Das allgemeine Screening von Schwangeren auf CMV und Toxoplasmose wird heiß diskutiert. Wie die aktuellen Statistiken aussehen und warum ich finde, dass es in die Regelversorgung gehört, lest ihr hier.
Infektionen in der Schwangerschaft mit dem Zytomegalievirus (CMV) oder mit der parasitären Toxoplasma gondii können zu schweren Erkrankungen des Kindes führen. Die große Unsicherheit bei einer mütterlichen Infektion besteht darin, dass meist keine oder nur geringe Krankheitssymptome auftreten. Damit bleiben Infektionen zumeist unerkannt und eine rechtzeitige Therapie wird versäumt. Ein allgemeines Screening könnte Abhilfe schaffen, da es mittlerweile Medikamente gibt, die fetale Beeinträchtigungen verhindern können. In Deutschland sind serologische Tests auf CMV und Toxoplasmose nur bei begründetem Verdacht auf eine Infektion Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien. Damit wird die Mehrzahl der asymptomatischen Verläufe übersehen.
CMV ist die häufigste Ursache kongenitaler Infektionen. Eine Übertragung erfolgt durch Körpersekrete wie Urin, Speichel, Muttermilch oder Genitalsekret. Die Inkubationszeit beträgt 4–6 Wochen bei einer Seroprävalenz unter Schwangeren von etwa 50 %. Damit haben die Hälfte aller Schwangeren ein Risiko für eine Primärinfektion, die hauptsächlich für eine fetale Gefährdung verantwortlich ist. Die jährliche Serokonversion beträgt in den Industriestaaten bei Schwangeren 1–7 %. Endogene Reaktivierungen oder exogene Reinfektionen im Sinne von Sekundärinfektionen sind in seltenen Fällen möglich, aber insgesamt mit einem geringen Risiko für fetale Schädigungen behaftet. Die Schwangere selbst ist in 75 % der Fälle asymptomatisch oder gibt grippeähnliche Beschwerden an. Die Ausscheidungsrate bei Seropositiven ist insbesondere bei Kindern unter drei Jahren und bei stillenden Frauen sehr hoch.
Die Transmissionsrate bei einer mütterlichen Primärinfektion beträgt präkonzeptionell, d. h. bis zu drei Monaten vor der Schwangerschaft, etwa 5 % und unmittelbar zu Beginn einer Schwangerschaft 21 %. Im ersten Trimenon kommt es in 37 % der Fälle zu einer fetalen Übertragung, die im letzten Trimenon auf 66 % steigt. Gleichzeitig sinkt mit zunehmendem Schwangerschaftsalter das Risiko für eine fetale Schädigung. Perikonzeptionell und im ersten Trimenon muss mit einem Risiko für relevante fetale Erkrankungen von 20–30 % gerechnet werden, anschließend sinkt das Risiko auf unter 1 %.
Infektionen mit CMV führen in 3–20 % zu Abort oder Totgeburt, in 50 % zu Mikrozephalie und Wachstumsretardierung, weiterhin zu Hepatomegalie und Ikterus. Spätfolgen sind neuro-kognitive Entwicklungsstörungen, Seh- und Gehörschädigungen.
Eine Übertragung erfolgt über Katzen (insbesondere Katzenkot), beim Verzehr von nicht ausreichend gegartem Fleisch oder ungewaschenem Obst und Gemüse. Die Inkubationszeit beträgt 2–3 Wochen bei einer mitteleuropäischen Seroprävalenz der Frauen im gebärfähigen Alter von 20–30 %. Das Risiko der meldepflichtigen Erkrankung hängt stark von den jeweiligen Hygienebedingungen und Essgewohnheiten ab. Es ist in einigen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, in den letzten 30 Jahren aufgrund von Fortschritten in der Lebensmittelindustrie gesunken. Die Inzidenz einer Primärinfektion während der Schwangerschaft wird in Mitteleuropa unter 1 % angegeben. Meist kommt es zu einer lebenslangen Immunität. Eine infizierte Schwangere ist in 80–90 % der Fälle ohne Symptome, gelegentlich zeigen sich grippeähnliche Beschwerden mit Lymphadenitis im Kopf- und Halsbereich.
Auch hier steigt das Transmissionsrisiko mit zunehmendem Schwangerschaftsalter an, das Schädigungspotential nimmt ab. Im 1. Trimenon wird die Transmissionsrate mit 15 %, im 2. Trimenon mit 44 % und im 3. Trimenon mit 71 % angegeben. Es existieren präkonzeptionelle Einzelfallberichte. Das Schädigungspotenzial liegt im 1. Trimenon bei 50–60 % und sinkt auf etwa 10 % im 3. Trimenon.
Man spricht von einer klassischen Trias aus Hydrozephalus, Retinochorioiditis und intrazerebralen Verkalkungen. Spätschäden bestehen aus Augenmanifestationen und neurologisch-kognitiven Entwicklungsretardierungen.
Das Risiko für zerebrale Schädigungen nimmt, ähnlich wie bei CMV, bei einer Infektion in der fortgeschrittenen Schwangerschaft zwar ab, der Fetus bleibt hier aber während der gesamten Schwangerschaft vulnerabel, so dass okuläre Schädigungen nur wenig vom Schwangerschaftsalter abhängen.
Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Infektion mit CMV (Körpersekrete, Betreuung von Kleinkindern) und Toxoplasmose (Katzen, Lebensmittel) stehen in der Beratung von Kinderwunschpatientinnen und Schwangeren an erster Stelle. Grippeähnliche Symptome können ein Hinweis auf eine Infektion mit CMV oder Toxoplasmose sein und sollten Hebammen sowie ärztliche Mitarbeiter in Gynäkologie und Allgemeinmedizin hellhörig machen. Wichtig sind eine frühzeitige Diagnostik und ein zeitnaher Therapiebeginn, um die Transmissionsrate und fetale Beeinträchtigungen zu minimieren.
Die Frage nach einem allgemeinen Screening wird kontrovers diskutiert. In Anbetracht dessen, dass es mittlerweile gute Therapieoptionen gibt, wäre für CMV zumindest im 1. Trimenon und für Toxoplasmose in der gesamten Schwangerschaft ein serologisches Screening als Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien zu befürworten. Bis dahin kann – und sollte es – als Selbstzahlerleistung (IGeL) angeboten werden.
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