Das posturale Tachykardiesyndrom wird heiß diskutiert: Die Anamnese ist oft langwierig, das Krankheitsbild schwer abzugrenzen. Woran ihr bei der Diagnose denken solltet und welche Therapien es gibt, erfahrt ihr hier.
Das posturale Tachykardiesyndrom (POTS) ist eine Erkrankung, bei der die Patienten beim Wechsel in die aufrechte Körperlage an einem erhöhten Puls und an Benommenheit sowie Schwindel leiden. Die Beschwerden lassen in der Regel nach, wenn sich die Betroffenen hinlegen. Wegweisend für die Diagnose von einem POTS ist oft eine eindeutige Anamnese mit einer geringen Stehtoleranz und gegebenenfalls orthostatischer Synkopenneigung nach längerem Stehen in Verbindung mit einem unauffälligen internistischen und neurologischen Untersuchungsbefund. Die Ursache eines POTS ist wahrscheinlich eine Dysfunktion des autonomen Nervensystems, auch als Dysautonomie bezeichnet.
Im Jahr 2000 konnten Jacob et al. nachweisen, dass bei POTS-Patienten die Noradrenalinausschüttung zu den Arteriolen der Beine bei sympathischer Stimulation reduziert ist. Zugleich ergaben sich auch Hinweise für eine verminderte Noradrenalin-Wiederaufnahme in die terminalen Nervenfasern der Beine. Diese Befunde stützen also eine sympathische Dysfunktion im Bereich der unteren Extremitäten. Im Rahmen der Diagnosefindung sollten andere Gründe für die orthostatische Intoleranz ausgeschlossen werden. Hierzu zählen zum Beispiel eine Anämie, eine Dehydration, eine Schilddrüsendysfunktion oder vasoaktive Medikamente. Kardiologisch ist ein EKG erforderlich. Zudem sollte bei anamnestischem Vorliegen von Synkopen auch ein Langzeit-EKG erfolgen und gegebenenfalls eine weiterführende kardiologische Diagnostik initiiert werden.
Für die Diagnosefindung eines POTS ist außerdem die Durchführung einer Kipptischuntersuchung obligat. In der Literatur besteht überwiegend Einigkeit darüber, dass bei der Kipptischtestung ein POTS diagnostiziert werden sollte, wenn ein Anstieg der Herzfrequenz innerhalb von 10 Minuten nach dem Hinstellen auf mindestens 30 Schläge/Minute über dem Niveau im Liegen dokumentiert wird oder die Herzfrequenz auf mindestens 120 Schläge/Minute absolut ansteigt und kein pathologischer Blutdruckabfall (also systolischer Abfall nicht mehr als um 20 mmHg und diastolischer Abfall nicht mehr als um 10 mmHg) auftritt, bei jedoch zunehmenden Symptomen der orthostatischen Intoleranz. Es muss angemerkt werden, dass in vielen Fällen bereits ein normaler Schellong-Test mit diskontinuierlichen Blutdruck- und Pulsmessungen ein POTS aufdecken kann. Allerdings lassen sich Störeinflüsse während einer Kipptischuntersuchung besser kontrollieren.
Das POTS ist durch ein typisches Muster von orthostatischen Kreislaufreaktionen gekennzeichnet, welches von anderen pathologischen Reaktionsformen differenziert werden kann, auch wenn dies im klinischen Alltag nicht immer leicht ist. Bei der hypoadrenergen orthostatischen Hypotension liegt ein sofort einsetzender orthostatischer Blutdruckabfall bei einem verminderten Pulsanstieg vor. Bei der neurokardiogenen Synkope tritt typischerweise ein plötzlicher Blutdruckabfall mit (relativer) Bradykardie nach längerem Stehen auf. Patienten, bei denen ein POTS diagnostiziert wird, berichten über eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Unverträglichkeit von längerem Stehen. Sie benennen ein zunehmendes Benommenheitsgefühl oder Leeregefühl im Kopf, Standunsicherheit, Palpitationen, Übelkeit, Schwäche, Zittern, Ängstlichkeit sowie das Bedürfnis, sich hinzusetzen oder hinzulegen. Viele Patienten leiden unter orthostatischen Synkopen.
Die Anamnese geht oft über viele Jahre; zur Vorstellung beim Arzt kommt es meist wegen einer Verschlimmerung der Symptomatik. Gesicherte Daten zur Prävalenz des POTS in der Allgemeinbevölkerung liegen nicht vor. Schätzungen des Autonomic Dysfunction Centers in Nashville kalkulieren die Prävalenz auf circa 0,2 %. Demnach wäre in Deutschland mit circa 160.000 POTS-Patienten zu rechnen. Die meisten Patienten sind zwischen 15 und 50 Jahre alt, 80 % der Patienten sind Frauen. POTS ist eher eine Erkrankung jüngerer Frauen.
