Ob E-Herd, elektronische Diebstahlkontrolle oder Körperfettwaage – im Alltag lauern überall Gefahren für Patienten mit Herzschrittmachern. Welche Fragen Implantatträger auf dem Herzen haben und was ihr raten könnt, lest ihr hier.
„Frau Doktor?“, fragt mich eine 82-jährige Dame während der Schrittmacherabfrage. „Ich habe im Fernsehen etwas über eine Magnetmatte gesehen. Die soll Wunder wirken und ich würde sie mir gerne bestellen, wegen meinem schlimmen Rücken. Aber darf ich das überhaupt, mit dem Schrittmacher?“ Nicht nur in der kardiologischen, auch in der hausärztlichen Sprechstunde sind Behandler häufig mit verunsicherten Schrittmacherträgern konfrontiert, die sich die Frage stellen, welche Elektrogeräte ihnen im Alltag gefährlich werden können. Diese Fragen sind gar nicht so leicht zu beantworten. Denn während es für Nicht-Implantatträger definierte Normen und Grenzwerte der elektromagnetischen Feldexposition gibt, stehen für Implantatträger keine solchen rechtsverbindlichen Bereiche zur Verfügung.
Weitere Verwirrung entsteht durch die stetige technologische Fortentwicklung von Alltagsgeräten, aber auch der verwendeten Algorithmen zur Erkennung elektromagnetischer Felder (EMF). Ob eine Interferenz auftritt und wie sich auf das implantierte System auswirkt, hängt vor allem von der Stärke und Frequenz des Feldes sowie von der Expositionsdauer ab, wobei längere Interferenzen problematischer sind. Sie können zu einem Oversensing führen, den Magnetsensor aktivieren, eine Erwärmung von metallischen Komponenten auslösen oder eine Schädigung der Geräteelektronik bewirken.
Durch Oversensing kann bei schrittmacherabhängigen Individuen eine anhaltende Stimulationsinhibition ausgelöst und so eine Bradykardie oder Asystolie verursacht werden. Ein ventrikuläres Oversensing bei einem ICD führt im schlimmsten Fall zur Schockabgabe, was nicht nur psychisch belastend und schmerzhaft ist, sondern auch die Gefahr birgt, dass ventrikuläre Rhythmusstörungen entstehen. Einzelne Hersteller bieten einen Noise Mode an. Wird ein Störgeräusch erkannt, schalten manche Schrittmacher zum Beispiel in eine starrfrequente asynchrone Stimulation um. Bei Defibrillatoren werden antitachykarde Therapien im Noise Mode unterdrückt, um Fehlschocks zu verhindern – was aber die Gefahr birgt, das zufällig in diesem Moment auftretende ventrikuläre Rhythmusstörungen nicht terminiert werden.
Probleme können da entstehen, wo stärkere Magnetfelder bestehen. Durch solche Magnetfelder kann es zu einer Aktivierung des Reed-Schalters kommen. Reed-Schalter dienen dazu, Schrittmacher und ICDs bei gefährlichen Fehlfunktionen außer Kraft zu setzen, auch wenn kein Abfragegerät zur Verfügung steht, z. B. wenn ein ICD durch einen Sondendefekt inadäquate Schocks abgibt. Die antitachykarden Therapien werden deaktiviert. Entsprechend gefährlich ist eine versehentliche Betätigung des Reed-Schalters. Bei Schrittmachern wird das Sensing unterbrochen und der Schrittmacher schaltet (je nach Programmierung) in den asynchronen Pacing-Mode um. Dadurch können schrittmacherinduzierte Tachykardien beendet werden. Da die Pacingfrequenz von Firma zu Firma unterschiedlich ist, lässt sich daran zusätzlich ablesen, von welcher Firma das implantierte Gerät stammt, wenn Betroffene sich nicht daran erinnern und den Schrittmacherausweis nicht bei sich tragen. Ketten mit Magnetverschluss, jedoch auch Lautsprecher, Kopfhörer, Tablets oder Akkubohrmaschinen können Dauermagnete enthalten, die den Reed-Schalter aktivieren können, so dass diese nicht direkt auf die Gerätetasche aufgelegt werden sollten.
