Auch Monate nach ersten Fallberichten klingt die Ebola-Epidemie in Westafrika nicht ab. Forscher arbeiten unermüdlich an neuen Therapien. Sie haben mehrere Ansatzpunkte gefunden, um das tödliche Virus zu besiegen. Ihnen wird es aber kaum gelingen, ausreichende Wirkstoffmengen zu produzieren.
Virologen der Weltgesundheitsorganisation WHO ziehen Bilanz. Bei der aktuellen Epidemie gab es 1.528 bestätigte Erkrankungsfälle und 844 Todesfälle durch Ebola. Unter den Toten befinden sich auch mehr als 120 Ärzte beziehungsweise Pfleger. Als Gründe nennt die Behörde schlechte Ausstattung und Überforderung der Teams vor Ort. Die Lage bleibt angespannt.
David Nabarro, UN-Sonderbeauftragter zur Bekämpfung von Ebola, sieht keinen Silberstreif am Horizont. Vielmehr breite sich die Krankheit immer weiter aus, sagte er bei einem Pressegespräch. Um Ebola erfolgreich einzudämmen, wären „globale Partnerschaften“ nötig. Kollegen kritisieren zwischenzeitlich das WHO-Krisenmanagement. Peter Piot, der zusammen mit Kollegen Ebola 1976 im damaligen Zaire entdeckt hatte, sagt: „Ungeachtet aller Anforderungen von MSF (Ärzten ohne Grenzen) ist die WHO nicht vor Juli aufgewacht.“ Bereits im März sei warnend darauf hingewiesen worden, dass sich seit Dezember 2013 eine Ebola-Epidemie entwickle. Der Wissenschaftler hält weitaus schlimmere Folgen für denkbar: Seit sechs Monaten braue sich etwas zusammen, was man einen „perfekten Sturm“ nennen könne. Westliche Länder seien Piot zufolge aber nicht bedroht. Um alle Infizierten zu behandeln, wären Therapeutika für mehr als 30.000 Personen erforderlich, schätzt Oliver Brady von der Universität Oxford. Entsprechende Kontingente lassen sich derzeit nicht bereitstellen.
In letzter Zeit hatten erkrankte Ärzte und Pfleger mehrfach ZMapp™ erhalten. Dieser Antikörper-Cocktail enthält mehrere Komponenten: ZMAb von Defyrus und MB-003 von Mapp Biopharmaceutical. Größere Mengen stehen aufgrund langwieriger Herstellungsprozesse in transgenen Tabakpflanzen erst mittelfristig zur Verfügung, und klinische Tests am Menschen gibt es bislang nicht. Als weitere Waffe gegen Ebola könnte sich neuen Studien zufolge Favipiravir von Toyama Chemical eignen. In den USA wird das Virustatikum bald zur Behandlung von Influenza zugelassen. Forscher am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg, konnten im Tierexperiment zeigen, dass Favipiravir bei Ebola wirksam ist – es fungiert als Inhibitor der RNA-Polymerase. Das Team um Stephan Günther arbeitete mit transgenen Mäusen, denen Gene für eine Interferon-Abwehr fehlten. Unbehandelte Tiere verendeten, während Nager, die an Tag sechs nach der Infektion behandelt wurden, überlebten. Begann die Pharmakotherapie erst am achten Tag, starben alle Mäuse. Hier zeigt sich das vergleichsweise kurze Zeitfenster. Ob Favipiravir besser als ZMapp™ wirkt, bleibt abzuwarten. Allerdings lässt sich das Virustatikum leichter in größerer Menge produzieren als der Antikörper-Cocktail.
Eine neue Studie entschlüsselt weitere Angriffspunkte. Wissenschaftler gingen anfangs der Frage nach, welche Strategien es gegen biologisch ähnliche Marburg-Viren gibt. Sie wählten den besonders aggressiven MARV-Angola-Stamm aus. Als Therapeutika kamen small interfering RNAs (siRNAs), also Nukleinsäuren, deren Sequenz zum viralen Genom komplementär ist, zum Einsatz. Bei der Basenpaarung entsteht durch RNA-Interferenz ein Doppelstrang, und Ebola-Gene werden nicht mehr abgelesen. Dem Konzern Tekmira Pharmaceuticals gelang es, siRNAs in Lipid-Carrier zu verpacken, um sie vor enzymatischen Abbaureaktionen zu schützen. Erhielten Rhesusaffen drei Tage nach der Infektion mit MARV-Angola-Viren siRNAs, überlebten sie, während Tiere einer Kontrollgruppe verendeten. Jetzt hoffen Wissenschaftler, dass RNA-Interferenzen bei verwandten Ebola-Viren ebenfalls funktionieren. Fragen zur Verfügbarkeit passender Nukleinsäuren für größere Patientenkollektive bleiben auch hier unbeantwortet.
Grund genug für Wissenschaftler, sich an eine altbewährte Strategie zu erinnern. Bereits 1976 gelang es Ärzten, einen Labormitarbeiter zu retten, der sich versehentlich infiziert hatte. Sie gaben ihm mehrfach ein Serum aus dem Blut rekonvaleszenter Patienten. Im Jahr 1995 überlebten einige Menschen im Kongo, da sie Bluttransfusionen von Überlebenden erhalten hatten. Das Problem: Hier handelt es sich lediglich um Fallberichte – größere Studien gibt es bislang nicht. Trotzdem steht die passive Immunisierung bei WHO-Forschern ganz oben auf ihrer Prioritätenliste. In der aktuellen Situation werden sie auf Tierexperimente verzichten – diese Zeit hat niemand mehr. Die Immunologin Eleanor N. Fish, sie arbeitet an der Universität von Toronto, setzt auf Interferone. Zwar fehlen auch hier detaillierte Studien zur Wirkung. Molekularbiologen haben jedoch eine These entwickelt. Sie führen die Pathogenität von Ebola-Viren darauf zurück, dass die körpereigene Interferon-Synthese gedrosselt wird. Bleibt noch der Königsweg, Patienten zu impfen. GlaxoSmithKline startet in Kürze eine Phase-I-Studie am Menschen, weitere Firmen stehen in den Startlöchern.