen gesetzt. Abzuwarten bleibt, wie gut der Balanceakt zwischen möglichst hoher Bioverfügbarkeit und möglichst geringer Irritation des Darm-Mikrobioms gelingen wird. Bis dahin bleibt die Eisenmangeltherapie ein Unterfangen, das eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation und mitunter einiges an Geduld und Resilienz erfordert.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney