Der Bundestag verabschiedet Gesetze zur Digitalisierung, eine Studie liefert neue Daten zur RSV-Impfung bei Älteren und die Diskussion um Gesundheitskioske geht weiter. Diese und weitere News lest ihr hier im Schnelldurchlauf.
Nach langem Hin und Her hat der Bundestag gestern die Digitalisierungsgesetze in geänderter Fassung verabschiedet. Damit sollen E-Rezepte und digitale Patientenakten (ePA) in den breiten Alltagseinsatz von Praxen und Apotheken kommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem „Quantensprung“ für eine effizientere Medizin – in der Ärzteschaft fallen die Reaktionen durchwachsen aus. Vor allem Niedergelassene sind wenig begeistert: Sie befürchten, dass mit den Gesetzen neue Belastungen auf die ambulante Versorgung zukommen.
Beschlossen wurde sowohl das Digital-Gesetz (DigiG) als auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Über ersteres sollen E-Rezepte Anfang 2024 zum Standard und für die Praxen verpflichtend gemacht werden. Im nächsten Schritt sollen Anfang 2025 alle gesetzlich Versicherten eine ePA für Gesundheitsdaten wie Befunde und Laborwerte bekommen – es sei denn, Patienten lehnen das ab. Das GDNG regelt einen leichteren Zugriff der Forschung auf Gesundheitsdaten.
Erst vor wenigen Tagen hatte die Ampel-Koalition die Digitalisierungsgesetze im Hinblick auf die Pflichten für Ärzte bei der Arbeit mit der elektronischen Patientenakte deutlich erweitert. „Mit den umfangreichen Aufklärungspflichten dürfte die effektive Behandlungszeit an Patientinnen und Patienten noch weiter abnehmen“, erklärt KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner in einer Pressemitteilung.
Was ändert sich konkret für Ärzte? Die Eintragung von Daten aus Arztbriefen und Daten zu Befunden liegt künftig nicht mehr im Ermessen der behandelnden Ärzte, sondern wird verpflichtend. Weiteres To-Do für Ärzte ist es, die Versicherten darüber zu informieren, welche Daten sie in die ePA übermitteln und speichern. Erklären Patienten darauf ihren Widerspruch, muss dieser in der Behandlungsdokumentation protokolliert werden. Auch sollen Ärzte darauf hinweisen, dass Versicherte die Möglichkeit haben, die Verarbeitung zu beschränken. „Die beiden Gesetze mitsamt Änderungsanträgen haben das Potenzial, die Arbeit der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen erneut mit Bürokratie und ‚Digitalisierungsberatung‘ zu belasten“, so Steiner.
Niedergelassene fühlen sich mit Blick auf die Kliniken benachteiligt, beispielsweise bei der verpflichtenden Nutzung des E-Rezepts. Hier werde „mit zweierlei Maß gemessen“, äußert sich Andreas Gassen, KBV- Vorstandsvorsitzender. „Auf der einen Seite bekommen Krankenhäuser einen Freifahrtschein, Niedergelassene werden dagegen vollumfänglich verpflichtet – weiterhin unter Androhung von Sanktionen, versteht sich.“
Der Häusärztinnen- und Hausärzteverband hat ebenfalls ein Problem mit der beschlossenen Fassung des DigiG – und lehnt die kurzfristigen Änderungen „die ohne jede Beratung und Rückkoppelung mit den Praktikern quasi über Nacht ins Digitalgesetz gekommen sind“ entschieden ab. „Bis zum heutigen Tag funktioniert die Technik so schlecht, dass es in der Regel mehrere Minuten dauert, bis die ePA überhaupt eingesehen werden kann – von vernünftig eingespeisten Daten ganz zu schweigen“, erklärt Bundesvorsitzende Nicola Buhlinger-Göpfarth in einem Statement. Das sei mit dem dicht getakteten Praxisalltag nicht zu vereinbaren.
Der mRNA-basierte Impfstoff gegen das respiratorische Synzytial-Virus von Moderna hat in der ConquerRSV-Studie seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Impfung älterer Erwachsener über 60 Jahre zuverlässig vor RSV-assoziierten Erkrankungen schützen konnte.