In der Therapie kommen zuerst allgemeine Maßnahmen zum Einsatz. Hierzu zählen Empfehlungen wie langsames Aufstehen aus dem Liegen und Sitzen, das Vermeiden von langem Stehen (vor allem bei Hitze), die Aufnahme von 2–3 Litern Flüssigkeit und circa 10 bis 12 Gramm Salz pro Tag, ausreichende Bewegung und körperliches Training – vor allem Ausdauertraining –, eine gute Schlafhygiene, das Tragen von Kompressionsstrümpfen und, wenn möglich, das Absetzen von Medikamenten, die die Symptomatik fördern können. Erst wenn die allgemeinen Maßnahmen ausgeschöpft wurden und keine Besserung eingetreten ist, können verschiedenen Medikamente eingesetzt werden. Diese sind alle Off-Label, beispielsweise Betablocker, Midodrin, Desmopressin oder Ivabradin. Die Prognose des POTS im Langzeitverlauf scheint günstig zu sein. In einer Studie von Sandroni et al. gaben 80 % von 40 POTS-Patienten an, 18 Monate nach der initialen Untersuchung eine deutliche Besserung der orthostatischen Beschwerden zu verspüren. Doch auch wenn die Prognose gut zu sein scheint, können für die Betroffenen erhebliche Einschränkungen im Alltag bestehen, sodass weitere Therapieoptionen wünschenswert wären.
In einer aktuellen Studie, erschienen im Fachblatt JACC Clinical Electrophysiology, untersuchen Stavrakis et al. die Wirksamkeit einer nicht-invasiven aurikulären Vagusstimulation bei bestehendem POTS. Die Autoren berichten, dass eine schwache transkutane Stimulation des aurikulären Astes des Vagusnervs am Tragus bei Tieren und Menschen eine antiarrhythmische und entzündungshemmende Wirkung habe. Um zu klären, ob die transkutane aurikuläre Vagusstimulation auch beim POTS eine Besserung der Symptomatik bedingt, führten Stavrakis et al. die scheinkontrollierte, doppelblinde, randomisierte klinische Studie durch. Über einen Zeitraum von 2 Monaten wurde die transkutane aurikuläre Vagusstimulation mit einer Scheinstimulation verglichen. In der Gruppe mit der echten Stimulation (n: 12) wurden über einen Zeitraum von 2 Monaten täglich 20 Hz, 1 mA über einen Ohrclip am Tragus verabreicht. In der Gruppe der Scheinstimulation (n:14) war der Clip am Ohrläppchen befestigt.
Das POTS wurde während der Erstuntersuchung und während dem zweimonatigen Untersuchungszeitraum beurteilt. Zu den jeweiligen Zeitpunkten wurden die Herzfrequenzvariabilität basierend auf einem 5-Minuten-Elektrokardiogramm, Serumzytokine und antiautonome Autoantikörper gemessen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 34 ± 11 Jahre (100 % weiblich, 81 % kaukasisch). Die Einhaltung der täglichen Stimulation betrug 83 % im aktiven Arm und 86 % im Scheinarm (P > 0,05). Die POTS-Symptomatik war im aktiven Arm im Vergleich zum Scheinarm nach 2 Monaten signifikant geringer (mittlerer posturaler Anstieg der Herzfrequenz 17,6 ± 9,9 Schläge/Minute gegenüber 31,7 ± 14,4 Schlägen/Minute; P = 0,01). Antiadrenerge Autoantikörper und entzündliche Zytokine waren im aktiven Arm im Vergleich zum Scheinarm nach 2 Monaten niedriger (P < 0,05). Die Herzfrequenzvariabilität war im aktiven Arm besser. Es wurden keine gerätebedingten Nebenwirkungen beobachtet.
Die Ergebnisse der Studie deuten auf die Wirksamkeit der nicht-invasiven Neuromodulation zur Behandlung eines POTS hin. Mechanistisch gesehen scheint dieser Effekt mit der Verringerung antiautonomer Autoantikörper und entzündlicher Zytokine sowie einer Verbesserung des autonomen Tonus zusammenzuhängen. Einschränkend sind sicherlich die kleine Teilnehmerzahl und das Fehlen von männlichen Probanden zu nennen, sodass eine Verallgemeinerung der Ergebnisse nicht möglich ist. Es werden weitere Studien benötigt, um die Wirksamkeit und Sicherheit des Verfahrens final zu beurteilen und um in der Zukunft hoffentlich eine weitere Therapieoption für Patienten mit einem POTS in der Hand zu haben.
Grubb BP, Klingenheben T: Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS): Ätiologie, Diagnose und Therapie. Med Klin 2000; 95: 442–446.
Low PA, Opfer-Gehrking TL, Textor SC et al.: Postural tachycardia syndrome (POTS). Neurology 1995; 45 (Suppl. 5): S19–S25.
Sandroni P, Opfer-Gehrking TL, McPhee BR, Low PA: Postural tachycardia syndrome: clinical features and follow-up study. Mayo Clin Proc 1999; 74: 1.106–1.110.
Stavrakis S, Chakraborty P, Farhat K et al.: Noninvasive Vagus Nerve Stimulation in Postural Tachycardia Syndrome: A Randomized Clinical Trial. JACC Clin Electrophysiol. 2023 Nov 10: S2405-500X(23)00806–X. doi: 10.1016/j.jacep.2023.10.015. Epub ahead of print. PMID: 37999672.
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