Eure Patienten planen einen Winterurlaub in warmen Regionen der USA? Dann Vorsicht: Im Pool oder See könnte der Parasit Naegleria fowleri lauern. Er löst die primäre Amöben-Meningoenzephalitis aus. Wie ihr die Infektion erkennt und behandelt.
„Bodybuilder stirbt nach Schwimmen im Pool“, „Teenager überlebt Infektion mit hirnfressender Amöbe“, „Kleinkind stirbt durch Infektion mit hirnfressender Amöbe“: Jahr für Jahr machen Berichte über seltene, schwere bis tödliche primäre Amöben-Meningoenzephalitiden die Runde. Auch in Deutschland sollten Ärzte an die Krankheit denken, vor allem bei Patienten, die kürzlich in tropischen oder subtropischen Regionen waren und sich mit Symptomen einer Meningitis vorstellen.
Zum Hintergrund: Seit der erste Fall im Jahr 1965 beschrieben worden ist, haben Ärzte rund 200 Infektionen dokumentiert – bei unbekannt hoher Dunkelziffer. Obwohl Naegleria fowleri weltweit verbreitet ist, stammt ein Großteil der Berichte aus den USA.
N. fowleri kommt in warmem Süßwasser vor. Am besten vermehrt sich der Einzeller ab 30 °C; die Obergrenze liegt bei 46 °C. Beim Schwimmen oder Tauchen gelangt er mit dem Wasser in die Nase. In Einzelfällen waren auch Nasenspülungen, die Patienten mit nicht abgekochtem Leitungswasser durchgeführt hatten, Ursache einer Infektion. Verschlucken von Wasser ist jedoch ohne Relevanz.
Gelangt kontaminiertes Wasser in die Nase, wandert N. fowleri entlang des Riechnervs ins Gehirn bis zum Riechkolben. Dort angekommen, zerstört er Nervenzellen sukzessive durch Trogozytose (griechisch trogo: nagen). Im Unterschied zur Phagozytose haftet sich N. fowleri an eine Zelle und knabbert sie oberflächlich an – daher kommt der plakative Name „Hirnfresser“. Es kommt zu einer hämorrhagischen nekrotisierenden Meningoenzephalitis.
Der Grund, warum N. fowleri alle anatomischen Barrieren passiert, ist unklar. Weitere bislang unbekannte Faktoren spielen sicher eine Rolle, denn die Inzidenz der Erkrankung ist äußerst niedrig. Sprich: Ein Kontakt mit N. fowleri führt nur selten zur Infektion.
Beschwerden treten 1–12 Tage nach dem nasalen Kontakt mit Naegleria-haltigem Wasser auf (Median: fünf Tage). Ab diesem Zeitpunkt schreitet die Krankheit schnell voran. Zu den frühen Symptomen der Infektion gehören starke frontale Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Später folgen Nackensteifigkeit, Krämpfe, Halluzinationen und Koma.
Genau hier liegt das Problem: Bei akut auftretender Nackensteifigkeit denken Ärzte vorrangig an eine bakterielle Meningitis oder an eine Subarachnoidalblutung. Wertvolle Zeit bis zur richtigen Diagnose vergeht. Die meisten Infizierten sterben 1–18 Tage nach Beginn der Symptome (Median fünf Tage). Oft stellen Ärzte eine korrekte Diagnose erst nach dem Tod des Patienten. Die klinische Diagnostik ist aufgrund der unspezifischen Symptome problematisch. Nachweise sollten auf die Amöbe selbst abzielen, was durch PCR oder Mikroskopie gelingen kann. Kulturtechniken sind bekannt, kosten aber Zeit.
Unter allen wissenschaftlich gut dokumentierten Fällen gibt es nur fünf Überlebende in Nordamerika. So haben Ärzte bei einem zwölfjährigen Mädchen etwa 30 Stunden nach Beginn der Beschwerden die korrekte Diagnose gestellt und sofort die Therapie eingeleitet. Ihre Patientin erhielt Amphotericin B, Fluconazol, Rifampin, Azithromycin und Dexamethason. Außerdem bekam sie Miltefosin. Um die Hirnschwellung zu verringern, setzten Ärzte unter anderem auf eine therapeutische Hypothermie. Die Patientin erholte sich neurologisch vollständig und konnte die Schule wieder besuchen. Ihre Genesung führen Ärzte auf die recht frühe Diagnose und Therapie zurück.
Ein achtjähriger Junge wurde ebenfalls mit Amphotericin B, Fluconazol, Rifampin, Azithromycin, Miltefosin und Dexamethason behandelt – allerdings erst mehrere Tage nach Beginn seiner Symptome. Er hat überlebt, aber mit schweren Gehirnschäden.
Bei einem 16-jährigen Jungen hingegen gelang es, die korrekte Diagnose innerhalb weniger Stunden nach der Einlieferung ins Krankenhaus zu stellen. Ärzte setzten auf das gleiche Protokoll wie bei der zwölfjährigen Überlebenden. Auch dieser Patient erholte sich neurologisch vollständig und konnte die Schule wieder besuchen.
Damit bleibt als Fazit: Die Amöben-Meningoenzephalitis ist eine recht seltene Erkrankung, sollte aber gerade bei Patienten, die aus Risikogebieten kommen, in Betracht gezogen werden. Ein von der CDC empfohlenes Schema umfasst Amphotericin B (intravenös und intrathekal), Azithromycin, Fluconazol, Rifampin, Miltefosin und Dexamethason. Darüber hinaus können Ärzte auf eine therapeutische Hypothermie (32 °C bis 34 °C) setzen und den intrakraniellen Druck verringern. Alles in allem haben Patienten nur bei frühzeitiger Diagnose und Intervention eine Chance, zu überleben.
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