Abseits der magnetischen Aktivierung des Reed-Schalters können bestimmte Technologien Störsignale induzieren, die als Eigensignale des Herzens fehlgedeutet werden können. Problematisch sind in diesem Zusammenhang die Diebstahlsicherungen in Kaufhäusern, die von Schrittmacherträgern so schnell wie möglich passiert werden sollten, da für alle technisch zu Verfügung stehenden Varianten Interferenzen beobachtet wurden. Diese traten je nach Technologie und Verweildauer bei nahezu allen untersuchten Patienten auf. Die Folgen reichten von Inhibition der Stimulation bis hin zur inadäquaten Schockabgabe durch Defis. Neuerdings wird auch das RFID-Verfahren bei Diebstahlsicherungen in Kaufhäusern, zur Erkennung der Pässe an Skiliften oder zum kontaktlosen Bezahlen angewandt. In-vitro-Untersuchungen konnten für RFID temporäre Interferenzen mit Herzschrittmachern bis zu einem Abstand von 60 cm zum Sender und Defibrillatoren bis zu einem Abstand von 40 cm nachweisen. Auch wenn In-vivo-Studien zum Risiko fehlen, sind deshalb Sicherheitsabstände von 60 bzw. 40 cm empfohlen.
Grundsätzlich können Schrittmacher und ICDs durch elektromagnetische Felder bei 50 Hz Wechselstrom beeinflusst werden. Das entspricht der Frequenz des Haushaltsstroms. Deshalb sollten Schrittmacher- und ICD-Träger keinesfalls monophasische Phasenprüfer benutzen, da der Strom dabei direkt durch den Körper abgeleitet wird. Zudem sollten Betroffene darauf achten, defekte Haushaltsgeräte nicht mehr zu benutzen, da es in Beobachtungsstudien vor allem dadurch zu Zwischenfällen kam.
Grundsätzlich empfiehlt die DGK, Haushaltsgeräte – wenn möglich grundsätzlich – mit einer Unterarmlänge Abstand zum Aggregat zu bedienen. Für Induktionskochfelder gilt, dass Betroffene sich nicht so über die Felder beugen sollten, dass ein Sicherheitsabstand von 25 cm unterschritten wird. Alle Hersteller von Herzschrittmachern und Defibrillatoren raten zudem von der Verwendung von Waagen zur Körperfettmessung mittels Bioimpedanzmessungen ab. Zwar konnte in kleineren In-vivo-Studien keine Interferenz festgestellt werden, dennoch wird von der Verwendung abgeraten, vor allem wenn die Messung von Arm zu Arm erfolgt.
Entwarnung gibt es bezüglich der Nutzung von Mobiltelefonen. In zwei neueren Studien wurden insgesamt 370 Schrittmacherträger umfassend auf eine Störbeeinflussung hin untersucht. Die Geräte wurden direkt auf die Schrittmachertasche aufgelegt. Lediglich bei einem Patienten trat eine kurze Inhibition der Triggerung < 2 Sekunden auf. Zudem wurde eine kurzzeitig atriale Triggerung beobachtet. Die DGK schreibt deshalb in ihrer Stellungnahme, dass ein Mindestabstand zwischen Aggregat und Mobiltelefon sicher effektiv, aber nicht erforderlich sei.
Anders sieht es mit induktiven Mobiltelefonladestationen nach dem Qi-Standard aus. Zu diesen sollten mindestens 10 cm Abstand eingehalten werden. Ebenfalls Entwarnung kann Betroffenen gegeben werden, die sich mit einem Elektroauto fortbewegen und dieses laden. Untersuchungen des Deutschen Herzzentrums in München boten keinen Anhalt für eine Interferenz, weder während des Fahrens noch beim Laden. Aufgrund immer neuer Fahrzeuge und Ladetechnologien verweisen die Autoren darauf, dass die Entwicklung bezüglich Interferenz in Zukunft weiter beobachtet werden müsse. Auch die Verwendung von Metalldetektoren, wie sie an Flughäfen zum Einsatz kommen, wird als gefahrlos eingeschätzt.
Und was ist nun mit unserer alten Dame? Ihr ist schon wegen ihres Schrittmachers ganz klar von der Anschaffung und Nutzung der Magnetfeldmatte abzuraten. Nützliche Hinweise für Betroffene und Ärzte finden sich auch auf den Webseiten der Implantathersteller. Grundsätzlich sollten Betroffene ermutigt werden, bei Unsicherheit in Bezug auf Elektrogeräte die Gebrauchsanweisung genau zu studieren und im Zweifelsfall den Hersteller des Gerätes oder die Herstellerfirma des implantierten Aggregats zu kontaktieren.
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