Beklemmung in der Brust, Atemnot, Schwindel: Für Patienten erscheinen supraventrikuläre Reentry-Tachykardien bedrohlich, aber meist sind sie harmlos. Ein Nasenspray könnte Betroffenen in Zukunft helfen – und Notaufnahmen entlasten.
Wenn vagale Manöver nicht wirken, bleibt Betroffenen mit paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien meist nur ein Gang in die Rettungsstelle. Akute orale eingesetzte Kalziumkanalblocker und Betablocker zeigen eine geringe Wirksamkeit und langsamen Wirkeintritt. Zwar sind die Episoden per se nicht gefährlich, jedoch werden sie von Betroffenen häufig als extrem unangenehm erlebt und können – gerade in Kombination mit anderen kardialen Begleiterkrankungen – auch zu schwerwiegenden kardialen Dekompensationen führen. Patienten beschreiben Beklemmung, Palpitationen, Atemnot, Schwindel, Ohnmacht und Angstzustände. Umso günstiger wäre es, wenn Betroffene die Episoden medikamentös selbst beenden könnten. Diesen Ansatz verfolgt der kurzwirksame Kalziumantagonist Etripamil, der in Form eines Nasensprays angewendet werden kann. Die Wirkung basiert auf einer Verlängerung der Refraktärzeit des AV-Knotens.
Die Dosierung beträgt 70 mg pro Sprühstoß und die Wirkung tritt innerhalb von 7 Minuten ein. In die RAPID-Studie, die im Lancet erschienen ist, wurden 692 Patienten eingeschlossen, die älter als 18 Jahre alt waren und bei denen in der Vergangenheit länger anhaltende (> 20 min) symptomatische Episoden einer AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT) dokumentiert worden waren. Die eingeschlossenen Probanden waren vorselektioniert. So durfte nur an der Studie teilnehmen, wer im Sinusrhythmus zwei Testdosen von Etripamil gut vertrug. Ausgeschlossen wurden 3 Probanden, da sie die Blutdruckziele verfehlten (Abfall um mehr als 40 mmHg systolisch oder auf Werte kleiner 80 mmHg). Bei einem Probanden kam es zu einer Vorhoftachykardie. Insgesamt konnten 98 % der Probanden nach der Testdosis an der Studie teilnehmen.
Die Probanden wurden in die Handhabung eines EKG-Monitoringsystems eingewiesen, dass sie selbst anbrachten, wenn sie der Meinung waren, dass eine AVNRT einsetzte. In 80 % der Fälle lagen sie richtig. Anschließend versuchten sie mittels eines Valsalva-Manövers die Tachykardie zu beenden. Gelang dies nicht, applizierten sie zunächst einen Sprühstoß und bei persistierenden Beschwerden nach 10 Minuten einen zweiten Sprühstoß Etripamil. Den zweiten Sprühstoß applizierten 66 % der Patienten im Verumarm und 79 % der Patienten im Placeboarm. Die EKG-Aufzeichnung wurden unabhängig von einer Konversion für 5 Stunden fortgeführt und anschließend von 4 Elektrophysiologen unabhängig befundet.
Nach 30 Minuten waren 64 % der Betroffenen im Verumarm in den Sinusrhythmus konvertiert, während es im Placeboarm nur 31 % waren. Im Mittel konvertierten die Probanden im Verumarm innerhalb von 17 min in den Sinusrhythmus, während es im Placeboarm im Mittel 53 Minuten dauerte. Die Nebenwirkungen des Medikaments waren mild und umfassten 5 % der Behandelten. Vor allem traten nasale Beschwerden in Form einer verstopften Nase oder Rhinorrhoe auf. Schwere unerwünschte Ereignisse oder gar Todesfälle wurden nicht beobachtet und es machte keinen Unterschied ob ein oder zwei Dosen appliziert worden waren. Auch solche Probanden, bei denen die Elektrophysiologen im Nachhinein den Befund einer stattgehabten AVNRT nicht bestätigten, wiesen kein erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf.
Inzwischen stehen auch die Daten der Verlängerungsstudie NODE-302 zur Verfügung. Hier wurden insgesamt 235 Episoden mit Etripamil behandelt; 97 % davon mit 2 Sprühstößen. Die Ergebnisse der RAPID-Studie konnten reproduziert werden und es zeigte sich, dass Probanden die bei der ersten Episode auf Etripamil angesprochen hatten auch in Zukunft ansprachen, während das ansonsten eher nicht galt.
Die Studienautoren argumentieren, dass die Patienten mit AVNRT von einer Katheterablation profitieren, dieser invasive Ansatz jedoch häufig nicht als Erstbehandlung durchgeführt wird – vor allem, wenn nur selten Episoden auftreten. Diese Patientinnen und Patienten könnten von einem Medikament profitieren, mit dem sie risikoarm selbst versuchen können, die Episoden zu terminieren, wenn Valsalva-Manöver versagen.
Angesichts der hohen Rate (98 %) von Patienten, die die Testdosis vertrugen und zur Randomisierung übergingen, ist eine Testdosis in der Praxis möglicherweise nicht für alle Patienten erforderlich. Diese Hypothese wird in einer offenen Studie weiter untersucht (NODE-X). Dabei soll auch geklärt werden, ob die Medikation dazu beitragen kann, Kontakte zur Notaufnahme zur verringern und so das Gesundheitssystem zu entlasten. Zudem soll untersucht werden, ob der genaue Zeitpunkt der Applikation einen Einfluss auf das Ansprechen hat und ob grundsätzlich immer eine Wiederholungsdosis appliziert werden sollte.
Quellen:
Stambler et al. Self-administered intranasal etripamil using a symptom-prompted, repeat-dose regimen for atrioventricular-nodal-dependent supraventricular tachycardia (RAPID): a multicentre, randomised trial. The Lancet, 2023. doi: 10.1016/S0140-6736(23)00776-6
Ip et al. Etripamil Nasal Spray for Conversion of Repeated Spontaneous Episodes of Paroxysmal Supraventricular Tachycardia During Long‐Term Follow‐Up: Results From the NODE‐302 Study. Journal of the American Heart Association, 2023. doi: 10.1161/JAHA.122.028227;12:e028227
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