Ein Aortenklappenersatz kommt meist nicht ohne Nachteile für Patienten aus. Seit einiger Zeit wird deswegen ein jahrzehntealtes Operationsverfahren als moderne Alternative diskutiert. Was kann die Ross-Prozedur?
Eine Herzklappenerkrankung ist eine weit verbreitete Erkrankung, schätzungsweise 74 Millionen Patienten weltweit sind betroffen. Die Anzahl der Aortenklappenerkrankungen hat sich zwischen 1979 und 2009 verdreifacht. Seit vielen Jahren ist ein prothetischer Aortenklappenersatz der Goldstandard in der Behandlung. Man unterscheidet einen mechanischen und biologischen Aortenklappenersatz. Der ideale Aortenklappenersatz würde sich durch eine lange Haltbarkeit, Vermeidung von Antikoagulation und eine gute Klappenhämodynamik auszeichnen.
Beide Verfahren erfüllen diese Kriterien nicht vollständig. Aus diesem Grund wurde in letzter Zeit vermehrt die seit 1960 bekannte Ross-Operation als mögliche Behandlungsoption für Patienten mit einer Aortenklappenerkrankung diskutiert. Dabei wird die Aortenklappe durch die körpereigene Lungenarterienschlagader ersetzt. An ihrer Stelle wird entweder eine Homograft oder eine gerüstlose Bioprothese implantiert. Das Forscherteam um Maximiliaan L. Notenboom stellte in seiner Studie, aktuell veröffentlich in JAMA Cardiology, Langzeitdaten nach einer erfolgten Ross-Operation vor.
Eingeschlossen in die Studie wurden 216 erwachsene Patienten (Alter < 69 Jahre), die sich zur Behandlung einem Ross-Eingriff oder einem Homotransplantat der Aorta unterzogen aufgrund einer Aortenklappenerkrankung. Hierzu zählten auch Patienten mit einer aktiven Endokarditis, einer rheumatischen Aortenklappenerkrankung, einer reduzierten Ejektionsfraktion oder einer bereits stattgehabten Herzoperation. Patienten mit einem Marfan-Syndrom, einer rheumatoide Arthritis und einem Reiter-Syndrom wurden ausgeschlossen.
Es erfolgte eine zufällige Randomisierung auf eine der beiden Operationstechniken. Der Einschlusszeitraum war vom 1. September 1994 bis zum 31. Mai 2001. Es handelt sich um eine Single-Center-Studie am Royal Brompton & Harefield NHS Foundation Trust Hospital in London. Der Vergleich der beiden Operationstechniken wurde bereits in der Vergangenheit publiziert. Die aktuelle Studie bezieht sich ausschließlich auf den Langzeitverlauf von den Patienten mit Ross-Operation. Da es sich um eine Untersuchung zum Langzeitverlauf handelt, wurden weitere Daten nach 2010 retrospektiv erhoben.
Der primäre Endpunkt war das Langzeit-Überleben der Patienten, die sich dem Ross-Verfahren unterzogen hatten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, gematched hinsichtlich Alter, Herkunftsland und Geschlecht. Der sekundäre Endpunkt war die Freiheit von jeglichen Reinterventionen, Autotransplantat-Reinterventionen oder Homotransplantat-Reinterventionen. Ein Chirurg führte alle Ross-Eingriffe während des Einschlusszeitraums mit der gleichen Technik durch. Alle seriellen transthorakalen echokardiographischen Untersuchungen nach der Operation wurden im Harefield Hospital durchgeführt. Ausgewertet wurden 108 Patienten, die eine Ross-Operation erhalten hatten.
Hierbei handelte es sich um 16 weibliche Patientinnen (15 %) und 92 männliche Patienten (85 %). Das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren (Range 19–66 Jahre). Das Herkunftsland war bei 95 Patienten das Vereinigte Königreich (88 %), bei 6 Italien (6 %), bei 5 Griechenland (5 %). Zudem kamen jeweils ein/e Patient/in aus Ägypten und der Türkei (jeweils 0,9 %). Die Operationsindikation war bei 28 % (30 Patienten) eine Aortenklappenstenose, bei 45 % (49 Patienten) eine Aortenklappeninsuffizienz und bei 27 % (29 Patienten) ein kombiniertes Aortenklappenvitium. Bei 2 % (2 Patienten) lag eine Dilatation der thorakalen Aorta vor. Neun Patienten hatten eine aktive Endokarditis (8 %) und 45 (42 %) hatten bereits eine Klappenoperation in der Anamnese. Die mittlere klinische Nachbeobachtungszeit betrug 24,1 Jahre (IQR: 22,6–26,1 Jahre; 2.488 Patientenjahre), mit einer 98%igen Vollständigkeit der Nachuntersuchung. Es gab einen perioperativen Todesfall (0,9 %).
