Lieferengpässe sind inzwischen fast schon Alltag. Bei Antibiotikasäften wird’s schnell brenzlig – wenn es hart auf hart kommt, müssen Apos mit Rezepturen aushelfen. Lest hier das Wichtigste, was ihr zur Zubereitung wissen müsst.
Bekanntlich wird es in diesem Winter wieder eng bei der Versorgung mit Antibiotikasäften. Was, wenn die Versorgungslage sich noch weiter verschlechtert? Die Löcher könnten mithilfe der Rezeptur gestopft werden und dazu müssen nicht mal mehr die Kinderärzte mitspielen, wie im vergangenen Jahr. Denn seit dem 16. Dezember 2023 ist es möglich, dass wichtige Medikamente gegen Rezepturen ausgetauscht werden dürfen. Wie das vonstattengehen muss und wie man die Rezeptur zubereitet, lest ihr hier.
Grundsätzlich ist es möglich, die Säfte aus der entsprechenden Wirksubstanz zuzubereiten oder als Grundlage die Filmtabletten für Erwachsene zu zerkleinern. Als reiner Wirkstoff ist allerdings nur Amoxicillin-Trihydrat verfügbar (sofern es überhaupt lieferbar ist), bei Cefaclor-Monohydrat, Cefixim-Trihydrat, Cefpodoximproxetil, Cefuroxim-Axetil, Kaliumclavulanat, Phenoxymethylpenicillin-Kalium und Sultamicillintosilat-Dihydrat muss immer das Fertigarzneimittel verarbeitet werden.
Bei der Herstellung von Rezepturen ist immer der reine Wirkstoff den Fertigarzneimitteln vorzuziehen, da hier die Einwaagemenge mithilfe des Korrekturfaktors genauer bestimmt werden kann und nicht mehr als ein Prozent von der Soll-Einwaagemenge abweichen darf. Bei Fertigarzneimitteln sieht das anders aus, denn hier ist eine so genaue Einwaagemenge von vorneherein praktisch unmöglich. Das BfArM gibt hier weitere Grenzen vor, denn „die Spezifikation für den Gehalt des arzneilich wirksamen Bestandteils ist auf 95 bis 105 Prozent, für Konservierungsmittel und Antioxidantien auf 90 bis 110 Prozent der deklarierten Menge festzulegen“. Umso wichtiger ist es, bei der weiteren Verarbeitung dieser Fertigarzneimittel qualitativ hochwertig zu arbeiten, auch wenn es für alle aufgeführten Antibiotika derzeit keine relevanten NRF-Vorschriften und NRF-Stammzubereitungen gibt. Es waren ja bislang immer genügend Fertigarzneimittel verfügbar – im Grunde dasselbe Problem wie im vergangenen Jahr mit den Paracetamol-Suppositorien.
Trotzdem gibt das DAC/NRF natürlich wertvolle Hinweise, an die sich das pharmazeutische Personal halten kann, wenn es in die Not kommt, solche Säfte herstellen zu müssen. Dort wurden die Fertigarzneimittel verschiedener Hersteller von Amoxicillin-Tabletten bezüglich ihrer Stabilität in einer Grundlage für Suspensionen getestet. Auch die Herstellung von Kapseln aus gepulverten Filmtabletten ist grundsätzlich möglich. Diese könnten entweder geschluckt werden oder, wenn die Kinder zu klein sind, ausgefüllt und unter einen Löffel mit Brei oder Fruchtmus gemischt werden – je nachdem, ob sich das gewählte Antibiotikum zusammen mit Milch oder Milchprodukten einnehmen lässt. Für die Praktikabilitätsprüfung wurden bei DAC/NRF laut eigener Angabe die Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.), der Zuckersirup DAB und ein Himbeersirup, nach herstellerinterner Vorschrift ausgewählt.
Werden Tabletten oder gar Filmtabletten verarbeitet, dann muss man mit Verlusten beim Pulverisieren und bei eventuell vorhandenen Filmüberzügen rechnen. Daher ist nicht das Äquivalent der benötigten ganzen Tabletten als Berechnungsgrundlage heranzuziehen, sondern man rechnet mit einem Überschuss. Die Tablettenmenge wird also eingewogen und ausgehend von dieser Masse wird, nach dem Pulverisieren und Absieben eventuell vorhandener größerer Stücke, die sich nicht weiter zerkleinern lassen, die benötigte Masse errechnet und eingewogen. Werden also beispielsweise sechs Tabletten benötigt, so werden sie zuvor genau gewogen, gemeinsam mit einer siebten Tablette pulverisiert und anschließend die Masse von sechs Tabletten aus der Pulvermasse entnommen. So kann man sichergehen, dass der gesamte Wirkstoff auch dort landet, wo er hinsoll – und nicht in den Poren der Reibschale. Ähnlich geht man auch bei der Herstellung von Kapseln aus Tabletten vor. Die erforderliche Masse wird dann nur nach der Ergänzungsmethode weiterverarbeitet. Hier ist ein Überschuss von 5 Prozent immer zu empfehlen.
