Wochenlanger Husten, Nasen- und Augenausfluss und dann plötzlich eine schwere Pneumonie – so verläuft eine neuartige Infektion bei Hunden in den USA. Tierärzte sind besorgt, der Erreger ist bisher unbekannt. Was deutsche Veterinäre wissen müssen.
In den USA bereitet Tierärzten zurzeit eine respiratorische Erkrankung bei Hunden Sorgen. Vereinzelt kursiere sie bereits seit letztem Jahr, seit Anfang November wurden aber in 14 Staaten vermehrt Fälle gemeldet. Bei einem geringen Prozentsatz der Hunde scheint die Erkrankung tödlich zu verlaufen. Allein das Landwirtschaftsministerium von Oregon hat seit Anfang August mehr als 200 Fallberichte von Tierärzten aus dem ganzen Bundesstaat erhalten – und es werden stetig mehr.
Die Infektion beginnt mit einem trockenen Husten, ähnlich dem Zwingerhusten, der sich aber über Wochen oder Monate zieht und mit Augen- und Nasenausfluss und Niesen einhergeht. Berichten zufolge soll es drei verschiedene Verläufe geben:
Die Anfangssymptome lassen auf eine Virusinfektion schließen, bisher konnte jedoch kein viraler Erreger gefunden werden. Die sekundär auftretende Pneumonie spreche bisher nur schlecht auf gängige Antibiotika an. US-Tierärzte berichten teilweise von einer Verdopplung der Zahl an Hunden mit Husten in ihren Praxen.
Forscher des veterinärmedizinischen Labors der Universität New Hampshire’s (UNH) haben zusammen mit dem Hubbard Center for Genome Studies einen bakteriellen Erreger identifiziert, den sie für den Auslöser halten. Sie haben hierfür Proben einer ersten Gruppe von 30 Hunden aus New Hampshire, die im vergangenen Jahr infiziert wurden, und von weiteren 40 Hunden aus Rhode Island und Massachusetts, die in diesem Jahr erkrankten, sequenziert und sind fündig geworden. Bei dem Erreger soll es sich um ein seltsames Bakterium handeln, berichtet Dr. David Needle, Leiter der Abteilung Pathologie am College of Life Sciences and Agriculture der University of New Hampshire. „Es ist kleiner als ein normales Bakterium, sowohl von der Größe als auch vom Umfang seines Genoms her. Kurz gesagt, es ist ein seltsames Bakterium, das schwer zu finden und zu sequenzieren sein kann.“ Dabei vermutet Needle, dass der Keim nicht völlig neu sei, sondern ursprünglich aus dem Hundemikrobiom stamme.
„Nachdem eine erste Sequenzierung gezeigt hatte, dass kein bekannter viraler oder bakterieller Erreger oder auch Pilz zu finden war, zeigte eine detailliertere zeitaufwändige Analyse, dass 21 der anfänglichen 30 Proben aus New Hampshire genetisches Material dieser atypischen Bakterienart enthielten“, so Needle. Eine Anzucht des Erregers ist den Forschern bisher nicht gelungen, weshalb auch noch kein wirksames Antibiotikum gefunden werden konnte. Anhand der Struktur des Erregers schlägt Needle jedoch das Antibiotikum Doxycyclin für die Therapie vor. Das UNH-Team stelle Tierärzten seine Ergebnisse bereits vor der Veröffentlichung zur Verfügung, in der Hoffnung, dass sie bei der Bewältigung weiterer Ausbrüche nützliche Informationen liefern, sagt Needle.
Die Wissenschaftler sind sich trotz allem noch nicht sicher, ob es wirklich ein und derselbe Erreger ist, der Hunde im ganzen Land erkranken lässt. Tierärzte berichten aber von einem auffälligen Verlauf, der sich von bekannten Erkrankungen abhebt und auf einen neuen Erreger schließen lässt.
Zurzeit würde sie 3–4 Hunde mit schwerem Husten pro Tag aufnehmen, berichtet Dr. Gina Kettig, Tierärztin am VCA Alameda East Veterinary Hospital in Denver. Viele hätten bereits eine ausgeprägte Pneumonie, wenn sie die Behandlung beginne. Auch sie hatte bereits vier Todesfälle, die sie auf die neue Erkrankung zurückführen würde. Am häufigsten seien Hunde infiziert, die vor kurzem Zeit mit anderen Hunden verbracht haben, z. B. in einem Zwinger oder einer Hundetagesstätte. Aus diesem Grund raten viele Tierärzte in den USA Hundebesitzern pauschal, ihre Hunde momentan nicht in Tierpensionen, bei Hundefriseuren oder an anderen Orten, an denen Hunde in Gruppen zusammenkommen, unterzubringen.
Mike Stepien, ein Sprecher des USDA Animal and Plant Health Inspection Service (APHIS), teilte mit, dass die Behörde bereits mit mehreren staatlichen Tiergesundheitsbehörden und diagnostischen Laboren im Hinblick auf die Atemwegserkrankung in Kontakt sei. Tierärzte sind angehalten, bei Atemwegserkrankungen verstärkt Diagnostik zu betreiben, um ein vollständigeres Bild der Situation und des Ausmaßes zu erhalten. „APHIS und seine Partner haben die Ursache der Krankheit noch nicht endgültig identifiziert“, äußert sich Stepien den Medien gegenüber. Er beschwichtigt aber: „Es gibt derzeit keine Berichte über menschliche Erkrankungen im Zusammenhang mit den Fällen.“
Die American Veterinary Medical Association (AVMA) schreibt in einer Erklärung: „Besitzer sollten ihre Hunde genau auf sich verschlimmernden Husten beobachten, der von Anzeichen von Augen- oder Nasenausfluss und Niesen begleitet sein kann.“ Und weiter: „Bitte suchen Sie sofort Ihren Tierarzt auf, wenn diese klinischen Anzeichen auftreten, insbesondere wenn Ihr Hund gleichzeitig seinen Appetit verliert, Atemprobleme hat, ständig hustet oder extrem lethargisch ist.“ Besonders die anstehenden Feiertage machen den Tierärzten vor Ort Sorge, da Hunde vermehrt mit ihren Besitzern reisen und mit anderen Hunden zusammen untergebracht würden.
Als weitere Maßnahme empfiehlt die AVMA, die gängigen Impfungen auf dem neuesten Stand zu halten. „Auch wenn die vorhandenen Impfstoffe nicht speziell auf diese unbekannte Infektion abzielen, kann die Aufrechterhaltung der allgemeinen Gesundheit durch Routineimpfungen dazu beitragen, das Immunsystem des Hundes bei der Bekämpfung verschiedener Infektionen zu unterstützen“, so der US-Verband. Hierbei werden Impfungen gegen Bordetella bronchiseptica, canines Parainfluenzavirus, canines Adenovirus und das canine Influenza-Virus (CIV) hervorgehoben.
Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass sich auch Menschen infizieren und die genaue Ursache noch nicht bekannt ist, empfiehlt die AVMA, sich nach dem Umgang mit Hunden gründlich die Hände zu waschen. Passen die Symptome bei einem ihrer Patienten zu den neuesten Berichten, werden Tierärzte dazu angehalten, eine Probe ans Labor zu senden, um bei der Ermittlung der Ursache zu helfen.
Bisher gibt es noch keine Berichte aus Deutschland. Tierärzte sollten aber auch hierzulande aufmerksam sein, wenn sie Hunde mit länger anhaltenden respiratorischen Symptomen in ihrer Praxis behandeln, Besitzer sensibilisieren und im Zweifelsfall weitergehende Diagnostik in die Wege leiten.
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