Während der Nachuntersuchung starben 16 Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Die Ursache der Todesfälle war in 11 Fällen (69 %) kardiologischer Natur; darunter 2 plötzliche Herztode und 3 Herzinsuffizienz-bedingte Todesfälle. An nicht kardialen Ursachen verstarben 3 Patienten und bei 2 Fällen blieb die Todesursache unklar. Die Überlebensrate nach 25 Jahren betrug 83 % (95 % KI: 75,5–91,2 %). Dies entspricht einem relativen Überleben von 99,1 % (95 % KI: 91,8–100 %) verglichen mit der Alters-, Herkunftsland- und Geschlechtsübereinstimmung der Allgemeinbevölkerung (Überlebensrate in der Allgemeinbevölkerung: 83,7 %). Bei 17 Patientenen (15,7 %) wurden 18 Aortenklappen-Reinterventionen durchgeführt.
Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 24,1 Jahren (IQR: 22,6–26,1 Jahre; 2.488 Patientenjahre) gab es einen Fall einer Autotransplantat-Endokarditis (0,04 % pro Jahr) und 9 Fälle von einer Homotransplantat-Endokarditis (0,36 % pro Jahr). Es konnten keine Spätblutungen, Thrombembolien, Klappenthrombosen und zerebrovaskuläre Ereignisse dokumentiert werden. Bei einer mittleren letzten Nachbeobachtungszeit von 24,6 Jahren (IQR: 23,2–26,2 Jahre) von 93 Patienten hatten 80 (86 %) eine NYHA-Klasse I oder II. Es kam zu einer Autotransplantat-Dilatation bei einigen, aber nicht bei allen Patienten. Die Autotransplantat-Dialtation war ausgeprägter, wenn sie in den ersten 11 Jahren nach der Ross-Operation auffiel, als wenn sie in den letzten 11 Jahren der Nachbeobachtung dokumentiert wurde.
Die Studie von Notenboom et al. ergab, dass das Ross-Verfahren durchführbar und sicher Verfahren ist. Das Überleben im dritten postoperativen Jahrzehnt war vergleichbar mit dem der Allgemeinbevölkerung. Die langfristige Freiheit von erneuten Eingriffen zeigte, dass das Ross-Verfahren ein dauerhafter Ersatz bis ins späte Erwachsenenalter sein kann. Einschränkend ist allerdings zu sagen, dass es sich um eine Single-Center-Studie handelt und alle Operationen von einem Operateur durchgeführt wurden. Zudem wurde nur eine relativ kleinen Anzahl von Patienten eingeschlossen. Eine Stärke der Studie ist sicherlich der lange Follow-up-Zeitraum.
Dr. Tsuyoshi Kaneko (Washington University School of Medicine, St. Louis) und Dr. Maral Ouzounian (University of Toronto) stimmen jedoch in einem begleitenden Leitartikel darin überein, dass die neue Studie mehrere Beobachtungen liefert, die die Begeisterung für das Ross-Verfahren abmildern könnten. Sie nennen die Verschlechterung der Aorteninsuffizienz im Laufe der Zeit; die allmähliche Erweiterung des Autotransplantats und eine Funktionsstörung der Neoaortenklappe und die potenziellen Risiken, die ein erneuter Eingriff mit sich bringt. Auch empfehlen sie, dass die Operation in Kompetenzzentren durchgeführt werden sollten, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und langfristige Ergebnisse zu optimieren. Trotz all dieser Vorbehalte sind sie jedoch fest davon überzeugt, dass die Ross-Operation die beste Option für einen Klappenersatz für junge, gesunde Patienten mit langer Lebenserwartung ist.
Quellen:
Coffey et al. Global epidemiology of valvular heart disease. Nat Rev Cardiol, 2021. doi: 10.1038/s41569-021-00570-z
Coffey et al. Lack of progress in valvular heart disease in the pre-transcatheter aortic valve replacement era: increasing deaths and minimal change in mortality rate over the past three decades. American Heart Journal, 2014. doi: 10.1016/j.ahj.2013.12.030
Lower et al. A study of pulmonary valve autotransplantation. Surgery, 1960. doi: 10.5555/uri:pii:0039606060901483
Notenboom et al. Long-Term Clinical and Echocardiographic Outcomes Following the Ross Procedure: A Post Hoc Analysis of a Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiology, 2023. doi: 10.1001/jamacardio.2023.4090.
El-Hamamsy et al. Long-term outcomes after autograft versus homograft aortic root replacement in adults with aortic valve disease: a randomised controlled trial. The Lancet, 2010. doi: 10.1016/S0140-6736(10)60828-8
The Longest Reported Outcomes of the Ross Procedure. JAMA Cardiology, 2023. doi: 10.1001/jamacardio.2023.4100
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