Über 35.000 Menschen nahmen an der randomisierten Studie teil, die jetzt im New England Journal of Medicine erschienen ist. Dabei war das Vakzin namens mRNA-1345 zu 83,7 % wirksam bei der Prävention von RSV-assoziierten Erkrankungen der unteren Atemwege mit mindestens zwei Symptomen. Ähnlich wirksam (82,4 %) war der Impfstoff bei der Prävention von Erkrankungen mit mindestens drei Anzeichen oder Symptomen. Bei den Teilnehmern, die den mRNA-1345-Impfstoff erhielten, traten mehr systemische Nebenwirkungen auf als in der Placebogruppe (47,7 % gegenüber 32,9 %); am häufigsten kamen Müdigkeit, Kopfschmerzen, Myalgie und Arthralgie vor. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 2,8 % der Teilnehmer in beiden Gruppen auf, wobei die meisten Reaktionen leicht bis mittelschwer und vorübergehend waren.
Bereits im Sommer hat Moderna den Zulassungsantrag für mRNA-1345 in Europa, der Schweiz und Australien beantragt.
Die telefonische Krankschreibung für Berufstätige ist seit dem 7. Dezember dieses Jahres wieder möglich – jetzt soll die Telefon-AU in Kürze auch für Eltern erkrankter Kinder kommen. Den Stein ins Rollen brachte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: Er forderte den GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einem Brief auf, zeitnah die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Für die Regelung sei bereits das Unterschriftenverfahren eingeleitet worden, heißt es in einem Antwortschreiben an Lauterbach, dass der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Inkrafttreten sei für den 18. Dezember geplant.
Mit dem Vorhaben soll laut Lauterbach „unsinnige Bürokratie“ abgebaut werden. Das Ziel ist es, sowohl Eltern als auch Praxen zu entlasten. So müssen Eltern dadurch nicht mehr am ersten Tag, an dem das Kind krank ist, für ein Attest zum Arzt laufen, um das Kinderkrankengeld in Anspruch zu nehmen. Angesichts steigender Infektionszahlen – vor allem von akuten Atemwegserkrankungen – sollen Praxen mit der Regelung außerdem entlastet und Ansteckungsrisiken verringert werden. Ein Arztbesuch soll nach Lauterbachs Plänen dann erst ab dem vierten Krankheitstag notwendig sein.
Die Etablierung von Gesundheitsregionen und die massenhafte Eröffnung von Gesundheitskiosken – das waren zuletzt die beiden großen Punkte mit denen die kommunale Gesundheitsversorgung auf ein umfassenderes, neues Level gehoben werden sollte. Nun kommt aus Berlin die ernüchternde Einsicht: „Wir müssen zugeben, dass wir jetzt ein Jahr mit dem Referentenentwurf für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz unterwegs sind. Und da muss man nicht lange drum rumreden: Der hängt in der Bundesregierung fest“, sagte Michael Weller, Leiter der Abteilung 2 im BMG.
Infolgedessen wird es nun den Neustart für das Programm geben, das sich einerseits noch mehr als zuvor an den lokal vor Ort benötigten Bedürfnissen orientieren soll und zum anderen mehr strukturelle Freiheit gewähren soll. Bedeutet: Die Angebote von Gesundheitskiosken sollen präzisiert werden. Während auf dem Land eher bei einer grundsätzlichen Terminfindung (bei Fachärzten) unterstützt werden muss, sind es in Ballungs- und städtischen Gebieten auch sprachliche Hilfsangebote und die Vermittlung zum Arzt. Ferner werde das neue Gesetz um Themen ergänzt wie die Regelungen für das Engagement von Investoren in den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sowie die Gründung genossenschaftlicher MVZ.
Die Kritik an den Plänen kommt derweil weiterhin von Teilen der Ärzteschaft, die in den Kiosken eine potenzielle Parallelstruktur ohne gerechtfertigten Mehrwert sehen sowie von den Kassen, die die geplanten Kosten von ca. 400.000 Euro je Kiosk angesichts der angespannten Finanzlage als zu hoch angeben.
Bildquelle: Mat Napo, Unsplash