Wie wirkt sich Langeweile auf den Therapieerfolg bei psychischen Krankheiten aus, wie sinnvoll sind automatisierte Tools zur Depressionsdiagnose und wie hängen PTBS und kardiovaskuläre Erkrankungen zusammen? Mental Health News im Schnelldurchlauf.
Jedem von uns ist hin und wieder langweilig. Aber was im normalen Alltag höchstens nervig ist, kann in einem klinischen Setting maßgeblich zu Erfolg oder Misserfolg einer psychiatrischen Behandlung beitragen. Genau diesen Einfluss haben Forscher jetzt untersucht. Dafür haben sie sich mit zwei Arten von Langeweile beschäftigt. Dem sogenannten state boredom, also dem gelangweilt sein in bestimmten Situationen, und trait boredom, also eine allgemeine Tendenz dazu, zu Langeweile zu neigen. Bisher hat sich die Forschung überwiegend mit Zweiterem beschäftigt, aber state boredom könnte größere Auswirkungen auf den Therapiefortschritt betroffener Patienten haben, als bisher gedacht. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Translational Psychiatry veröffentlicht.
Bisher war bekannt, dass trait boredom mit Impulsivität, Risikoaffinität und Sensationssucht korreliert. Außerdem werden pathologisches Glücksspiel, Alkoholmissbrauch sowie Depression und psychotische Störungen mit trait boredom in Verbindung gebracht. „Trotz dieser schwerwiegenden psychosozialen Auswirkungen wird Langeweile in der Routine der psychiatrischen Versorgung immer noch weitgehend vernachlässigt“, so die Autoren. Überraschenderweise konnten sie feststellen, dass sich auch state boredom stark auf die Psychopathologie auswirkt. Diese Art der Langeweile kommt vor allem durch monotone sensorische Reize, aber auch beispielsweise durch Aufmerksamkeitsdefizite zustande.
Die Copingstrategien, um diese Langeweile zu überwinden – wie das Abschweifen der Gedanken oder die Suche nach äußeren Reizen – kann dann die Therapie negativ beeinflussen. „Bei der […] Vorhersage der individuellen Therapiedauer auf der Grundlage von Langeweile-Scores, Therapieumgebung und Diagnosegruppen konnten wir feststellen, dass insbesondere der Zustand der Langeweile das Ergebnis der Patienten beeinflusst – und zwar in ähnlichem Maße wie die Diagnose des Patienten“, so die Autoren. Es bräuchte also therapeutische Interventionen, um Langeweile in klinischen Situationen zu lindern. „Der therapeutische Umgang mit Langeweile bietet neue Ansatzpunkte, um die Belastung durch Psychopathologie bei psychischen Störungen zu mindern und die klinischen Ergebnisse zu verbessern“, konkludieren die Autoren.
Depression zu erkennen und korrekt zu diagnostizieren ist oft selbst für Fachpersonal nicht einfach. Außerdem ist die Diagnose von vielen persönlichen Faktoren abhängig. „Herkömmliche Methoden zur Bewertung und Überwachung von Depression umfassen halbstrukturierte Interviews zwischen Patienten und Mitarbeitern des Gesundheitswesens, die subjektiv sein und durch Verzerrungen und soziale Stigmatisierung beeinflusst werden können“, so die Studienautoren eines systematisches Review zum Thema automatisierte klinische Depressionsdiagnose. Könnten hier Machine-learning-Modelle weiterhelfen?
Ein systematisches Review, das in npj Mental Health Research veröffentlich wurde, hat sich nun dieser Frage angenommen und 544 Studien der vergangenen 10 Jahre analysiert, von denen 264 in das Review inkludiert wurden. Dabei wurden Sprach-, Text- und Mimikanalysen zur Erkennung von Depression gemäß der Definition des DSM-5 verwendet. Die Forscher kamen dabei zu dem Schluss, dass „ein gut trainiertes Depressionsvorhersagemodell die Störung bei einer zufällig ausgewählten Person genau erkennen kann, unabhängig von der Umgebung, in der die Person befragt wird.“ Die Wissenschaftler weisen aber auch darauf hin, dass die meisten Studien nur in sehr spezifischen Settings funktionieren und schlagen Guidelines und Richtlinien für zukünftige Forschung vor, um die Reproduzierbarkeit zu verbessern (hier einsehbar).
Aber warum braucht man überhaupt ein automatisiertes Depressionstool? Einer der Vorteile wäre, dass mehr Menschen rechtzeitig eine Diagnose bekämen – unabhängig von finanziellen Mitteln und der Verfügbarkeit der entsprechenden Fachkräfte. Denn Therapieplätze sind notorisch knapp. Betroffene könnten dann beispielsweise Onlineangebote gezielt in Anspruch nehmen. Außerdem könnten die Tools bei der Behandlung helfen, indem sie auf die für den jeweiligen Patienten spezifischen Symptome abgestimmt die Behandlung anpassen.
Was haben Posttraumatische Belastungsstörungen, kardiovaskuläre Krankheiten und Alzheimer gemeinsam? Sie alle zählen zu den wichtigsten Gesundheitsproblemen in ihrem jeweiligen Fachgebiet. Zusammenhänge der Diagnosen wurden bisher allerdings wenig untersucht. Jetzt hat sich eine kürzlich in Jama Open Network veröffentlichte Studie mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Symptome einer PTBS mit einer schlechteren kardiovaskulären und neurokognitiven Gesundheit bei Frauen mittleren Alters einhergehen.
Die Wissenschaftler untersuchten 274 Frauen (mittleres Alter 59,03 Jahre), von denen 64 APOE-ε4-Trägerinnen waren. Die Probandinnen hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Krankheitsgeschichte zu kardiovaskulären Krankheiten, Schlaganfällen oder Demenz. Sie füllten Fragebögen zu ihren PTBS-Symptomen aus. Außerdem wurden die Frauen körperlich untersucht, ihnen wurde Blut abgenommen und ein MRT, neurologische Tests sowie eine Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader wurden durchgeführt.
„In dieser Querschnittsstudie […] wiesen Frauen mit stärkeren PTBS-Symptomen eine signifikant höhere Atherosklerose der Halsschlagader auf. Bei Frauen, die Trägerinnen des Genotyps APOEε4 waren, wiesen diejenigen mit stärkeren PTBS-Symptomen eine größere Hyperintensität der weißen Substanz im Gehirn auf, ein Indikator für eine Erkrankung der kleinen Hirngefäße, sowie eine schlechtere Kognition“, ordnen die Studienautoren die Ergebnisse ein. Die Ergebnisse zeigen also, dass sich PTBS-Symptome sowohl auf die kardiovaskuläre aus auch auf die neurokognitive Gesundheit von Frauen mittleren Alters auswirken könnten. „PTBS ist ein wichtiges Frauengesundheitsproblem, von dem 10 % der Frauen im Laufe ihres Lebens betroffen sind. Unsere Ergebnisse deuten auf eine Risikopopulation hin, die eine frühzeitige Intervention und Präventionsmaßnahmen zur Verringerung des kardiovaskulären und neurokognitiven Risikos in der Lebensmitte und darüber hinaus rechtfertigen könnte“, konkludieren die Autoren.
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