Folgende Fertigarzneimittel wurden bereits hinsichtlich ihrer Eignung für Suspensionen zum Einnehmen überprüft:
Auch Amoxicillin Micro Labs Filmtabletten scheinen sich zur Verarbeitung zu eignen. Für die Herstellung eines Amoxicillin-Saftes legt man also entweder Amoxicillin-Trihydrat als Substanz vor – hier muss nur der Einwaagekorrekturfaktor mit der benötigten Masse multipliziert werden – oder die errechnete Pulvermenge aus den gemörserten und gesiebten Filmtabletten. Zur Herstellung nutzt man am besten eine Metall- oder eine Glasschale, die beide sehr glatt sind. Eine übliche Fantaschale ist weiß und man kann darin die vollständige Benetzung des Pulvers oder des Wirkstoffes nicht beurteilen. Nutzt man als Suspensionsgrundlage die Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (S.52), so entspricht eine Menge von 110,4 g etwa 100 ml. Wird aufgrund der verbesserten Geschmackseigenschaften Himbeersirup gewählt, so entsprechen hier 133,9 g einer Menge von 100 ml. Aus dieser Wirkstoffgruppe sollte einzig Amoxicillin-Clavulansäure nicht mit Himbeersirup verarbeitet werden, da sie sich im niedrigen pH-Wert von 3 zu schnell zersetzt. Zur Benetzung genügt etwa die gleiche Menge Grundlage, wie man Tabletten- oder Wirkstoffmasse eingewogen hat. Nach sorgfältiger Homogenisierung wird immer wieder unter Abschaben der Schale mit den Kartenblättern portionsweise mit der Grundlage ergänzt, bis man eine fertige Suspension vorliegen hat.
Abgefüllt wird die Rezeptur in eine Medizinflasche mit einem Steckeinsatz für eine 5-ml-Dosierpipette und mitsamt dieser abgegeben. Hier kann der Saft, der bitter schmeckt, direkt in die Backentasche des Kindes appliziert werden. Damit umgeht man einen großen Teil der Zunge und der Geschmacksknospen. Um zu gewährleisten, dass die Patienten oder deren Eltern die Suspension ordnungsgemäß aufschütteln können, sollte bei einer Menge von 100 ml Suspension ein 150 ml fassendes Abgabegefäß gewählt werden. Bei einer Lagerung im Kühlschrank ist von einer Haltbarkeit von etwa 14 Tagen auszugehen, Kapseln sind theoretisch bis zu einem Jahr haltbar. Da die Stabilitätsdaten bei der Verwendung der Fertigarzneimittel noch nicht geprüft wurde, erscheint es sinnvoll, diese Haltbarkeit etwas einzukürzen.
Betrachtet man die übrigen Antibiotikagruppen, so wurden von DAC/NRF folgende Fertigarzneimittel positiv für die Verarbeitung mit der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen getestet:
Auch Cefurox Basics 250 SUN Filmtabletten sind in der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen nicht anwendbar. Leider gibt es noch keine Erfahrungen zur Verwendung von Phenoxymethylpenicillin-Kalium oder Sultamicillintosilat-Dihydrat.
Auf der Dringlichkeitsliste Kinderarzneimittel Herbst-Winter 2023/2024 hat das BfArM etwa 350 Präparate aufgeführt, die allesamt bei Lieferengpässen gegen eine Rezeptur ausgetauscht werden dürfen. Dafür bedarf es nur noch einer Sonder-PZN für das Muster 16 (die 18774446 plus Faktor 1) und einer andere Sonder-PZN für das E-Rezept (die 18774452 ohne die Rezeptur-Sonder-PZN) zu vergeben. Es genügt, den Gesamtbetrag der Rezeptur ohne den sonst immer benötigten Hash-Code aufzudrucken. Ein Austausch ist immer dann möglich, wenn das Medikament nach einer Großhandelsabfrage nicht besorgt werden kann – vergleichbar mit den Regeln des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG). Die Rezeptur muss übrigens nur wirkstoffgleich sein, sie darf sogar eine andere Darreichungsform besitzen. Weiterhin zu beachten ist trotzdem die Abgabe-Rangfolge – das bedeutet, dass Rabattverträge, die vier preisgünstigsten Generika und Importe zu überprüfen sind, bevor man sich in die Rezeptur aufmacht.
Wir hoffen alle, dass die Situation der völligen Nicht-Lieferbarkeit der Antibiotikasäfte nicht eintritt. Falls doch, ist es ein Segen, dass wir derzeit noch Voll-Apotheken haben, die in der Rezeptur aushelfen können. Die von Gesundheitsminister Lauterbach geplanten Apotheken light können das nicht.
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