Für nicht-binäre Personen sind geschlechtsangleichende Operationen keine Kassenleistung, wie jetzt entschieden wurde. Was hinter den Operationen steckt und wie sie bei Mann und Frau aufgebaut sind, lest ihr hier.
Genderdysphorie betrifft Menschen, die das Gefühl haben im falschen Körper zu stecken. Das kann zu einem enormen Leidensdruck führen bis hin zu Depression, Angststörungen, Selbstverletzungen und Suizid. Besonders trans Personen sind davon betroffen. Wenn alle nicht-invasiven Optionen diesen Leidensdruck zu verringern scheitern, dann besteht die Möglichkeit einer geschlechtsangleichenden Operation.
Nicht-binäre Personen müssen die Kosten für diese Operationen aber selbst tragen – so eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) aus Oktober 2023. Laut einer Pressemitteilung des BSG beantragte eine nicht-binäre Person bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten für eine Mastektomie, um nicht weiter als Frau wahrgenommen zu werden. Die Krankenkasse lehnte ab, doch die Operation war zu dem Zeitpunkt schon durchgeführt worden. Das Sozialgericht verurteilte daraufhin die Krankenkasse zur Kostenerstattung. Die Klage wurde schlussendlich vom Landessozialgericht abgewiesen.
Vor diesem Hintergrund hat das BSG entscheiden, dass „körpermodifizierende Operationen bei Trans-Personen* Bestandteil einer neuen Untersuchung- und Behandlungsmethode sind.“ Das bedeutet, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über deren Anerkennung entscheiden muss und erst dann die Krankenkassen diese Leistungen übernehmen dürfen. Die Neubewertung sei notwendig, da die bisherige Rechtsprechung des BSG auf „klar abgrenzbaren Erscheinungsbildern des weiblichen und männlichen Geschlechts“ beruhe. Damit entspräche sie nicht mehr der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum dritten Geschlecht. Bereits begonnene Behandlungen werden allerdings nicht abgebrochen, sondern weitergeführt. Aber was wird bei geschlechtsangleichenden Operationen eigentlich genau gemacht?
Die geschlechtsangleichenden Operationen von Mann zu Frau und Frau zu Mann setzen sich aus unterschiedlich vielen operativen Schritten zusammen. Bei einer Operation von Mann zu Frau steht als erstes eine Vaginoplastik an. Hierbei wird der Penis in eine Vagina umgewandelt, was über eine Inversion des Penis passiert: Im ersten Schritt wird ein Schnitt zwischen den Hoden gesetzt, die dann entfernt werden. Ein weiterer Schnitt entlang der Eichel ermöglicht dann das Trennen der Schafthaut von Harnröhre und Schwellkörper, sodass die Schafthaut frei liegt. Diese wird im weiteren Verlauf umgestülpt und zwischen Blase und Enddarm platziert – sie bildet die Neovagina. Die Schwellkörper werden entfernt und die Eichel zu einer Klitoris modelliert. In der Regel versucht man die Nerven und Gefäße während der Prozedur zu erhalten, um die Funktionalität in Bezug auf das Wasserlassen und Lustempfinden zu erhalten. Nach etwa zwei bis drei Monaten geht es dann weiter mit dem Modellieren der äußeren Schamlippen und bei Bedarf werden Brustimplantate eingesetzt.
Bei einer Umwandlung von Frau zu Mann stellt der erste Schritt eine Mastektomie dar. Im Anschluss folgt eine Hysterektomie, bei der Eierstöcke und Gebärmutter entfernt werden. Gleichzeitig oder im Anschluss an diese Operationen kann eine Metaidoioplastik durchgeführt werden. Hierbei wird die Harnröhre bis zur Klitorisspitze verlängert und ein Klitorispenoid aufgebaut. Diese Art Mikropenis ermöglich es, im Stehen zu urinieren und ist auch optisch einem Penis ähnlich – aber eben nur optisch.
Eine Phalloplastik muss vorbereitet werden. Dafür braucht man einen Radialislappen, der entweder aus Unterarm oder Oberschenkel stammt. Zur Vorbereitung wird die neue Harnröhre dann in das entsprechende Hautgewebe integriert. Nachdem alles abgeheilt ist, wird der Radialislappen samt Harnröhre entnommen und daraus ein Penoid-Körper gebildet. Der neue Penis wird dann an die entsprechende Stelle gesetzt und mit Nerven, Venen und Arterien verbunden. Die Klitoris kann seitlich am Penoid oder hinter der Harnröhre integriert werden, damit auch die Orgasmusfunktion bestehen bleibt. Nach einigen Monaten können dann weitere Korrekturoperationen stattfinden, in denen Hoden- und Schwellkörperprothesen eingesetzt werden und eine Eichel geformt wird.
Zusätzlich zu geschlechtsangleichenden Operationen, können gesichtschirurgische Anpassungen vorgenommen werden, um weiblichere oder männlicherer Züge zu unterstreichen, sollte die Hormontherapie nicht ausreichen. Nicht immer sind für ein zufriedenstellendes Ergebnis aber alle Operationen notwendig. Eine geschlechtsangleichende OP stellt einen großen lebensverändernden Eingriff da. Die Entscheidung zu solchen Operationen wird in den allermeisten Fällen nicht leichtfertig getroffen und es bedarf einer langen Vorbereitungszeit sowie einer Beurteilung, ob dadurch das Leid der Betroffenen tatsächlich verringert werden kann.
Mehr zur Transmedizin und zu den Risiken geschlechtsangleichender Maßnahmen erfahrt ihr diesem Video-Interview.
Quellen:
Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: S3-Leitlinie zur Diagnostik, Beratung und Behandlung.
Bildquelle: Christian Dubovan, Unsplash